Die Kunst des Überzeugens: Wie man selbst inmitten hitziger Debatten den Funken des Wandels entfacht

Immer wieder beobachte ich, wie Menschen Meinungsverschiedenheiten diskutieren. Nicht selten erinnert mich das an den Schauplatz eines Kriegs, in dem die Kämpfer auf beiden Seiten in Schützengräben liegend ihre Überzeugungen wie Granaten hin und her werfen. Wenn jemand unter Beschuss steht – und sei es nur gefühlt – ist aber die logischste Reaktion immer Abwehr – und nicht die Aufgabe seiner Position.

Das Gefühl „Ich habe Recht, Du hast Unrecht“ kann solchen Kämpfen kurzfristig vielleicht eine gefühlte plausible Berechtigung verschaffen. Allerdings stehen die Chancen schlecht, dass mit dieser Einstellung eines der Lager irgendeinen Einfluss auf das andere haben wird. Im Gegenteil. Wenn Sie also jemanden wirklich von Ihrer Idee übrezeugen oder für Ihre Meinung gewinnen wollen, brauchen Sie eine andere Strategie.

Neulich las ich von einer spannenden Theorie, die sich mit der Frage auseinander setzt, warum Menschen generell unterschiedliche Überzeugungen und Werte vertreten. Die sogenannte Moral Foundations Theory geht davon aus, dass Menschen aufgrund der Unterschiedlichkeiten und Vielfältigkeiten der sozialen Probleme, unterschiedliche moralische Werte haben. Wenn jemand eine moralische Entscheidung treffen muss, greift die Person auf ihre intuitive Ethik zurück. Diese ist die Basis für die Erzählungen über uns selbst und je nach Kultur, Gemeinschaft und Person unterscheidet sie sich. Es gibt Studien zufolge nur zwei Werte, die in jeder Gesellschaft gelten: 1. Die Annahme, dass es nicht in Ordnung ist, jemanden grundlos zu schaden und 2. das Fairness per se eine gute Sache ist.

Manchmal entstehen Konflikte, weil Menschen eine moralische Sache vertreten, die anderen einfach nicht in demselben Ausmaß oder in derselben Ausführung wichtig ist. Ein Beispiel ist der Klimawandel. Ich glaube, dass niemand mutwillig die Erde zerstören will (zumindest, wenn man direkt nachfragt). Nun setzt sich eine Gruppe für eine Änderung der persönlichen Lebensweise ein, während die andere sich damit nicht wohlfühlt und es als persönliche Einschränkung oder gar Anmaßung empfindet. Selbst wenn sich zwei Gruppen über eine moralische Grundlage einig sind, können sie sich völlig uneinig darüber sein, wie diese zum Ausdruck gebracht werden soll.

Wenn Sie nun mit jemanden diskutieren und im Gespräch erkennen, dass der andere mit Ihren persönlichen Werten oder den Ausdruck dessen nicht übereinstimmt, liegt der Schluss nahe zu glauben, dass die andere Person falsch handelt. Im Normalfall widersprechen wir. Ist es ein für uns persönlich sehr wichtiges Thema, kann es schnell emotional werden. Beleidigen wir im Eifer des Gefechts den anderen sogar, wird diese Person Untersuchungen zufolge die Position gegenüber Ihrer verhärten (dieses Phänomen wir als Bumerang-Effekt bezeichnet).

Geändert werden kann diese Problematik nur in der Art und Weise, wie wir unsere eigenen Werte und vor allem den Umgang damit sehen. Nun ist eine Waffe per se ein hässliches Ding, das nur dazu dient, andere zu bedrohen, ihnen Angst einzujagen und sie zu etwas gegen ihren Willen zu zwingen. Legen Sie also lieber die Waffen nieder und bieten Sie stattdessen etwas anderes an:

Erkennen Sie die Lern- und Wachstums-Chance

Da wir alle unsere Identität zu einem großen Teil auf unseren Werten aufbauen, kann es sich schnell anfühlen, als ob Sie als Person abgelehnt werden, wenn Ihr Gegenüber Ihre Überzeugung, Meinung oder Idee ablehnt. Wir sind aber viel mehr als unsere Überzeugungen und auch wenn sie ein großer Teil unserer Identität sind, so ändern sie sich auch im Laufe unseres Lebens. Eine Ablehnung wird immer nur dann persönlich, wenn Sie es zu einer persönlichen Sache machen.

Es gibt eine Methode, die ich selbst gerne anwende. Sie ist angelehnt an der sogenannten Deep-Canvassing-Strategie, die von LGBTQ-Aktivisten entwickelt wurde. Dabei geht es darum, ein wechselseitiges, einfühlsames und nicht wertendes Gespräch zwischen zwei Menschen zu führen. Durch die Bereitstellung alternativer Perspektiven soll ein gegenseitiges Verständnis aufgebaut werden. Die Schritte sind wie folgt:

  1. Beginnen Sie das Gespräch, indem Sie ehrliches Interesse an den Erfahrungen, Hintergründen und Überzeugungen der anderen Person zeigen.

  2. Hören Sie aufmerksam zu und stellen Sie offene Fragen, um ein tieferes Verständnis für die andere Perspektive zu gewinnen. Versuchen Sie zu verstehen, was der Ursprung der Meinung oder Überzeugung der anderen Person ist.

  3. Teilen Sie dann Ihre persönliche Geschichten oder Erfahrungen, die Ihre eigenen Standpunkte erklären. Geschichten haben eine starke emotionale Wirkung und tragen dazu bei, eine Verbindung herzustellen und Vorurteile abzubauen.

  4. Zeigen Sie Verständnis für die Sichtweise der Person, auch wenn Sie anderer Meinung sind. Eines der Grundbedürfnisse eines jeden Menschen besteht darin, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Nichts ist schlimmer, als wenn wir von einer Gruppe ausgestoßen werden oder kein Zugehörigkeitsgefühl empfinden. Auch wenn Sie nicht derselben Meinung wie jemand anderer sind, versuchen Sie trotzdem offen zu bleiben. Denken Sie nicht in „die anderen“ und „wir“, sondern in „uns“. Gehen Sie respektvoll mit anderen Meinungen um und versuchen Sie dankbar zu sein, dass die Person überhaupt seine oder ihre Meinung mit Ihnen teilt.

Das Ziel bei dieser Methode ist nicht, die Meinung der Person zu ändern, sondern Respekt, Empathie und Verständnis füreinander und für die unterschiedlichen Perspektiven aufzubauen.

An manchen Tagen fühlt es sich vielleicht so an, als könnten wir uns nur darauf einigen, dass wir uns auf nichts einigen können. Geringschätzung verdrängt die Möglichkeit für jedes Gespräch. Es ist schwer, wenn jemand anderer die eigenen Vorstellungen und Werte ablehnt, aber sehen Sie die Chance, die darin versteckt liegt, neue und bessere Wege in Betracht zu ziehen, die Sie so vielleicht nie gesehen hätten.

Das Abfeuern einer rhetorischen Granate verschafft vielleicht kurzfristig Befriedigung, aber Offenheit hat auf lange Sicht die größere Chance, die (eigene) Welt besser zu machen. Wir müssen keine Helden sein, keine Uniform tragen oder uns selbst Aktivisten nennen, um uns an Gesprächen zu beteiligen. Wir müssen einfach genug Mut haben, offener zu werden und anfangen wirklich zuzuhören.