Denken Sie bitte kurz an ein Gespräch, von dem Sie wissen, dass Sie es mit jemandem führen sollten, Sie es aber trotzdem nicht tun. Vielleicht haben Sie es bereits versucht und das Gespräch ist nicht optimal verlaufen. Oder vielleicht befürchten Sie, dass das Gespräch die Situation nur verschlimmert und Sie schieben es deswegen auf. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass Sie sich festgefahren und blockiert fühlen, solange Sie dieses Gespräch nicht hinter sich gebracht haben.
Es gibt drei Ergebnisse, die Menschen gemeinhin erreichen können, wenn sie ein schwieriges Gespräch führen: Sie können zu einer gemeinsamen Lösung finden, einen Plan entwickeln und Verständnis für ihre Sichtweise erreichen. Im Idealfall schaffen sie es durch ein Gespräch alle drei Ziele gleichzeitig zu erreichen: Zuerst erhält eine Person Verständnis und Wertschätzung für ihre persönliche Sichtweise. Darauf aufbauend kann ein Plan entwickelt werden, der wiederum zu einer Lösung führt.
Lassen Sie mich ein Beispiel dafür geben: Neulich habe ich einem Team dabei geholfen, sich innerhalb des neuen digitalen Settings zurecht zu finden. Sie hatten Schwierigkeiten ihre Rollen darin zu entwickeln und die Zuständigkeiten zu definieren. Erst nachdem sie Verständnis füreinander und die jeweiligen Situationen, in denen sie stecken, aufgebaut haben, konnten sie einen Plan entwickeln. Darin wurden auch die Erwartungen und Grenzen angesprochen, um diese Zeit der Unsicherheit zu bewältigen. Und daraus ist wiederum eine Lösung für ihre internen Kommunikationsschwierigkeiten entstanden.
Diese Ziele zu erreichen, ist gar nicht so schwierig, auch wenn es sich im ersten Moment nicht danach anfühlt. Aber wenn Menschen empathisch zuhören und neugierig sind, findet sich in jedem Gespräch eine Gemeinsamkeit, die die Menschen wieder zueinander führt – so uneins können sie gar nicht sein. Es sind besondere Aha-Momente wie diesen, den ich im Gespräch mit dem Team aufgeschnappt habe: „Auch wenn wir uns über unsere Rollen und Verantwortlichkeiten nicht einig sind, habe ich nie daran gezweifelt, dass die anderen sich nicht bemühen und nicht auch ihr Bestes geben. Ich weiß, dass jeder von uns gerade eine harte Zeit durchlebt und jeder eine Lösung finden will.“ Bemerkungen wie diese ebnen neue Wege. Sie zeigen Kompromisse und Lösungen auf, aber vor allem sind Sie Beweis für den guten Willen aller Beteiligten.
Im Folgenden möchte ich Ihnen meinen persönlichen Leitfaden geben, wie ich bei schwierigen Gesprächen vorgehe. Es ist wie gesagt mein Weg, der für mich funktioniert. Vermutlich müssen Sie Ihre Strategie anpassen, aber vielleicht helfen Ihnen die folgenden Schritte bei Ihrem nächsten schwierigen Gespräch:
1. Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor
Der erste Schritt besteht im Grunde aus einem Gedankenexperiment: Stellen Sie sich bitte vor, wie Sie mit der Person, mit der Sie sprechen möchten, gerade das Gespräch beendet haben. Es ist im beidseitigen Einverständnis bestmöglich verlaufen - beiden Seiten wurde zugehört, alle Anliegen sind geklärt. Sie fühlen sich erleichtert und können dem Konflikt auch etwas Positives abgewinnen.
2. Finden Sie Ihren Aha-Moment
Führen Sie nun dieses Gedankenexperiment weiter und überlegen Sie: Was glauben Sie verbirgt sich hinter diesem Konflikt? Was wurde durch die negativen Gefühle verdeckt? Sie können Ihre Gedanken dazu als positive Aussagen niederschreiben. Letztens habe ich zum Bespiel gehört, wie ein Teamleiter gesagt hat, dass er den größten Respekt vor seinen Mitarbeiter*innen hat, auch wenn die Art und Weise, wie einzelne Mitarbeitende arbeiten, nicht immer als zielführend beschreiben würde.
