In meiner Arbeit als Design-Thinking-Beraterin ist die wichtigste Aufgabe zu Beginn eines Projekts ein Umfeld zu schaffen, in dem sich das Team wohl, geschützt und respektiert fühlt. Anders gesagt, ich muss es schaffen, psychologische Sicherheit aufzubauen, damit sich die Menschen trauen, Risiken einzugehen, Mut zum Ausprobieren finden, wichtige und schwierige Fragen offen stellen, Probleme ansprechen und ungewöhnliche Ideen laut aussprechen - ohne Angst davor zu haben, dass sie ausgelacht werden.
Fehlt diese Wahrnehmung, ist meiner Erfahrung nach das Projekt bereits zu Beginn gescheitert. Es ist dann, als würden die Teammitglieder geistig abschalten, sich zurückziehen und auch keine Informationen mehr teilen – oft sogar, ohne dass sie es selbst merken. Sie beginnen damit, nicht mehr nachzufragen oder um Hilfe zu bitten. Sie teilen ihre Ideen nicht miteinander und sprechen Fragen oder Probleme erst gar nicht an. Es ist, als würde eine Wolke der Negativität den Raum verdunkeln und wenn man erst einmal drinnen steckt, ist es extrem schwierig, wieder Sonne hineinzubringen.
Psychologische Sicherheit ist ein Begriff, der erstmals von der Organisationsforscherin Amy Edmondson geprägt wurde. Sie beschreibt damit die gemeinsame Erfahrung einer Gruppe, dass es für die einzelnen Mitglieder sicher ist, ihre Meinung zu teilen und ihr wahres Selbst zu leben - ohne Angst vor Gegenreaktionen oder Herabwürdigung haben zu müssen. Wenn die zwei dafür notwendigen Grundelemente Vertrauen und Respekt fehlen, scheitert jede Initiative - sei sie noch so gut durchdacht. Gerade Respekt in einer Gruppe prägt das Lernverhalten, was wiederum die gesamte Teamleistung und damit die gesamte Organisationsleistung beeinflusst.
Das Gefühl der Sicherheit und die Bereitschaft, seine Ideen laut zu äußern, sind keine individuellen Merkmale, auch wenn es auf individueller Ebene gespürt und erlebt wird. Selbst scheinbar kleine Vorfälle, wie ein „harmloser“ Scherz auf Kosten einer Person oder eine Frage, die die Kompetenz von jemanden offen in Frage stellt, hinterlassen Spuren. Studien zeigen, dass Menschen, die sich ständig in einem unhöflichen oder respektlosen Umfeld befinden, generell sehr egoistisch agieren und weniger über ihre Handlungen nachdenken – auch wenn sie vorher ganz anders agiert haben. Respektlosigkeit ist wie ein Virus, das tief in die Menschen eindringt und den Nährboden für negative Gedanken bereitet. Das größte Problem dabei ist, dass es ansteckend ist.
Wie stark fehlender Respekt und Unhöflichkeit die Leistung beeinflusst, beweist eindrucksvoll eine Studie: Im Rahmen eines Trainings mussten Mediziner einer Neugeborenen-Intensivstation in Israel sich um ein Frühgeborenes kümmern, dessen Zustand sich plötzlich massiv verschlechtert hat. Es ging darum, zu sehen, wie schnell die Mediziner die richtige Behandlung finden und wie sie auf eine solche Stressreaktion reagieren. Dazu wurde ein Experte via Video dazu geschaltet, der die Mediziner vor Ort bei der Behandlung beriet. Das eine Team erhielt neutrale Nachrichten von einem Experten, der auch über die Wichtigkeit von Schulungen und Übungen sprach, sich jedoch nicht oder nur neutral zur Arbeitsqualität äußerte. Das andere Team erhielt von demselben Experten beleidigende Kommentare über ihre persönliche Leistung und die generell schlechte Qualität der medizinischen Versorgung in Israel.
Das Ergebnis ist alarmierend: Das Team, das den beleidigenden Kommentaren ausgesetzt war, zeigte wesentlich schlechtere Leistungen, was wiederum die Überlebenschancen des Säuglings deutlich verringerte (bei diesem Experiment ist kein lebendes Baby irgendwie zu Schaden gekommen, es war alles rein simuliert), während das andere Team souverän handelte und das Baby retten konnte. Das Problem beim ersten Team war, dass innerhalb des Teams Informationen nicht mehr weitergegeben wurden, niemand mehr Fragen stellte und sich keiner traute, um Hilfe zu bitten.
Respektvoll zu sein bedeutet nicht nur, sich nicht wie ein Idiot zu verhalten und andere Menschen freundlich zu behandeln. Jemanden nicht zu beleidigen, ist nicht dasselbe, wie jemanden Mut zu zusprechen. Es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen: Danke zu sagen, jemanden wirklich zu zuhören, interessierte Fragen zu stellen, zu loben und zu lächeln – all das hat enorme Auswirkungen.
Wie man sich zeigt und wie Sie mit Ihren Mitmenschen umgehen, bestimmt alles. Sie können Menschen bestärken, indem Sie sie respektieren und ihnen das Gefühl geben, geschätzt, gemocht und gehört zu werden. Oder Sie können Menschen unterdrücken und ihnen das Gefühl geben, klein, schwach oder unerwünscht zu sein. Mit Ihrer Haltung und mit Ihren Handlungen bestimmen Sie einfach alles.