Loslassen wird oft als letzter verzweifelter Versuch für den eigenen Fortschritt gesehen. Es wird nur losgelassen, was wirklich losgelassen werden muss - und nur dann, wenn es anders wirklich nicht geht. Die Vorstellung, dass uns Beharrlichkeit zum Erfolg führt, ist tief in uns verankert. Dabei geht es sogar öfters nach hinten los, wenn wir ein Ziel hartnäckig verfolgen.
Wenn wir loslassen, gewinnen wir die Freiheit, andere, vielleicht zuvor übersehene Ziele zu verfolgen. Wenn wir all unsere Energie auf Ziele verwenden, die uns im Grunde gar nicht weiterbringen, verpassen wir wertvolle Gelegenheiten, andere, wichtigere Dinge zu tun.
Wenn Sie ein Ziel loslassen, das Sie womöglich schon lange verfolgt und von dem Sie auch anderen erzählt haben, dann fühlt sich das Loslassen in diesen Momenten wie ein sicheres Scheitern an. Das ist grausam und schmerzhaft. Es tut weh. Aber genau in diesem Moment des Schmerzes ist es wichtig, dass Sie zurücktreten und das ganze Bild betrachten. Die meisten Menschen bleiben in Jobs, die sie nicht mögen, in Beziehungen, die schon längst vorbei sind, nur um das zu vermeiden, was sie zu ihrem größten Wachstum führen würde: Nämlich die Bereitschaft loszulassen.
Der wichtigste Teil aller Erfolgsgeschichten, von denen nur die wenigsten sprechen und die die meisten übersehen, ist, dass es nicht wichtig ist, was nicht funktioniert hat. Es ist wichtig, wogegen Sie sich entschieden haben und was Sie nur so erkennen konnten, dass Sie doch nicht wollen. Es ist wichtig dazu zustehen, worin Sie keine Zeit oder Energie mehr stecken möchten.
Wenn Sie Dinge nicht aufgeben, dann bedeutet das, dass Sie Ihre derzeitige Strategie ändern müssen. Bewusst mit dem Gedanken zu spielen, doch aufzugeben, erfordert Klarheit. Es erfordert, dass Sie sich das langfristige Bild genau ansehen und hinterfragen, ob Ihre derzeitige Vorgehensweise Sie wirklich dorthin führen wird und ob es auch tatsächlich dieses Ziel ist, dass Sie erreichen möchten.
Es braucht Mut, um durchzuhalten, aber es braucht noch mehr Mut, loszulassen und sich einzugestehen, dass ein Ziel nicht erreichbar oder wichtig ist. Es zahlt sich immer aus, dass Sie nach mehreren ernsthaften Versuchen, ein Ziel zu erreichen, bewusst darüber nachdenken, ob es nicht doch ein anderes, ebenso befriedigendes Ziel gibt, für das Sie Ihre Zeit besser aufwenden könnten. Das bedeutet nicht, dass Sie Ihre Standards senken. Ganz im Gegenteil: Es bedeutet, dass Ihnen Ihre Zeit und Energie so wichtig sind, dass Sie sie auch sinnvoll investieren.
Sich von einem Vorhaben oder Ziel zu lösen, kann auch heißen, dass es persönlich einfach nicht mehr wichtig ist. Die natürliche menschliche Tendenz ist zu denken, dass wir ein Ziel so lange verfolgen sollten, bis wir es erreicht haben. Aber manches Mal ändern sich einfach die Umstände - noch bevor wir zu diesem Punkt gelangt sind. Wenn Menschen Schwierigkeiten haben, sich selbst zu motivieren, ein Ziel zu verfolgen, dann liegt es oft daran, dass das Ziel für sie nicht mehr so wichtig ist wie früher. Menschen ändern sich im Laufe der Zeit – auch die Ziele ändern sich.
Nur wie lässt man einen Traum zurück, für den man so viel Zeit und Energie aufgewendet hat? Über den man mit anderen geredet hat, ihn geteilt hat und auf den man so lange hingearbeitet hat? Wie findet man selbst den Mut zuzugeben, dass es nicht funktioniert und dass man sich geirrt hat?
Die größte Hürde ist nicht der Verlust. Es ist das eigene Ego und die Angst, was als nächstes kommt. Denn, wenn wir etwas loslassen, das wir nicht wollen, dann müssen wir uns überlegen, was als nächstes kommt. Wenn wir loslassen, was wir nicht wollen, dann bedeutet das damit aufzuhören, was wir gerade tun. An diesem Punkt blicken wir meistens in einen tiefen Abgrund des Unbekannten, der uns Angst macht, weil wir nicht wissen, was danach kommt.
Wenn wir etwas loslassen, dann geht es meistens darum, zu akzeptieren, was eigentlich schon längst weg ist. Es geht nicht darum zu entscheiden, ob Sie eine Sache oder Person in Ihrem Leben behalten möchten. Vielmehr ist es das Bewusstmachen, dass diese eine Sache oder die Beziehung zu der einen Person einfach nicht funktioniert hat. Es geht darum, bereit zu sein, sich von alten Träumen, Ideen und Erwartungen zu lösen und vorwärtszugehen in eine Zukunft, die einfach besser passt. Loslassen ist niemals das Ende, es ist vielmehr der Anfang.
Es ist in Ordnung, Ihre Meinung zu ändern. Es ist in Ordnung, hart an etwas zu arbeiten und zu erkennen, dass es doch nicht das Richtige ist. Es ist in Ordnung, sich deswegen auch schlecht zu fühlen. Aber es ist nicht in Ordnung, Ihrem Ego zu erlauben, die Möglichkeiten, die Sie besitzen und die vor Ihnen liegen, zu unterdrücken. Es ist nicht in Ordnung, dass Sie sich von der Angst bestimmen lassen, ob Sie weitermachen oder nicht. Es ist nicht in Ordnung, Ihr Leben nicht so zu leben, wie Sie wollen, weil Sie zu viel Angst haben, zuzugeben, dass Sie manches Mal unvollkommen und kurzsichtig agieren.
Wir alle sollten uns im Laufe der Zeit weiterentwickeln – und unsere Ziele für unser Leben und die Beziehungen zu anderen Menschen sollten das auch tun.