Freundlichkeit und Höflichkeit sind zwar beides wichtige Eigenschaften, aber nicht dasselbe. Erstes bedeutet, hilfsbereit, positiv und wertschätzend zu sein und sich wie ein Freund zu verhalten. Bei Letzterem geht es darum formelle Verhaltensregeln einzuhalten, um angenehm zu sein. Manche sagen zum Beispiel, dass die Wiener zwar freundlich, aber nicht unbedingt höflich sind („Nein, Sie sind vollkommen falsch gegangen, Sie Depp. Kommen Sie mit, ich zeig Ihnen den Weg.“), während die Menschen am Land zwar immer höflich, aber nicht unbedingt freundlich sind („Oh, nein, da sind Sie leider vollkommen falsch abgebogen. Da müssen Sie ganz anders gehen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“).
In der Psychologie wird Freundlichkeit und Höflichkeit generell nicht getrennt, sondern als „prosoziales Verhalten“ zusammengefasst. Prosoziales Verhalten ist ein Verhalten, das eine freiwillige Handlung beinhaltet, in der Menschen die Intention verfolgen, anderen Personen Nutzen zu bringen - oftmals ohne dass es dabei um die eigenen Interessen geht. Das Helfen anderer ohne Aufforderung oder Aussicht auf Belohnung, wie das Spenden an eine Wohltätigkeitsorganisation oder das Machen von Komplimenten, sind Beispiele für prosoziales Verhalten. In der Antike wurde dieses Verhalten Menschenfreundlichkeit genannt.
Untersuchungen zeigen eindeutig, dass prosoziales Handeln unser persönliches Glück und Zufriedenheit steigern. Wenn Sie prosozial agieren, also wenn Sie jemand anderen helfen und ihn oder sie unterstützen, macht Sie das glücklich. So wird das Selbstwertgefühl gestärkt, wenn man hilfsbereit, großzügig oder rücksichtsvoll agiert, und die Stimmung verbessert sich: So wird bei einer freundlichen Tat Cortisol, ein Hormon, das mit dem Stresslevel korreliert, ausgeschüttet und auch die Wohlfühl- und Glückshormone Serotonin und Dopamin fahren hoch. Es gilt aber auch umgekehrt: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Menschen, die glücklich und zufrieden sind, von sich aus prosozial handeln. Kurz gesagt: Im Interesse Ihres eigenen Wohlbefindens gibt es gute Gründe, freundlich und hilfsbereit zu anderen zu sein.
Leider scheitern viele Menschen oft dabei freundlich zu agieren. Trotz der besten Absichten reagieren Sie vielleicht unfreundlich, weil Sie verärgert sind und starten so ungewollt einen Streit. Diese Reaktion kann durch ein unfreundliches oder als Kritik aufgefassten Verhalten einer anderen Person ausgelöst werden. Das führt wiederum dazu, dass Sie unfreundlich auf die andere Person reagieren. Was wiederum bei der anderen Person Ärger hervorruft - und der Streit ist schon mitten im Gange, noch bevor Ihnen bewusst wird, was eigentlich passiert ist.
Das Spannende ist, dass sich die meisten Menschen selbst als sehr freundlich, hilfsbereit und nett einschätzen. Studien zufolge halten sich 98% der Menschen für netter als die anderen. Wäre dies trotz aller mathematischen Unmöglichkeiten tatsächlich der Fall, wären wir alle ständig glücklich und damit beschäftigt anderen zu helfen. Es würde eine Rückkopplungsschleife einsetzen, denn wenn Sie freundlich zu anderen sind, würde die andere Person mit Freundlichkeit antworten. So schön diese Vorstellung in der Theorie auch ist, in der Realität wird der Kreislauf nur schnell unterbrochen: Selbst wenn Sie bester Laune sind, kann eine schlechte Nachricht den besten Tag verdüstern, sodass Sie ungewollt die restliche Zeit ruppig und unfreundlich bei jeder Begegnung reagieren könnten.
Abgesehen davon gibt es auch noch Menschen, die absichtlich unfreundlich, wenn nicht sogar bösartig agieren - einfach, weil es ihnen Spaß macht. So untersuchten Forscher das Verhalten von Trollen in Internet, also Menschen, die negatives und beleidigendes Material veröffentlichen, um andere damit bewusst zu belästigen und zu verärgern. Dabei fanden die Forscher heraus, dass Trolle einfach aus purer Freude anderen das Leben erschweren und Bösartigkeiten in die Welt bringen.
