Ich hasse Montage. Oder besser gesagt: Ich hasste sie, bis mir etwas Seltsames passierte.
Vor ein paar Jahren saß ich in einer Beratung mit einem Klienten, der mir erzählte, wie er jeden Sonntagabend in eine Spirale negativer Gedanken geriet. Die kommende Woche fühlte sich an wie ein Berg, den er nicht besteigen konnte. Und während ich ihm zuhörte, dachte ich: „Das kenne ich. Genau das kenne ich.“
An diesem Abend begann ich zu recherchieren. Was macht Montage so schwer? Und wichtiger noch: Könnte man sie anders nutzen?
Was ich herausfand, hat meine Beziehung zu Montagen und zu Neuanfängen generell wirklich verändert. Und wenn Sie mir ein paar Minuten geben, könnte es das auch für Sie tun.
Die Sache ist nämlich die: Ihr Gehirn behandelt den Montag nicht wie jeden anderen Tag. Tatsächlich zeigt die Forschung, dass temporale Wendepunkte wie Geburtstage, Jahreswechsel, oder eben der Beginn einer Woche etwas in uns auslösen, das Verhaltensforscher den „Fresh Start Effect“ nennen.
In einer Studie aus dem Jahr 2014 untersuchten Forscher der Wharton School das Verhalten von Menschen beim Verfolgen ihrer Ziele. Sie fanden heraus, dass Suchanfragen nach „Diät“ am Montag um 82% höher waren als am Mittwoch. Fitnessstudio-Besuche stiegen zu Wochenbeginn. Selbst die Bereitschaft, ein neues Ziel zu setzen, stieg dramatisch.
Warum? Die Antwort ist wunderbar menschlich: Weil der Montag uns erlaubt, uns von unserem vergangenen Selbst zu distanzieren.
Denken Sie darüber nach. Die Person, die am Sonntagabend die ganze Pizza gegessen hat, war gewissermaßen jemand anderes. Der Montag bietet uns eine psychologische Trennlinie, einen mentalen Neustart. Es ist, als würden wir sagen: „Das alte Kapitel ist geschlossen. Jetzt beginnt ein neues.“ Und unser Gehirn glaubt das tatsächlich. Zumindest ein bisschen.
Aber wir nutzen diese Kraft völlig falsch. Letztes Jahr habe ich in meinem Training eine kleine Umfrage gemacht. Ich bat meine Teilnehmer:innen, mir zu erzählen, was sie an einem typischen „neuen Start“-Montag vorhaben. Die Antworten waren erschreckend ähnlich: früher aufstehen, gesünder essen, mehr Sport, weniger Bildschirmzeit, ein neues Projekt beginnen, endlich das Buch schreiben. Eine Teilnehmerin hatte buchstäblich 17 Dinge auf seiner Montags-Transformationsliste.
„Wie viele dieser Dinge haben Sie tatsächlich durchgezogen?“, fragte ich.
Betretenes Schweigen.
Hier ist das Problem: Viele laden auf diesen armen Tag die ganze Last unserer unerfüllten Ambitionen. Und dann, wenn wir bis Dienstagnachmittag scheitern (was unvermeidlich ist), geben wir dem Montag die Schuld. Oder schlimmer: uns selbst.
Aber es gibt einen besseren Weg: Vor ein paar Jahren habe ich angefangen, mit einem Prinzip zu experimentieren, das ich „Die Eine-Montags-Sache“ nenne. Die Regel ist einfach: Jeden Montag mache ich eine kleine Sache anders. Nicht zehn. Nicht fünf. Eine.
Meine erste „Eine Sache“ war lächerlich klein: Jeden Montagmorgen schreibe ich drei Dinge auf, für die ich dankbar bin, bevor ich meine E-Mails öffne. Drei Sätze. Das dauert 90 Sekunden. Ich dachte ehrlich gesagt, es wäre zu trivial, um einen Unterschied zu machen.
Nach sechs Wochen bemerkte ich etwas. An Montagen fühlte ich mich weniger ängstlich. Ich ging anders in die Woche. Mein Mann bemerkte es auch: „Du bist montags nicht mehr so mürrisch.“ Die winzige Gewohnheit hatte sich ausgebreitet wie Ringe auf einem Teich.
Das deckt sich mit dem, was BJ Fogg von Stanford über Verhaltensänderung herausgefunden hat. In seinem Buch „Tiny Habits“ zeigt er, dass die Größe der Veränderung nicht ansatzweise so wichtig ist wie ihre Konsistenz. Eine winzige Gewohnheit, die Sie tatsächlich durchziehen, schlägt eine heroische Absicht, die Sie nach drei Tagen aufgeben, um Längen.
Aber es gibt noch einen anderen, fast wichtigeren Grund, warum der Montag wichtig ist – einen Grund, über den wir in unserer modernen, „immer-verfügbar“-Kultur nur selten sprechen: Wir brauchen Rhythmus.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem buddhistischen Mönch vor vielen Jahren. Ich fragte ihn, warum ein Kloster so strenge tägliche und wöchentliche Rituale hatte. „Weil“, sagte er, „Freiheit ohne Struktur nicht Freiheit ist. Es ist Chaos.“ Das ist es: Der Montag gibt uns Struktur. Er sagt uns: „Hier beginnt etwas. Hier ist ein Marker.“ Und in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Wochentagen und Wochenenden zunehmend verschwimmen, brauchen wir diese Marker mehr denn je.
