Generell würde ich mich selbst als einen eher abwartenden und nicht vorschnell agierenden Menschen bezeichnen. Ich werde zum Beispiel nicht besonders schnell wütend oder reagiere verärgert. Im Gegenteil, ich bin eher überrascht, wenn Menschen in meiner Umgebung sich in Ereignisse hineinsteigern, die in den meisten Fällen nicht einmal etwas mit ihnen persönlich zu tun haben. Es gibt allerdings eine Sache, bei der mein eigener Geduldsfaden schnell überspannt wird: Wenn jemand unhöflich oder respektlos agiert.
Nun ist es aber so, dass das, was eine Person als unhöflich empfindet, für eine andere Person vollkommen in Ordnung ist. So ist es dem einen absolut egal, ob das Gegenüber während des Gesprächs ungeduldig auf die Uhr sieht, während der andere genau dieselbe Handlung als zutiefst unhöflich bzw. gar beleidigend empfindet. Wie Menschen etwas empfinden oder eine Aktion bewerten, liegt letztlich immer im Auge des Betrachters.
Für mich persönlich agiert eine Person dann unhöflich, wenn sie auf eine Weise handelt, die die Rechte oder die Gefühle eines anderen missachtet. Konkret meine ich Dinge wie zum Beispiel Dinge sich in einer Reihe einfach vorzudrängeln, andere in einer Besprechung einfach zu unterbrechen, sich über fremde Ideen lustig zu machen oder Menschen offen als dumm zu bezeichnen usw.
In meinen Anfängen als selbstständige Unternehmensberaterin war ich beispielsweise einmal für ein Unternehmen tätig, das alles, was ich bisher an Unhöflichkeit und Respektlosigkeit im Arbeitsbereich erlebt habe, bei weitem übertroffen hat. Ich war wirklich überrascht und zeitweise auch geschockt wie Menschen miteinander umgehen können. Auch wenn es unter dem Deckmantel eines Scherzes versteckt wurde, standen Aussagen wie „Das Schlimmste an meinem Job sind die Kollegen“ oder „Wo der bei der Gehirnverteilung war, ist mir nicht klar“ auf der Tagesordnung. Einmal schnappte ich sogar beim Vorbeigehen auf, wie eine Führungskraft zu einem Mitarbeiter sagte „Das ist doch nicht dein Ernst. Dafür hast du wirklich so lange gebraucht? Das hätte mein dreijähriger Sohn in fünf Minuten erledigen können…“.
Es geht nicht nur darum, dass es eigentlich selbstverständlich sein sollte, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Es geht auch darum, dass wenn Sie Menschen generell respektvoll und höflich begegnen, Sie sie nicht nur begeistern, sondern auch dort abholen können, wo sie sich gerade befinden. Und von dort können sie ihnen dabei helfen, das Potential zu entfalten, das in einem jeden von ihnen steckt. Jeder Mensch ist in einem höflichem Umfeld produktiver, kreativer, glücklicher und gesünder.
Nun waren diese Aussagen in dem Unternehmen kein Einzelfall. Auch wenn ich selbst als externe Beraterin äußerst höflich behandelt wurde, fühlte ich mich richtig schlecht sobald ich nur an das Unternehmen dachte. Ich ertappte mich dabei, immer wieder zu hoffen, dass der Tag möglichst schnell vorbeigehen würde und ich das Unternehmen endlich verlassen konnte. Am Ende des Projekts stürmte ich förmlich bei der Tür raus. Ich wollte nie wieder dorthin zurück.
Wenn wir erleben, wie andere Menschen schlecht, ungerecht oder auch unhöflich behandelt werden, macht das etwas mit uns. Denn Unhöflichkeit ist Studien zufolge ansteckend. Es ist wie ein Virus, das sofort jeden und alles infiziert, mit dem es in Kontakt tritt. Es gilt also dieses Virus noch im Keim zu ersticken, bevor es sich verbreiten kann.
Jeder von uns kann sich für einen respektvollen und höflichen, vor allem aber achtsameren Umgang mit anderen einsetzen. Bei der Arbeit, zu Hause oder auch online. Das geht ganz einfach, in dem Sie sich selbst öfters fragen, wer Sie sein wollen und wie Sie von anderen wahrgenommen werden wollen. Durch Ihr Verhalten geben Sie jeden Tag eine Antwort darauf. Alleine durch die Art und Weise, wie Sie auftreten und wie Sie sich verhalten, geben Sie jeden Tag eine Antwort darauf. Ihre persönliche Haltung, Ihre Aktionen, aber vor allem, Ihr Umgang mit anderen, bestimmt letztlich auch Ihren Erfolg und Ihre persönliche Zufriedenheit.
Wenn wir uns nicht trauen für andere einzustehen, weil wir Angst vor Konflikten haben, wird das zu einem wirklichen Problem. Wenn wir aufhören Missstände aufzuzeigen, weil wir Angst davor haben aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden, dann wird das Problem sogar noch größer.
Ein Grund für den Mangel an Höflichkeit ist die Angst, zu nett zu erscheinen und deswegen nicht ernst genommen zu werden. Vor allem Führungskräfte haben die Befürchtung, dadurch nicht als autoritär genug wahrgenommen zu werden. Dabei konnten Studien nachweisen, dass der Grund, dass Führungskräfte nicht akzeptiert werden, vielmehr ein unsensibler Umgang mit den Mitarbeitenden ist. Unhöfliches Verhalten kann auch ein Weg sein, Macht zu demonstrieren oder zu versuchen, eine Reaktion zu provozieren. Oder es ist eine Reaktion auf Stress und Frustration. Trotzdem ist Unhöflichkeit oder Respektlosigkeit niemals ein probates Verhalten, das toleriert werden sollte.
Nun bedeutet höflich zu sein nicht nur kein Fiesling zu sein. Jemanden nicht zu unterdrücken ist nicht dasselbe, wie jemanden zu bestärken. Höflichkeit beinhalten auch viele kleine Dinge wie zu lächeln oder beim Vorbeigehen zu grüßen. Oder zuzuhören und nicht zu unterbrechen, wenn jemand anderer spricht. Sie können auch eine vollkommen andere Meinung haben, einen Konflikt austragen oder negatives Feedback geben - und zeitgleich höflich und respektvoll sein.
Studien zeigen, dass respektvoll behandelt zu werden, Menschen wichtiger ist als Anerkennung in Form von Geld. Jeder will die Gelegenheit bekommen zu zeigen, was er oder sie kann. Dazu braucht es aber die entsprechende Umgebung. Das Schöne ist, dass es gar nicht so schwer ist, anderen höflich und mit Respekt zu begegnen. Es beginnt mit kleinen Dingen wie danke zu sagen oder zuzuhören, interessierte Fragen zu stellen und nur zu lächeln. Das reicht schon.
Es wird immer ein paar Menschen geben, die trotz ihrer unangenehmen Art und Weise, mit der sie andere behandeln, Erfolg haben. Doch früher oder später sabotieren sie ihr eigenes Wohlempfinden, davon bin ich überzeugt. Geben Sie dem Unhöflichkeitsvirus keine Chance. Lassen Sie uns lieber gegenseitig mit dem Respekt-, Wertschätzungs- und Höflichkeitsvirus anstecken. Ein Lächeln in das Gesicht eines anderen Menschen zu zaubern, hat eine viel schönere Wirkung auf andere und auf uns selbst als alles andere.