Wie Sie Kritik richtig geben und nutzen

Es ist Sommerzeit und das bedeutet für alle, die im Tourismusbereich tätig sind, ein Zittern vor der Ungnade des Gastes. Jede schlechte Laune könnte in einer negativen Bewertung enden. Bewertungen sind für jedes Unternehmen eines der wichtigsten Dinge, die es gibt. Nicht nur die Kunden von heute, sondern auch potentielle Mitarbeitende googeln zunächst, was andere im Internet über ein Unternehmen oder ein Produkt schreiben, bevor sie sich ernsthaft näher damit beschäftigen.

Wenn Sie nach einem Arzt im Internet suchen, finden Sie per Mausklick unterschiedliche Meinungen und Bewertungen über dessen Kompetenzen. Wenn Sie ein Produkt erwerben wollen, bekommen Sie in Sekundenschnelle unterschiedlichste Meinungen und Erfahrungen geliefert. Wenn Sie essen gehen möchten, reicht ein Klick, um nicht nur über die unzähligen Möglichkeiten, sondern auch über die Nachwirkungen schlechter Küche aufgeklärt zu werden. Willkommen im Zeitalter der öffentlichen Kritik.

Menschen teilen gerne ihre Erfahrungen und Meinungen. Kritik als solche ist nichts weiter als eine positive oder negative Beurteilung von etwas oder jemanden. Kritik zeigt sich unterschiedlicher Form: Konstruktive Kritik beispielsweise dient dazu, gleich mit der Beurteilung eine Anleitung für Verbesserung zu liefern. Destruktive Kritik hingegen zielt mehr darauf ab, den Kritisierten zu verletzen oder gar Schaden zuzufügen. Menschen kritisieren meistens schnell und gerne, mögen es aber im Normalfall überhaupt nicht, selbst kritisiert zu werden.

Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf Kritik. Personen, die ein niedriges Selbstwertgefühl haben, sind (nicht sehr überraschend) empfindlicher Kritik gegenüber, denn sie sind von vornherein davon überzeugt, (negative) Kritik zu verdienen. Menschen, die eher wettbewerbsorientiert agieren, reagieren Studien nach auf Kritik, indem sie noch mehr und härter, aber nicht unbedingt überlegter arbeiten (die Hypothese dazu lautet, dass sie ihren Kritikern mit Wut begegnen und zeigen wollen, dass diese im Unrecht sind. Dabei geht es ihnen aber nicht darum, unbedingt etwas zu verbessern). Narzissten hingegen verlangen oft direkt nach Feedback, meinen damit aber nur positives Feedback, negatives wird ignoriert. (Sie können im Übrigen so einen Narzissten gut entlarven: Wenn jemand vollkommen überzogen auf harmlose und normale Kritik reagiert, könnte es sich um einen Narzissten handeln, der extrem stark auf negative Gefühle anspringt.)

Die sozialen Medien fördern die Kultur der Kritik. Es ist an der Zeit, dass wir lernen, wie wir richtig Kritik annehmen und auch geben. Hier einige Tipps, die ich meinen Kunden mitgebe, wenn sie um Feedback auf ihr Unternehmen oder ein Produkt bitten:

1. Nehmen Sie Kritik nicht persönlich

Wann immer ich meine Kunden rausschicke, erinnere ich sie daran, dass sie Feedback niemals persönlich nehmen sollen. Ich weiß, dass ist leichter gesagt als getan. Gerade wenn sich die Kritik vernichtend anfühlt, wird es auch Ihre Gefühle nicht vollständig retten, aber es ist ein hilfreicher Ansatz, um den Fokus von Emotionen auf Analyse zu verschieben. Wenn wir Kritik als das sehen, was es ist – nämlich ein Urteil einer einzelnen Person über eine bestimmte Leistung – entpersonalisieren wir es. Dadurch können wir es nicht nur leichter annehmen, sondern auch die Chance erkennen, die sich uns bietet: Durch den Blick eines Außenstehenden uns zu verbessern.

