Was machen Sie so?

Vor einigen Tagen war ich mit meinem Mann auf einem Event. Im Laufe des üblichen Small Talks wurden wir gefragt, was wir denn beruflich so machen würden. Unsere Standardantwort „Wir sind Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt auf Design Thinking“ führt zu einem strahlenden Lächeln im Gesicht des Gegenübers. Und weiter zu der Frage, wie uns denn ihr Outfit gefallen würde. Es herrschte plötzlich peinliche Stille, denn offensichtlich wurden wir als Designer missverstanden und die Aufklärung darüber, dass es sich bei Design Thinking um eine kreative Problemlösungs- und Innovationsmethode handeln würde, half nur bedingt.

Irgendwie war diese Episode für alle Betroffenen unangenehm. Allerdings hat es mich zu einer für mich wichtigen Erkenntnis geführt: Anstatt für all unsere Individualität gesehen und geschätzt zu werden, definieren viele den Wert einer Person über deren Berufsbezeichnung. Die Antwort scheint zu entscheiden, ob wir die Zeit einer anderen Person wert sind oder nicht. Das eigene Selbstwertgefühl wird so abhängig von einer fremden Einschätzung der persönlichen Leistung.

Dieses Gefühl, nicht genug zu sein, stiehlt all unsere Träume, Ambitionen und Glück. Oft stammt dieses Wertempfinden von Menschen ab, die früh in unserem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben. Säuglinge, die ganz frisch auf die Welt gekommen sind, glauben, dass sie Teil von allem sind. Dieses Gefühl von Einheit verlieren sie allerdings sehr schnell, weil es nicht real ist. Real ist die Trennung von der Mutter, die Erfahrung eines eigenen Körpers.

An einem frühen Punkt im Säuglingsalter nimmt dann die Idee vom Selbst Gestalt an. Die kleine Portion Einheit bekommt einen Namen und ihr werden alle möglichen Dinge über sie erzählt. Diese Meinungen und Ideen anderer werden zu Fakten, die sich wiederum zu einer Identität (dem Selbst) aufbauen. Und dieses Selbst ist wie ein Mantel, den sie tragen, wenn sie durch die soziale Welt spazieren. Im Grunde ist das Selbst eine Projektion, die auf den Projektionen anderer Menschen beruht. Der eigene Wert wird also davon abhängig gemacht, was andere über uns sagen, denken und befinden.

Aus diesem Gefühl heraus, nicht genug zu sein, bzw. dass der eigene Wert abhängig ist von dem, was andere Menschen über uns sagen, gilt es, uns zu befreien, wenn wir ein Leben führen wollen, dass authentisch ist. Das Gefühl, nicht genug zu sein, kann manchmal dazu führen, dass Sie bestimmte Freunde, Hobbys, Projekte oder Jobs annehmen, von denen wir glauben, dass sie uns einen besonderen Wert verleihen. Viel zu selten tun wir Dinge, die uns Spaß machen, sondern wählen stattdessen Dinge, die vermeintlich besser in den Lebenslauf passen. Dabei hilft uns das zu tun, was wir gerne tun und was wir lieben dabei, im Fluss zu sein und die Schwere von Urteilen und Erwartungen abzuschütteln.

Zu glauben, dass man genug ist, bedeutet nicht, dass man die Messlatte für das, was man im Leben erreichen möchte, niedriger legen sollte. Es bedeutet vielmehr, dass die eigene Akzeptanz nicht von den Handlungen oder von Momentaufnahmen beeinflusst wird.

Wenn Sie das mit dem „Was machen Sie denn beruflich?“ verbundene Urteil entfernen möchten, dann antworten Sie das nächste Mal mit etwas, das Sie an sich schätzen. Beginnen Sie nicht mit leeren Hülsen oder Etiketten, sondern finden Sie etwas, das Zwischenmenschliches zulässt. Beginnen Sie, eine neue Art des Seins zu entwickeln. Ich sage zum Beispiel manches Mal, dass ich Menschen dabei helfe, andere besser zu verstehen. Dass ich manches Mal als Troublemaker arbeite, weil ich Dinge aufdecke, die aufgrund blinder Flecken nicht gesehen werden. Aber ich weiß, dass all diese Bezeichnungen trotzdem nicht das Ganze und die Weite umfassen können, das ich als Person bin.

Wenn Sie das nächste Mal jemanden auf einem Event kennenlernen, machen Sie selbst den ersten Schritt und fragen Sie nicht nach dem, was der andere macht. Fragen Sie lieber „Wer bist du?“ und schaffen Sie so den Raum, um der echten, ganzen Person zu begegnen. Einer Person, die weit, tief und voller Wunder ist - genau wie Sie selbst auch.