Stell dir vor: Du hast heute zehn schöne Momente erlebt – und einen unangenehmen. Rate mal, welcher dir heute Abend noch im Kopf herumschwirrt? Genau, der Unangenehme. Und das passiert nicht, weil du eine negative Einstellung hast, sondern weil dein Gehirn dich austrickst. Dieser Denkfehler heißt Negativity Bias – und er entscheidet jeden Tag darüber, wie du dich fühlst… und welche Entscheidungen du triffst.
Nach einem Vortrag - ich bin Autorin und begleite Menschen in Veränderungsprozessen - kamen zehn Menschen zu mir, alle begeistert, alle dankbar. Und dann kam eine Person… „Also… die eine Interaktion fand ich nicht so gut.“ Und was denkst du, woran ich abends im Bett dachte? Genau. Nicht an die zehn Komplimente – sondern an diesen einen Satz.
Der Negativity Bias ist ein Überbleibsel aus der Steinzeit. Damals hat es unser Überleben gesichert, Gefahren ernster zu nehmen als Positives. Wer die Beeren am Strauch mehr beachtet hat als das Rascheln im Gebüsch, hat oft nicht lange gelebt.
Das Problem ist, dass unser Gehirn diesen Überlebensmodus behalten hat. Heute löst nicht mehr der Tiger Stress aus, sondern eine E-Mail vom Chef, ein Kommentar im Netz oder eine kritische Bemerkung im Meeting. Negative Reize aktivieren mehr Areale im Gehirn, setzen schneller Stresshormone frei – und brennen sich tiefer ins Gedächtnis ein. Wir erinnern uns also nicht neutral, sondern verzerrt.
Das Gefährliche daran ist nicht nur, dass wir uns schlechter fühlen. Es ist, dass wir auf dieser Basis falsche Entscheidungen treffen:
Wir verlassen ein gutes Projekt wegen eines einzelnen Konflikts.
Wir brechen wertvolle Beziehungen ab, weil uns eine Bemerkung verletzt.
Wir trauen uns neue Chancen nicht zu, weil wir eine alte Niederlage überbewerten.
Das ist der Punkt, an dem viele meiner Klienten stecken bleiben – ohne es zu merken.
Es gibt aber auch Strategien, um den Bias zu durchbrechen
Die 3-zu-1-Regel: Für jede negative Erfahrung such dir bewusst drei positive. Das bringt dein inneres „Erfolgstagebuch“ ins Gleichgewicht.
Positives Tagebuch: Schreib dir jeden Abend drei gute Dinge auf – egal wie klein. Das trainiert dein Gehirn, Positives überhaupt wahrzunehmen.
Positivmomente länger halten: Wenn dir etwas Schönes passiert, bleib 10–20 Sekunden im Gefühl, statt sofort weiterzumachen. Dein Gehirn speichert es dadurch besser ab.
Das sind erste Schritte. Aber der spannende Teil ist: Wenn du herausfindest, welche Situationen bei dir den Negativity Bias besonders stark triggern, kannst du ihn gezielt entschärfen – und genau daran arbeiten wir z.B. im Coaching.
Probier mal direkt diese Übung aus:
Denk jetzt an etwas Schönes, das dir in den letzten 24 Stunden passiert ist. Pausiere jetzt kurz das Video, bis du die Erinnerung wachgerufen hast. Hast du’s? Super. Such noch zwei weitere. [Pause] Spür kurz nach. Das war gerade die 3-zu-1-Regel in Aktion – und du kannst sie jederzeit nutzen, wenn dein Kopf mal wieder Drama macht.
Teste die 3-zu-1-Regel heute. Schreib mir in die Kommentare, ob dein Tag sich dadurch anders angefühlt hat – und ob du den Negativity Bias bei dir erkannt hast. Je schneller du ihn durchschaust, desto weniger hält er dich zurück.

