In einer Welt, in der ständig neue Informationen verfügbar und wo die Zusammenhänge oft komplexer Natur sind, fühlen wir uns schnell überfordert. Je wichtiger eine Entscheidung für uns persönlich ist, desto schneller suchen wir nach Rat im Außen. Das gibt uns Sicherheit und die Angst lähmt uns weniger. Der Nachteil ist, dass wir schnell vom Rat sogenannter Experten abhängig sind, von ihrer Sicherheit, ihrer Zuversicht und der Endgültigkeit bezüglich ihres Urteils. Wir übertragen Ihnen unsere Verantwortung und tauschen unsere Verantwortung gegen ihre Worte. Wir geben das, was in unserer Macht liegt, auf und tauschen stattdessen Unsicherheit gegen die Illusion von Sicherheit, die Experten anbieten.
Im Grunde geben wir dadurch gefühlt die Verantwortung für unser Handeln und Denken ab. Wir vertrauen auf das Urteil einer anderen Person und bedenken nicht, dass es trotzdem letztendlich wir sind, die die Konsequenzen dieser Entscheidung tragen müssen. Es gibt ein eindrucksvolles Experiment, das zeigt, wie sich der Teil des Gehirns, der für die Entscheidungsfindung zuständig ist, abschaltet, wenn Menschen Experten zuhören. Fast automatisch folgen wir lieber dem Rat der Experten, egal, wie gut oder schlecht dieser nüchtern betrachtet ist.
Experten zu Rate zu ziehen und sich bei Entscheidungen Hilfe zu holen, ist per se keine schlechte Idee. Wenn es in dieser Welt vor allem an einem nicht fehlt, dann an Möglichkeiten. Im Gegenteil. Wir leben in einer Welt, die voll von Optionen ist. Je mehr Optionen es gibt, desto schneller sinkt der Mut und die Müdigkeit übernimmt die Oberhand. Nun hat aber der präfrontaler Kortex, der für die Entscheidungsfindung zuständig ist, keine unbegrenzte Rechenleistung. Es gibt allerdings eine einfache Hilfestellung: Wenn wir überlegen, wie eines der Dinge, die wir tun könnten, zu dem passt, was wir bereits tun, wird die Veränderung leichter und der Mut kommt fast von alleine.
Entscheidungen, die eine Veränderung in unserem Leben einläuten, sind weniger schwierig zu meistern, wenn sie zu unserer aktuellen Identität passen. Wenn die Veränderung allerdings zu sehr mit dem übereinstimmt, was wir bereits machen und sind, kann das Wachstumspotenzial möglicherweise zu gering sein. Und die Motivation stagniert. Ist die Veränderung zu weit von der momentanen Ausrichtung entfernt, wird allerdings schnell der Preis für das Erreichen einer neuen Identität zu hoch. Die Antwort liegt im Finden eines Mittelwegs. Einem, in dem genug Platz für Veränderung da ist, aber der uns trotzdem nicht zur Gänze überfordert. Und da niemand sich selbst so gut wie Sie selbst kennen, sollten auch Sie diesen Mittelweg definieren. Kein Experte der Welt kann Ihnen die Entscheidung – und vor allem die Konsequenz daraus – abnehmen.
Damit Veränderungen in Ihrem Leben funktionieren, ist es wichtiger, dass Sie sich selbst als Experte Ihres Lebens sehen. Sie kennen Ihre Werte und Sie alleine können einschätzen, ob die Veränderung mit Ihren Werten übereinstimmt. Sie können natürlich diese Frage ignorieren. Aber wenn Sie die Arbeit, die Sie tun, die Zeit, die Sie investieren, und die Dinge, die Sie erreichen, nicht in die Richtung Ihrer tiefsten Bestrebungen und Ihrer tief verwurzelte Werte führt, erleben Sie vermutlich schnell einen inneren Widerstand.
Nun ist es aber normalerweise leichter gesagt als getan zu beurteilen, ob eine Gelegenheit mit unseren Werten übereinstimmt. Menschen sind komplexe Geschöpfe und ihre Wertehierarchie ist bei weitem geradlinig. Wir haben unsere erklärten, öffentlich sichtbaren Werte. Aber wir haben auch versteckte Werte oder „Schatten“-Werte, die in der Gesellschaft nicht auffallen dürfen. Das Ausgraben der Schattenwerte ist allerdings meist mit Schmerzen verbunden. So könnte zum Beispiel könnte Schattenwert darin bestehen, persönliche Anerkennung zu wollen, weil Ihnen als Kind oft die Zustimmung verweigert wurden.
Schattenwerte tauchen auf, um uns zu schützen, aber wenn sie nicht kontrolliert werden, können sie unser Wachstum und das Wachstum der Menschen um uns herum ersticken. Es ist verständlich, dass wir wollen, dass unsere weniger gesellschaftlich akzeptablen Werte im Schatten bleiben, und doch ist das, was wir vermeiden oder wovor wir davonlaufen, fast immer der wichtigste Rohstoff für sinnvolles Wachstum.
Wenn Sie über eine neue Wachstumsmöglichkeit und Entscheidung nachdenken, überlegen Sie, was Sie motiviert. Sie müssen das "Warum" hinter dem finden, was Sie tun. Wenn Sie Ihr „Warum“ noch nicht kennen, bietet Simon Sinek eine brillante und dennoch einfache Übung: Fragen Sie die Menschen, die Sie gut kennen, warum sie gerne in Ihrer Nähe sind und was ihre Beziehung zu Ihnen für sie bedeutet. Wenn Sie von ihnen offene, direkte Antworten bekommen, haben Sie Ihr persönliches "Warum".
Es gibt keine Garantie dafür, dass dieser Weg Sie zu einem Happy End führen wird. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie so oft in Situationen landen, in denen Sie Schwierigkeiten haben werden, zunächst einen Sinn darin zu erkennen. Wenn Sie aber Ihre Entscheidungsfindung darauf ausrichten, was für Sie richtig ist und sich für Sie gut anfühlt, wird Angst plötzlich keine große Rolle mehr spielen. Sie wird dadurch zwar nicht vollständig verschwinden, aber sie wird deutlich schwächer werden. Und Sie werden aufhören, sich in den Stürmen von verschiedenen Meinungen, Aussagen und Ratschlägen zu bewegen und zum Leben beginnen.