Ein Spezialfall ist, wenn eine Person mit Wut kritisiert oder beleidigend wird: Wütende Kritik bedeutet fast immer, dass sich die Person in irgendeiner Weise verletzt fühlt. Wut ist allerdings eine sekundäre Emotion – sie ist eine Reaktion auf und ein Ausdruck einer darunterliegenden primären Emotion wie Schmerz, Scham oder Schuld. Menschen werden zuerst verletzt und dann wütend. Wenn Sie hinter der oberflächlichen Wut nach der primären Emotion suchen, wird es viel einfacher, Mitgefühl für diese Person zu empfinden. Und obwohl es schwer ist, Mitleid mit jemandem zu haben, dessen Feedback gerade wie ein giftiger Pfeil auf Sie zielt, können Sie so darüber nachdenken, welchen Knopf Sie unabsichtlich gedrückt haben könnten.

2. Es kommt darauf an, was Sie hören

Interpretation ist alles. Wenn ein kritischer Kommentar Ihr Selbstvertrauen erschüttert, fragen Sie sich, was dieser Kommentar tatsächlich über Sie als Person aussagt. Wahrscheinlich hat Ihre Antwort nichts mit dem zu tun, was Ihr Kritiker tatsächlich gesagt hat. Vielleicht hat Ihr Kritiker zum Beispiel gesagt: „Ihr Produkt ist nicht das, was wir gerade suchen“, aber Sie haben es aufgefasst als: „Die Idee ist einfach nur Mist“. Das sind zwei völlig unterschiedliche Aussagen. Vermeiden Sie Interpretationen und Spekulationen – und fragen Sie lieber nach.

3. Machen Sie Kritik zu einem Geschenk

Wir alle müssen (oder wollen auch) von Zeit zu Zeit Kritik üben. Für manche ist das sogar Teil ihres Jobs. Der Schlüssel zu effektiver Kritik besteht darin, sich zu erinnern, dass Kritik dazu beitragen soll, jemanden zu helfen, nicht jemanden zu schaden oder gar zu zerstören. Gerade im Internet wird der Kommentarbereich schnell wie die Toilettenwand benutzt. Deswegen halten Sie sich an eine einfache Regel: Loben Sie immer in der Öffentlichkeit und kritisieren Sie unter vier Augen. Das zeigen sogar Studien: Positives Feedback, das Schülern in der Öffentlichkeit gegeben wurde, führte zu verbesserter Leistung als Lob, das sie unter vier Augen bekamen. Bei negativem Feedback war genau das Gegenteil der Fall.

Kritik anzunehmen, ist wirklich nicht leicht – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Fragen Sie einfach jede erfolgreiche Person nach ihren Anfängen und Sie werden schockierende Geschichten über brutale Misserfolge und Kritiken zu hören bekommen. So hat zum Beispiel Stephen King sich in seinen Memoiren daran erinnert, wie er zu Beginn seiner Karriere jeden Ablehnungsbrief an die Wand seines Schlafzimmers genagelt hat. Zwischen den ganzen Absagen gab es aber auch immer wieder Nachrichten mit Lob und Ratschlägen, die ihn über Wasser hielten, während die Wand immer voller wurde. Die Moral von der Geschicht’? Ein Kompliment, selbst wenn es in Ablehnung verpackt ist, kann viel bewirken.

Gestalten Sie daher Ihre Perspektive auf Kritik so, dass Sie sie als eine Möglichkeit sehen, Ihre Erfahrungen zu erweitern. Betrachten Sie Kritik als Indikator dafür, dass Sie wichtige Arbeit leisten, und Ihre eigene Akzeptanz als Zeichen dafür, dass Sie erwachsen sind.

P.S. Eine genaue Anleitung, um mit Fremden zu sprechen bzw. wie Sie mit Kritik gut umgehen können, finden Sie in meinem Buch:

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