Warum negative Emotionen etwas Positives sind

Wut, Angst, Groll, Frustration - das alles sind negative emotionale Zustände, die viele Menschen sehr häufig erleben und die sie meistens versuchen mit aller Kraft zu vermeiden. Das ist auch vollkommen verständlich, denn sie bereiten Unbehagen und erzeugen Stress im Körper. Nicht selten führen sie zu gesundheitlichen Problemen, vor allem, wenn der Stress chronisch wird. Niemand mag es, sich unwohl zu fühlen, daher ist es natürlich, diesen Gefühlen so schnell es geht entfliehen zu wollen. Schließlich sind die Gefahren von unkontrolliertem Stress real. Allerdings ist die Gefahr, dass diese Emotionen für immer anhalten oder dass die Gefühle selbst das Problem sind, gar nicht real oder notwendig.

Alle Emotionen sind weder gut noch schlecht – vielmehr sind es Zustände und Signale, die Ihnen im Grunde ein Geschenk machen: Sie haben dadurch die Gelegenheit, den Ereignissen, durch die sie entstehen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Gerade bei negativen Emotionen sollten Sie gut hinsehen: Wenn Sie sich zum Beispiel innerhalb einer Beziehung gekränkt fühlen, kann das darauf hinweisen, dass Sie sich mehr um eine Person kümmern sollten oder Ihnen der Abstand zu dieser Person guttun würde.

Immer gut gelaunt zu sein ist zu einer neuen Form der sozialen Korrektheit geworden. Wenn Sie aber schwierige Emotionen unterdrücken oder sich von ihnen abwenden, tun Sie sich damit keinen Gefallen. Dieser Umgang entsteht oft aus einem ersten Impuls heraus, er ist aber weder gesund noch hilfreich. Vielmehr führt es dazu, dass Sie die Welt nicht mehr sehen, wie sie ist, sondern dass Sie die Welt und ihre Bewohner in Kategorien einteilen, die Sie sich wünschen. Aber die Welt ist nun mal so wie sie ist und wenn Menschen beginnen die Dinge zu verzehren, dann führt das dazu, dass sie weniger belastbar sind, wenn es zu Problemen kommt. Sie fühlen sich dann auch nicht so wohl und erkranken öfters an Depressionen und Angstzuständen. Und es wirkt sich auch auf die Beziehungen zu anderen Personen und Ihre Fähigkeit aus, Ihre Ziele zu erreichen.

Anstatt die schwierigen bzw. belastenden Gedanken zu versuchen einfach beiseitezuschieben oder Positivität zu erzwingen, ist es wesentlich besser, die negativen Emotionen effektiv zu benennen. In der Gesellschaft werden ganz häufig Schubladen verwendet, um Gedanken und die Welt als solche zu beschreiben und einzuordnen. Es gibt eine eigene Schublade für Stress oder für Angst. Aber es macht einen Riesenunterschied, ob Sie Stress empfinden, weil Sie sich überfordert fühlen oder weil Sie sich nicht wohl fühlen oder weil Sie von jemanden oder etwas enttäuscht sind. Wenn Sie damit beginnen, die Emotionen zunächst zu analysieren, um sie dann genauer zu benennen, dann können Sie auch die Ursachen dieser Emotionen verstehen. Und Sie können damit beginnen, echte Veränderungen anzustoßen, die letztlich nachhaltig sind.

Haben Sie Ihre Emotion definiert und benannt, dann ist es wichtig, dass Sie ihnen mit einem Gefühl von Liebe und Empathie begegnen. Das bedeutet nicht, dass Sie sich selbst bemitleiden oder die Realität verzerren sollen. Es bedeutet, dass Sie auf diese Weise einen sicheren Raum schaffen, in dem Sie sich trauen die Welt zu erkunden und Risiken einzugehen. Das ist deswegen möglich, weil Sie wissen, dass Sie kein schlechter oder dummer Mensch sind, auch wenn die Dinge doch nicht so laufen, wie Sie vielleicht gehofft haben.

Schließlich versuchen Sie, die emotionale Geschichte als das wahrzunehmen, was sie ist. Die Akzeptanz und Annahme der Gefühle, die da sind, ist der Schlüssel. Wenn Sie nicht bemerken, was gerade passiert, können Sie auch nicht entscheiden, wie Sie auf diese Dinge reagieren möchten. Deswegen schaffen Sie einen Raum zwischen Ihnen und dem Gefühl, das Sie fühlen, indem Sie als Beobachter auftreten und alle Dimensionen Ihrer Erfahrung benennen. Anstatt zu sagen „Ich bin gestresst“ sagen Sie lieber Dinge wie: „Ich merke, dass ich mich überfordert fühle, weil ich das Gefühl habe, den Aufgaben nicht gerecht zu werden.“ Oder „Ich merke, dass ich mich übergangen fühle und dass ich den Drang habe, laut loszuschreien, um Platz zu schaffen.“ Auf diese Weise geben Sie Ihren Werten und Absichten die Möglichkeit, sichtbar zu werden. Und Sie bekommen dadurch auch die Kontrolle über Ihre Reaktion zurück.

Ich persönlich habe schon vor langer Zeit den Versuch aufgegeben, meine Emotionen zu ändern und zu versuchen, etwas oder jemand anderes zu sein, der ich einfach nicht bin. Ich versuche im Hier und Jetzt zu leben und mein Verhalten bewusst zu lenken, denn ich weiß, dass das mein Schicksal prägt – unabhängig von meinen Gefühlen oder Gedanken. Für mich hat sich dieser Weg ausgezahlt, auch wenn er nicht immer einfach ist. Aber zu wissen, dass ich nicht meine Emotionen bin, hilft mir dabei, in den gegenwärtigen Moment zu kommen. Es geht dabei gar nicht darum, Kontrolle über die Gefühle zu bekommen. Sondern es geht darum, dass Sie akzeptieren und annehmen, was ist, um darauf basierend Ihr Verhalten und Ihre Reaktionen zu bestimmen. Es ist letztlich gar nicht wichtig, ob die Gedanken oder Emotionen negativer Natur sind oder nicht - vielmehr ist es wichtig, dass Sie sich bewusst auf die Erfahrung einlassen und dass Sie bewusst bestimmen, ob diese Gedanken wirklich Ihr Verhalten und Ihre Reaktionen bestimmen sollen oder nicht.