Die Macht der Worte

Worte sind wichtig. Sie verändern und beeinflussen uns. Sie umgeben uns eingewoben in unser soziales und politisches Leben rund um die Uhr. Worte sind die Waffen der Mächtigen und das wichtigste Werkzeug für Neugestaltung. Umso wichtiger ist es, dass wir genau darauf achten, wie wir sie einsetzen.

Ich habe immer häufiger das Gefühl, dass unsere Worte nur so aneinander vorbeifliegen. Viele der zufällig entstandenen Dialoge sind von Unterbrechungen gezeichnet und von Bedeutungslosigkeit definiert. Es ist, als würde ein unsinniger Austausch um sich greifen, der jeder echten Bedeutung beraubt wurde. Bewusste Absicht und Nachfrage, die auf ehrlichem Interesse beruhen, sind in ein bodenloses Loch verschwunden. Viele Gespräche fühlen sich oberflächlich an und sind vorhersagbar geworden. Es fehlt die Spontanität, die von Aufrichtigkeit zeugt, während Berechenbarkeit Routine ist.

Unsere Worte zählen. Die Worte, die wir bewusst wählen, sind symbolhaft. Sie stehen stellvertretend für unsere Gedanken und Gefühle. Neben der nonverbalen Kommunikation sind Worte der Herzschlag unserer Beziehungen. Wenn wir unsere Worte missbrauchen und Sätze abkürzen, um Zeit zu sparen, verkleinern wir uns und unsere Beziehungen. Das "Ich liebe dich", das am Ende eines Telefonats das "Auf Wiedersehen" ablöst, ist Zeuge davon.

Nehmen Sie zum Beispiel die simple Frage "Wie geht es Ihnen?". Im Alltag ist sie zu einer bedeutungslosen Floskel geworden. Wir gehen aneinander vorbei, werfen diese Frage, die ein "Hallo" ersetzt, hin und gehen weiter. Denn in den seltensten Fällen sind wir wirklich an der Antwort interessiert. Das Schlimme daran ist, dass sich dieser Ablauf in unseren Alltag eingeschlichen hat und schon zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dass es kaum mehr auffällt - weder dem Befragten noch dem Fragenden.

Ich bin letztens im Supermarkt auf eine Bekannte gestoßen. Ich wusste, dass sie in letzter Zeit viele Probleme hatte und es interessierte mich wirklich, wie es ihr ging. Also fragte ich sie danach. Das "Ach, ich kann mich nicht beklagen" beruhigte mich und nahm mir das schlechte Gewissen, dass ich keine Zeit für Nachfragen hatte. Ich dachte mir, dass es ihr also ganz gut ginge und schob beruhigt meinen Einkaufswagen weiter. Aber irgendwie hat mich ihre Antwort nicht losgelassen und ich bin zurück. Ich wollte sie fragen, ob sie tatsächlich nichts zu beanstanden hat oder ob sie es sich wortwörtlich nicht erlauben will, sich zu beschweren. Ich konnte sie allerdings nicht mehr finden und ich ärgerte mich, dass ich nicht nachgefragt habe. Ich glaube, viele haben bereits damit aufgehört ihre Kämpfe zu teilen, weil sie davon ausgehen, dass sich niemand dafür interessiert.

Wir müssen aufhören solche wichtigen Fragen wie Floskeln einzusetzen und uns dadurch von der menschlichen Interaktion abzuschneiden. Wir verhalten uns auf diese Weise wie gleichgültige Fremde. Aber das können wir viel besser. Dazu müssen wir bei uns selbst beginnen und bei der nächsten "Wie geht es dir"-Frage ehrlich antworten. Das bedeutet nicht, dass Sie ins Detail gehen sollen. Es reicht schon ein Satz wie "Ich hatte schon mal einen besseren Tag.". Es gilt authentisch, offen und ehrlich zu sein. Es sind bereits die kleinen Unterschiede, die die Türen zu echter Interaktion eröffnen. Das Schöne ist, dass Sie letztlich auch nie mit Bestimmtheit voraussagen können, was sich daraus entwickelt. Und Sie sind auf diese Weise ehrlich zu sich selbst.

Starten Sie und machen Sie den ersten Schritt. Seien Sie authentisch, unabhängig davon, was Sie von einer anderen Person erwarten. Fragen Sie gleich heute jemanden, wie sein oder ihr Tag war und seien Sie gespannt auf die Antwort - manches Mal wollen Menschen einfach nur menschlich sein.