Entschuldigung: schwer und trotzdem wichtig

Letztens erzählte mir ein Kunde, dass er bei der Arbeit einen Fehler gemacht hat. Selbst nachdem 3 Monate vergangen waren, fühlte er sich noch immer schlecht deswegen. Er war überzeugt davon, dass seine Glaubwürdigkeit dadurch dauerhaft beschädigt worden ist. Er schleppte diese Last auf seinen Schultern herum, was sich negativ auf sein Wohlbefinden und seine Leistung auswirkte. Warum konnte er es nicht loslassen? Weil er und die anderen, die diesen Fehler betrafen, der Angelegenheit höflich aus dem Weg gingen. Er meinte, dass sich nie die Gelegenheit ergeben hätte, sich zu entschuldigen oder zu erklären, wie es zu diesem Fehler gekommen ist. Und die Kollegen hatten nie die Chance, ihm zu vergeben oder das Feedback zu geben, das er brauchte, um sich weiterzuentwickeln. Ihre Beziehung wurde unnötig beeinträchtigt.

Nun sind Entschuldigungen aus neurokognitiver Sicht äußerst komplex. Sie umfassen mindestens drei unterschiedliche Prozesse, die bei einer ernstgemeinten Entschuldig zeitgleich ablaufen:

1. wenn Sie bewusst die Entscheidung treffen, sich zu entschuldigen, löst dies eine Reaktion im lateralen präfrontalen Kortex aus

2. die Perspektivübernahme bedingt den temporoparietalen Übergang, weil Sie darüber nachdenken, was jemand anderer erlebt hat, während Sie etwas gesagt oder getan haben

3. und Ihre Überlegung, ob und wie Ihre Entschuldigung sich auf alle Beteiligten auswirkt, führt zur Mobilisierung des ventromedialen präfrontalen Kortex.

Eine aufrichtig und ernst gemeinte Entschuldigung ist nicht nur komplex, sondern vor allem schwierig. Es erfordert Empathie, Mut zur Verletzlichkeit und Offenheit, Reflexionsfähigkeit und psychologisches Geschick, damit sie funktioniert. Wissenschaftler haben zudem nachgewiesen, dass Menschen, die sich generell defensiv verhalten und denen es unangenehm ist, offen und verletzlich zu sein, sich seltener entschuldigen als andere. Scheinbar korreliert also die Fähigkeit Bindungen einzugehen mit der Unfähigkeit sich zu entschuldigen.

Von der klassischen Nicht-Entschuldigung über ausweichende Ausreden bis hin zu fadenscheinigen Unternehmensversprechen ist es sehr einfach, sich schlecht zu entschuldigen. Es gibt aber ein paar Elemente, die es für eine erfolgreiche Entschuldigung Forschern zufolge braucht: Die Anerkennung der Verantwortung ist einer der wichtigsten Bestandteile einer guten Entschuldigung. Danach folgt das Angebot zur Wiedergutmachung, gefolgt von einer Erklärung des Vorfalls. Alle drei dieser recht praktischen Komponenten sind wirksamer als die abstrakteren Optionen wie der Ausdruck des Bedauerns, eine Reueerklärung oder die Bitte um Vergebung, ohne weitere Erklärungen.

Auch eine teilweise Entschuldigung ist schlimmer als gar keine. In einem Experiment wurden die Probanden gebeten, sich vorzustellen, dass sie als Fußgänger von einem Radfahrer angefahren wurden, wobei der Radfahrer eindeutig die Schuld trug. Ungefähr 50% gaben an, dass sie alleine das vorgeschlagene Bargeldangebot als Entschuldigung akzeptieren würden. Bei einer teilweisen Entschuldigung, in Form von Mitgefühl für die Verletzungen, aber keinem Eingeständnis der Verantwortung, sank die Akzeptanzquote auf 35%. Wurde aber neben dem Mitgefühl auch ein Zugeständnis getroffen, stieg die Quote auf mehr als 70%.

Das Problem, dass sich Menschen nicht gerne entschuldigen, liegt an dem, was Psychologen einen Prognosefehler nennen. So stellen sich Menschen häufig vor, schwach oder inkompetent zu wirken, wenn sie ihre Schuld eingestehen. Sie haben Angst, dass sie das Vertrauen oder ihr Gesicht verlieren könnten. Die Vorstellung, dass ein Schuldeingeständnis dazu führen könnte, dass andere sie dafür sogar bewundern, ist meistens gar nicht vorstellbar. Wir neigen im Allgemeinen dazu, den Aufwand zu überschätzen und den Nutzen einer Entschuldigung zu unterschätzen.

Denken Sie an all die widerwilligen Entschuldigungen, die wir im öffentlichen Leben von Politikern und Prominenten hören „Wenn jemand durch meine Worte verletzt oder beleidigt wurde, tut es mir leid.“ Das ist eine teilweise Entschuldigung, die widerwillig Mitgefühl, aber kein Verantwortungsbewusstsein zeigt. Wenn Sie jemanden beleidigt haben, sagen Sie deswegen bloß nicht „Es tut mir leid, wenn Gefühle verletzt wurden.“ Sagen Sie stattdessen: „Ich spüre, dass ich deine Gefühle verletzt habe. Es tut mir wirklich leid, dass ich das getan habe.“

Eines der größten – und paradoxesten – Hindernisse für eine Entschuldigung ist aber der Glaube, dass Menschen sich nicht ändern können. Psychologen nennen das die „Entitätstheorie“. Es bedeutet, dass wir schwierige und unangenehme Situationen nicht als Chancen für Verbesserungen betrachten, die sie aber tatsächlich sind. Im Gegensatz dazu suchen Menschen, die glauben, dass menschliche Eigenschaften formbar sind, nach Möglichkeiten, sich selbst zu verbessern. Dazu gehört auch die Anerkennung ihrer Fehltritte. Sie nutzen Entschuldigungen, um Ihre Ressourcen an Stärke und Tugend zu entwickeln.

Die Perspektive der verletzten Person einzunehmen, Verantwortung zu übernehmen und konkrete Wiedergutmachungsangebote zu machen sind zwar wichtige Elemente einer guten Entschuldigung. Aber denken Sie daran: Bei einer Entschuldigung geht es nicht darum, Vergebung zu bekommen und genauso wie bisher weiterzumachen. Es geht darum, echte Reue auszudrücken und Verantwortung für die Handlung zu übernehmen. Die beste Entschuldigung ist trotz allem nur der erste Schritt auf dem Weg zur Versöhnung.