Wenn Ziele enttäuschen: Die Entwicklung unserer Wünsche und Ziele im Laufe des Lebens

Bis zu meinem 11. Lebensjahr war es mein Traum, Detektiv zu werden und spannende Kriminalfälle zu lösen. Meine Sommer verbrachte ich daher Agatha-Christie-lesend unter einem schattigen Baum, bis ich in der Oberstufe zufällig in eine sehr renommierte Theatergruppe aufgenommen wurde. Ab diesem Zeitpunkt war ich glühender Theaterfan und konnte mir nichts Besseres vorstellen, als selbst einmal auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu stehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein damaliges 11-jähriges-Miss-Marpel-Ich diesen Wandel nicht verstanden und vielmehr noch als Verrat gesehen hätte.

Nach meinem Abitur begann ich dennoch BWL zu studieren. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, womit ich später mein Geld verdienen wollte, daher empfand ich dieses Studium als sicherste Lösung. Ich hatte damals nicht die leiseste Ahnung, dass ich nur ein paar Jahre später meine große Liebe zur Psychologie entdecken würde und noch ein paar Jahre später diese Leidenschaft als selbstständige Unternehmensberaterin leben würde, die Bücher schreibt und mit ihrem Mann einen eigenen Podcast betreibt. Als ich mein Studium abschloss, gab es noch keine Podcasts, es war gerade mal der Beginn der Smartphones. Meine Zukunft war nicht nur unbekannt, sie war einfach nicht vorhersagbar, weil so viele technische Neuerungen, die in der heutigen Zeit so selbstverständlich scheinen, damals einfach noch nicht existierten.

Eine der größten Herausforderungen bei der Planung der Zukunft ist unsere Tendenz, unsere aktuellen Vorlieben auf unser zukünftiges Selbst zu projizieren. Wenn wir Entscheidungen über unsere Zukunft treffen, stützen wir sie oft auf unsere aktuellen Prioritäten und Werte. Wir können uns nur schwer vorstellen, dass wir in Zukunft andere Perspektiven, andere Ansichten, andere Bedürfnisse oder Vorlieben haben werden. Wir können uns vielleicht vorstellen, dass wir ein bisschen grauer und älter geworden sind. Aber die Vorstellung, dass wir eine andere Einstellung haben werden bzw. dass wir im Grunde sogar andere Menschen sein werden, ist undenkbar.

Wenn wir zum Beispiel einen neuen Job beginnen, machen wir das meistens in der Überzeugung, dass wir für lange Zeit in genau diesem Unternehmen einen tollen Job erledigen werden. Oder wenn wir heiraten und jemanden versprechen, ihn oder sie bis zu unserem Lebensende zu lieben, dann geben wir einer anderen Person ein Versprechen, das im Grunde ein Fremder mitunter 60 Jahre lang für uns einhalten muss. Denn vielleicht teilt unser zukünftiges Selbst nicht unsere jetzigen Ansichten, Vorstellungen und Hoffnungen.

Wenn wir Entscheidungen hinsichtlich unserer Zukunft treffen, gehen wir oft davon aus, dass unser jetziges Ich das Ende der Geschichte repräsentiert und dass die Zukunft noch mehr vom Gleichen sein wird. Aber diese Entscheidungen basieren meistens auf unseren kurzfristigen, aktuellen Interessen.

Wie können wir also bessere Entscheidungen über unsere zukünftigen Ziele und Wünsche treffen? Hier sind einige Tipps:

Bleiben Sie neugierig

Wenn Sie akzeptieren, dass sich Ihre Wünsche, Vorhaben und Perspektiven in 20 oder 30 Jahren vollkommen geändert haben könnten und Sie dadurch zu einem anderen Menschen geworden sind, können Sie auch eine aktive Rolle in der Gestaltung dieser Person übernehmen. Anstatt zu versuchen, genau vorherzusagen, wo Sie sich zukünftig sehen oder wie Ihre Pläne oder Ziele dann aussehen werden, konzentrieren Sie sich darauf, neugierig und flexibel zu sein.

Öffnen Sie sich für neue Perspektiven

Halten Sie Ihre Optionen offen und seien Sie bereit, Ihre Pläne anzupassen, wenn sich die Umstände ändern. Verbringen Sie Zeit mit Menschen, die nicht nur Ihre Freunde und Familie sind. Erweitern Sie Ihren Horizont, um bewusst zu entscheiden, wer Ihr zukünftiges Ich sein soll. Diese Einstellung wird Ihnen auch dabei helfen, ein differenzierteres Verständnis dafür zu entwickeln, was Ihnen wirklich wichtig ist.

Nehmen Sie schrittweise Änderungen vor

Anstatt zu versuchen, auf einmal große, drastische Änderungen vorzunehmen, konzentrieren Sie sich auf schrittweise Veränderungen, die Sie mit der Zeit in die richtige Richtung führen werden. Kleine Schritte sind oft effektiver als große Sprünge.

Haben Sie keine Angst, den Kurs zu ändern

Wenn Sie feststellen, dass sich Ihre Ziele oder Perspektiven im Laufe der Zeit verändert haben, seien Sie mutig und passen Sie den Kurs entsprechend an. Ihr zukünftiges Selbst wird mit großer Wahrscheinlichkeit über Fähigkeiten, Wissen und Stärken verfügen, die Sie heute noch nicht besitzen.

Üben Sie sich in Achtsamkeit

Achtsamkeit hilft dabei, im Moment präsent zu sein, anstatt sich in Sorgen um die Zukunft zu verstricken (eine meiner Lieblingsübungen finden Sie hier). Diese Einstellung unterstützt Sie dabei, durchdachtere und bewusstere Entscheidungen über Ihre Ziele und Bestrebungen zu treffen.

Wenn Sie in nächster Zeit mit Chancen konfrontiert werden und zögern, weil Sie vielleicht glauben, dass Sie nicht das Zeug dazu haben, um zum Beispiel ein eigenes Unternehmen zu gründen oder eine andere Stelle anzunehmen, dann denken Sie an Ihr zukünftiges Ich. Seien Sie mutig und sagen Sie sich im Brustton der Überzeugung „Ich habe vielleicht heute nicht die Kompetenzen, diese Dinge zu tun. Das bedeutet aber nicht, dass ich morgen nicht die Kompetenzen habe, diese Dinge zu tun“.

Wir alle sind unvollendete Werke, die sich irrtümlich für vollendet halten. Der Mensch, der Sie jetzt sind, ist so vergänglich und flüchtig, wie derjenige, der Sie zuvor einmal waren und der Sie sein werden. Die einzige Konstante in unserem Leben ist und bleibt eben die Veränderung.