Letzte Woche war Ferienstart in Österreich und damit begann die Zeit, in der es bei meinem Mann und mir in der Beratung für gewöhnlich ruhiger wird. Es ist die Zeit, in der wir größere Projekte starten. Ich schreibe zum Beispiel aktuell an einem neuen Buch, während mein Mann sich hauptsächlich um die Umbauarbeiten unserer Innovationsräume in Wien kümmert. Aber nicht nur bei uns wird es ruhiger. Die Sommerzeit ist auch die Zeit, in der ich häufig gefragt werde „Wie schreibt man ein Buch?“.
Es gibt meiner Erfahrung nach zwei Kategorien von Menschen, die diese Frage stellen: Einige dieser Fragesteller stehen vor größeren Hindernissen, die sie überwinden möchten (wie zum Schreiben beginnen) oder sie suchen einen Umgang mit einer Schwierigkeit wie einer Schreibblockade oder Prokrastination. Andere sind neugierig, wie man ein größeres Projekt bewerkstelligen kann.
Sie können die Frage „Wie schreibt man ein Buch?“ auch leicht durch die Frage „Wie läuft man einen Marathon?“ oder „Wie baut man ein Haus?“ austauschen. Im Grunde geht es darum, etwas zu erreichen, das eine gewisse Anstrengung und Energie erfordert und das sich dadurch in einem Leben voller alltäglicher Nebensächlichkeiten abhebt. Es geht darum, etwas zu tun, das einem selbst Bedeutung und Beständigkeit vermittelt.
Die meisten Tage laufen ähnlich ab: Sie gehen ins Büro, treffen Ihre Kollegen, erledigen Ihre Arbeit, surfen auf diversen Social-Media-Kanälen, essen etwas und versuchen, rechtzeitig ins Bett zu gehen. Doch so unwichtig diese Tage scheinen - es sind doch die wichtigen, wenn es um die Fertigstellung eines Projekts geht. Denn an jedem dieser gewöhnlichen Tage haben Sie die Wahl: Sie können an Ihrem Projekt weiterarbeiten oder Sie können es vernachlässigen. Diese Tage sind also essentiell, wenn es darum geht, ein größeres Projekt voranzutreiben.
Wie können Sie nun ein Projekt nicht nur starten, sondern auch durchziehen? Meiner Erfahrung nach sind es zwei Dinge, die vielleicht auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, die einfach notwendig sind:
1. Behalten Sie das große Ganze im Blick
Das große Ganze im Blick zu behalten, steigert den Erfolg jeder Aufgabe, die viel Zeit und Mühe erfordert. Eine Studie aus dem Jahr 2021 untersuchte verschiedene Strategien zur Zielsetzung und deren Auswirkungen auf die Leistung in verschiedenen Kontexten. Dazu wurden sowohl die Leistungen von Studenten analysiert, die sich spezifische und herausfordernde Ziele setzten, als auch von jenen, die keine oder nur vage Ziele haben. Das Ergebnis zeigte, dass klar definierte Ziele den Fokus und die Motivation der Studenten signifikant verbesserten und ihnen dabei halfen, ihre Fortschritte systematisch zu verfolgen. Die Schlussfolgerung der Forscher lautete: Sie sahen den Erfolg, der sie stetig motivierte, nicht aufzugeben und weiterzumachen.
Mein Rat dazu lautet: Starten Sie jeden Tag damit, sich vorzustellen, wie Sie Ihr Projekt fertiggestellt haben. Das motiviert Sie und hilft Ihnen dabei, konkrete Schritte zu setzen. Lassen Sie dann am Ende des Tages Ihre Arbeit kurz Revue passieren, um zu schauen, was gut funktioniert hat oder wo Sie eventuell Änderungen vornehmen müssen. Fassen Sie dann (am besten schriftlich) Vorsätze, um am nächsten Tag wieder alles auf Schiene zu bringen.
2. Aber verlieren Sie sich nicht in der Zukunft
Das gesamte Projekt im Blick zu haben, bedeutet aber nicht, sich ständig nur auf die Zukunft zu konzentrieren. Im Gegenteil: Es ist wichtig, zu wissen, wohin die Reise geht, aber Sie müssen präsent sein, um nicht vom Weg abzukommen. Um ans Ziel zu gelangen, müssen Sie in der unmittelbaren Gegenwart Fortschritte machen. Das Zauberwort lautet: Achtsamkeit. Achtsamkeit die entscheidende Fähigkeit, um Projekte erfolgreich abzuschließen. Um dem Fluch des Buchschreibens und des Marathontrainings – auch genannt Prokrastination – erfolgreich zu entkommen, müssen Sie der Verlockung irrelevanter Nachrichten oder unterhaltsamer Videos widerstehen.
Zugegeben, es ist wirklich nicht einfach, standhaft gegen diesen Ruf der Sirenen zu bleiben. Vor allem nicht, wenn Sie für Ihre Arbeit auf einen Computer angewiesen sind, der das Tor in die weite Welt des Internets bietet. Aber das ständige „Kurz-mal-Nachschauen“ führt dazu, dass Ihre Gedanken unaufhörlich abdriften und Sie so Ihr eigentliches Projekt aus den Augen verlieren. Vielleicht hilft Ihnen dieser Vergleich: Um Autozufahren, braucht es ein gewisses Maß an Situationsbewusstsein, das breit genug ist, um Ihnen zu helfen, Probleme vorherzusehen, aber nicht so breit, dass es Sie ablenkt. Sie schauen dazu also in Ihre Spiegel, aber Sie schreiben (hoffentlich) während Sie fahren keine SMS. Dasselbe gilt für Ihr Projekt. Sie müssen wissen, was um Sie herum passiert, was Ihr Leben und Ihre Arbeit beeinflussen könnte, aber Sie dürfen sich nicht in Irrelevantem und Nebensächlichem verlieren. Planen Sie Ihre Zeit so, dass ablenkende Aktivitäten wie das Scrollen durch das Internet nur auf eine bestimmte Zeit beschränkt bleibt. Das ist am Anfang vielleicht schwierig, aber es dauert bis sich diese Gewohnheit durchsetzt und Sie sich dauerhaft daranhalten.
Viele haben jahrelang den Wunsch, etwas Anspruchsvolles und Bedeutsames zu tun. Aber jedes Marathontraining beginnt immer mit dem Moment, wenn Sie Ihre Laufschuhe anziehen. Ein Buch zu schreiben startet mit einem Wort, einem Satz und schließlich einer Seite nach der anderen. All diese Dinge sind Prozesse, die klein beginnen, aber die Sie mit etwas Konsequenz auch tatsächlich umsetzen können.