3. Überlegen Sie sich, ob Sie wirklich bereit für das Gespräch sind
Wenn Menschen tief in einer Emotion feststecken, ist es schwierig, freundlich und großzügig zu sein – vor allem, wenn sie davon überzeugt sind, dass ihr Gegenüber ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit nicht verdient hat. Dann versuchen sie den anderen zu verletzen und vor allem das eigene Gesicht zu wahren. Wenn Sie selbst solche Gefühle in sich spüren, dann gehen Sie bitte zum zweiten Punkt zurück und suchen Sie nach weiteren Vorteilen oder positiven Aussagen in diesem Konflikt. Sprechen Sie auch mit einer Person, die nicht direkt darin involviert ist. Das hilft oftmals dabei, eine neue Perspektive zu finden und etwas Abstand zu gewinnen. Teilen Sie ihm oder ihr mit, was Ihr Ziel ist und was Sie sich von dem Gespräch erhoffen.
4. Beginnen Sie das Gespräch
Wenn Sie wissen, was Sie erreichen wollen und Ihre positiven Aussagen zusammengefasst haben, ist es an der Zeit das Gespräch zu suchen. Am besten beginnen Sie mit einer positiven Aussage. Für viele ist das der schwierigste Teil, aber es ist der wichtigste. Sprechen Sie genau das aus, was Sie sich vorher überlegt haben: Was ist die Gemeinsamkeit, das Positive an dem ganzen Konflikt? Was ist Ihr persönlicher Aha-Moment? Fügen Sie dieser Aussage noch den Gedanken hinzu „Ich sage das, weil ich denke, dass, wenn wir beide es wirklich versuchen, wir herausfinden können, wie wir uns gegenseitig unterstützen können“ und wenden Sie auf diese Weise das Blatt. Sie werden sehen, Sie werden sich selbst danach viel besser fühlen.
5. Hören Sie zu
Jemandem zuzuhören, mit dem Sie in Konflikt geraten sind, ist gar nicht so einfach. Deswegen überlegen Sie kurz: Warum führen Sie dieses Gespräch? Welche Hoffnung haben Sie? Wenn Sie das im Hinterkopf haben, wird Ihnen das Zuhören viel leichter fallen. Wirklich interessiert zu zuhören, auch wenn es schwer ist, bringt Sie auf direktem Weg zu einer Lösung. Es gibt nichts, das produktiver oder effektiver ist, als Zuhören. Dabei ist es überhaupt nicht wichtig, ob Sie derselben Meinung sind oder nicht. Alleine, dass Sie zuhören, verbessert die Situation maßgeblich.
Wenn Sie selbst reden, achten Sie darauf, dass Sie Ihre Erfahrungen und Emotionen beschreiben und sich nicht auf die Fehler Ihres Gegenübers einschießen. Menschen, die gerade in Konflikten stecken, tun sich schwer damit den anderen aussprechen zu lassen und noch viel schwerer positiv oder konstruktiv auf Beschwerden zu reagieren. Am Ende des Gesprächs heben Sie nochmals hervor, was die Erfahrung war bzw. das Positive, das Sie mitgenommen haben.
Bleiben Sie zentriert
Der Großteil der Arbeit in einem schwierigen Gespräch besteht darin, dass Sie an sich selbst arbeiten. Egal wie gut das Gespräch beginnt, Sie müssen die Kontrolle über sich selbst, Ihr Ziel und Ihre Energie im Auge halten. Atmen Sie bewusst und achten Sie darauf, zentriert zu sein und sich nicht von Gefühlen überrumpeln zu lassen. Denn Ihre Macht liegt genau da versteckt: Indem Sie ruhig, respektvoll und empathisch agieren, helfen Sie auch Ihrem Gegenüber. Zentrieren ist dabei kein Schritt - es ist vielmehr, wie Sie die einzelnen Schritte setzen.
Wenn Sie sich bereit fühlen, sich ernsthaft zu bemühen, jemandem wirklich zuzuhören, besteht Hoffnung, dass Sie eine gute Lösung für alle Beteiligten finden. Vergessen Sie nicht, dass das Ziel bei Konflikten in erster Linie darin besteht, einander zu verstehen – und nicht, schnell einen Ausweg zu finden.
Letztlich geht es immer darum, wie wir miteinander reden. Wir sollten uns gegenseitig darin bestärken, aufzuhören zu reden und anzufangen zuzuhören. Wir sollten aufhören uns gegenseitig abzulehnen und anfangen einander zu verstehen. Wir sollten aufhören Dinge abstellen zu wollen und anfangen offener für andere Meinungen und Sichtweisen zu werden. Dann klappt auch das Miteinander.