Selbst wenn Sie nicht ein „trolliges“ Leben führen, werden Sie höchstwahrscheinlich nicht positiv reagieren, wenn Sie für Ihre Freundlichkeit beleidigt, abgestraft oder ausgelacht werden. Stellen Sie sich vor, Sie beginnen den Tag mit der Absicht, sich durchwegs freundlich zu verhalten. Um diesen Vorsatz umzusetzen, posten Sie vielleicht bewusst etwas Positives in den sozialen Medien, in der Hoffnung, andere mit Ihrer Positivität anzustecken. Wie das Leben nun so spielt, reagiert eventuell ein Troll oder ein verbitterter Mensch mit einer Beleidigung darauf. Das wird vermutlich nicht Ihre positiven Gefühle steigern, sondern im Gegenteil, Sie werden sich - zumindest Untersuchungen nach - unglücklich und verletzt fühlen. Und ab geht die Post.
Damit Sie nicht selbst in eine negative Schleife fallen und so lange wie möglich positive Absichten verfolgen, vermeiden Sie am besten von Beginn an mögliche Störungen in dieser Rückkopplungsschleife. Drei Ideen, wie das funktionieren kann:
1. Starten Sie jeden Tag mit dem Vorhaben, andere respektvoll und freundlich zu behandeln: Beginnen Sie gleich am Morgen damit, in dem Sie zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit fremde Personen anlächeln und grüßen. Vielleicht erhalten Sie den einen oder anderen irritierten Blick, aber ich wette, Sie bekommen oft auch ein nettes Lächeln zurück. Sie verschönern damit nicht nur sich selbst den Tag, sondern auch den der anderen Person.
2. Wenn die Schleife unterbrochen wurde, weil Sie beispielsweise eine schlechte Nachricht erhalten haben, dann starten Sie die positive Schleife erneut. Wenn Sie zum Beispiel eine nicht-freundliche Reaktion auf Ihr Lächeln erhalten, hören Sie trotzdem nicht damit auf - und reagieren Sie vor allem nicht mit dem, was erwartet wird. Achten Sie darauf, dass Sie nicht selbst in eine schlechte Reaktion ausrutschen. Sagen Sie stattdessen zu sich selbst: „Ich werde nicht zulassen, dass diese Person meinen Kreislauf unterbricht.“ Sollte es dennoch passieren, dass Sie unwirsch reagieren, entschuldigen Sie sich gleich dafür. Diese scheinbar kleine Geste der Entschuldigung setzt den Kreislauf der Rückmeldung sofort wieder in Gang und bringt sowohl Sie als auch die andere Person auf einen positiven Weg zurück.
3. Einige Störungen in Ihrem positiven Kreislauf sind unvermeidlich. Manche Bereiche in unserem Leben können von Menschen dominiert werden, die einfach Spaß daran haben oder es gewohnt sind, die Schleife zu unterbrechen. Versuchen Sie - so gut es geht - solche Situationen zu vermeiden. In einer Umgebung, die dauerhaft von fehlender Kooperationsbereitschaft und genereller Unfreundlichkeit geprägt ist, sollten Sie ein Umzug oder einen Wechsel überlegen. Das gilt auch in den sozialen Medien: Überlegen Sie, ob die Art und Weise, wie Sie zurzeit soziale Medien konsumieren, tatsächlich zu Ihrem Wohlbefinden beitragen.
Denken Sie darüber nach, welche Kraft eine freundliche Geste, eine freundliche Hand, ein freundliches Wort oder ein offenes Ohr auf jemanden haben können, wenn er das Gefühl hat, dass seine Welt aktuell zusammenbricht. Denken Sie darüber nach, wie es einen ohnehin schon guten Tag noch viel schöner machen kann. Denken Sie nun über die positiven Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit des Gebers nach. Die Kraft der Freundlichkeit ist bemerkenswert. Vielleicht erfahren Sie nie, welchen großen Einfluss unsere kleinen freundlichen Taten auf andere haben. Aber wir wissen, dass freundliche Menschen, die freundliche Dinge tun, genau das ist, was unsere Welt gerade braucht.
Und bevor ich wieder eine unfreundliche Mail oder einen beleidigenden Kommentar auf einen meiner Artikel erhalte und mir jemand erklären möchte, dass das alles Unsinn sei, wünsche ich dieser Person auf diesem Wege einfach einen schönen und angenehmen Tag.