Lassen Sie mich praktisch werden. Wenn Sie das nächste Mal am Sonntagabend mit diesem vertrauten Gefühl dastehen, dann versuchen Sie Folgendes:
Erstens: Wählen Sie eine winzige Sache: Nicht drei, nicht fünf. Eine. Etwas so kleines, dass Sie nicht daran scheitern können. Fünf Minuten Dehnen. Eine Seite in einem Buch lesen. Jemandem eine ermutigende Nachricht schreiben. Das war's. Keine große Transformation. Nur eine kleine, bedeutungsvolle Geste in Richtung der Person, die Sie werden wollen.
Zweitens: Machen Sie es sichtbar: Schreiben Sie diese Sache auf einen Zettel und kleben Sie ihn an den Badezimmerspiegel. Setzen Sie eine Erinnerung auf Ihr Handy. Erzählen Sie es jemandem. Die Forschung ist eindeutig: Was wir sichtbar machen, wird real. Was wir nur denken, verflüchtigt sich bis Dienstagmittag.
Drittens: Zelebrieren Sie es: Wenn Sie Ihre eine Sache getan haben – und das ist entscheidend – halten Sie einen Moment inne und feiern Sie den Erfolg. Nicht mit Champagner, aber mit einem inneren „Das habe ich geschafft!“ Fogg nennt das „Shine“, der Moment der positiven Emotion, der die neuronalen Verbindungen verstärkt. Ohne dieses Gefühl bleibt die Handlung nur eine Handlung. Mit ihm wird sie zur Gewohnheit.
Wird das Ihr Leben über Nacht verändern? Natürlich nicht. Aber hier ist das Schöne: Es muss das nicht. Nach der Forschung von Charles Snyder, einem der Gründerväter der positiven Psychologie, ist Hoffnung keine Emotion. Es ist eine kognitive Strategie. Hoffnung besteht aus zwei Komponenten: dem Glauben, dass Veränderung möglich ist, und konkreten Wegen, um dorthin zu gelangen.
Der Montag gibt uns beides. Er sagt: „Veränderung ist möglich, hier ist dein wöchentlicher Beweis.“ Und wenn wir ihn weise nutzen, gibt er uns auch den Weg: einen kleinen, machbaren Schritt.
Erst in den letzten Jahren habe ich gelernt, Montage als das zu sehen, was sie wirklich sind: 52 Geschenke pro Jahr. 52 Chancen, neu anzufangen. Nicht perfekt. Nicht dramatisch. Nur ein bisschen besser als letzte Woche.
Der buddhistische Lehrer Pema Chödrön hat einmal geschrieben: „Scheitern ist die Grundlage für jeden Erfolg.“ Der Montag versteht das. Er kommt immer wieder, egal wie oft wir gescheitert sind. Er hält uns keine Vorträge über unsere Unzulänglichkeiten. Er sagt einfach: „Hier. Noch eine Chance.“
Nächsten Montag kommt er wieder. Was werden Sie tun? Nicht was sollten Sie tun, sondern was werden Sie tun? Eine kleine Sache. Nur eine.
Ich weiß bereits, was ich tun werde. Ich werde drei Dinge aufschreiben, für die ich dankbar bin. Dann werde ich diesen Artikel noch einmal lesen und mich daran erinnern, warum ich aufgehört habe, Montage zu hassen.
Vielleicht sehen wir uns dort: In diesem seltsamen, hoffnungsvollen Raum zwischen dem, wer wir waren, und dem, wer wir werden können.
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In eigener Sache:
Liebe Leserin, lieber Leser,
Die Weihnachtszeit ist weniger ein Fest als eine Einladung. Die Welt draußen verlangsamt sich, und plötzlich entsteht Raum für das, was das ganze Jahr über wartet: der Schatten eines Zweiges am Fenster, das Buch, das seine Hand nach uns ausstreckt, die Stille, die sich als unerwartet großzügig erweist.
Es ist zu einer Tradition geworden, diese Tage zwischen den Jahren für mich zu reservieren: ein jährliches Ritual des Rückzugs, das mich jedes Mal neu überrascht mit dem, was sich zeigt, wenn der Lärm verstummt. Weniger ein Rückzug als ein Hinwenden: zu den Menschen, die mir nahe sind, und zu jenen stillen Momenten, in denen sich manchmal mehr offenbart als in Monaten voller Bewegung.
Ich wünsche auch Ihnen Tage, die Sie nicht füllen müssen. Momente, die keiner Rechtfertigung bedürfen wie ein Spaziergang ohne Ziel, ein Gespräch, das sich Zeit nimmt, ein Morgen, an dem nichts erwartet wird außer dem Dampf über der Tasse Tee.
Ab dem 5. Januar bin ich wieder hier, mit dem, was die Stille mitgebracht hat. Bis dahin: Mögen Sie im Kleinen das Große finden, und möge die Ruhe Sie daran erinnern, dass die besten Geschichten oft dann beginnen, wenn wir endlich aufhören zu suchen.
Herzlichst, Ihre Ingrid Gerstbach

