Der Fluch der Unsicherheiten im Leben

Die meisten wollen im Grunde nur glücklich sein und ein gutes Leben führen. Dazu haben wir vielleicht viele Ideen, aber wir erleben wie zerbrechlich und unsicher das Leben sein kann. Umstände ändern sich, Dinge passieren außerhalb unserer Kontrolle und wir wissen nie, was der nächste Tag wirklich bringen wird. Selten haben wir genug Informationen, um sicher Entscheidungen zu treffen, die unser Leben maßgeblich beeinflussen.

In den letzten Jahren habe ich wie so viele andere Menschen eine Welle enorme der Unsicherheiten durchlebt. Diese Zeit kommt mir nicht unbekannt vor. Als vor ein paar Jahren bei mir eine zurzeit noch nicht heilbare Krankheit diagnostiziert wurde, empfand ich ein sehr ähnliches Gefühl. Manche Tage fühlten sich so an, als wäre eine Art Normalität unmöglich. Es fühlte sich an, als würde ich Dinge tun, die in Zukunft keine Rolle mehr spielen würden. An solchen Tagen fragte ich mich, ob mir das, was ich in diesem Moment tat, trotzdem einen Sinn gab und ob es das war, was ich tun möchte. Und jeden Tag war die Antwort ja. An manchen Tagen war dieses Ja vielleicht wackelig und zaghaft, aber immerhin war es ein Ja.

Die Angst vor dem Unbekannten, vor dem, was außerhalb unserer Kontrolle und Macht liegt, löst in jedem Menschen einen physiologischen Stresszustand aus. Stress, der chronisch wird und die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiviert, führt zu körperlichen Reaktionen wie einem erhöhten Risiko früher Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gedächtnisverlust. Diese Reaktionen verursacht unser Gehirn deswegen, weil es darauf programmiert ist.

In einem Experiment wurde die Reaktion von Menschen in unsicheren Situationen untersucht – ähnlich den Situationen, die wir alle in der modernen Welt regelmäßig erleben. Die Forscher beobachteten dabei vor allem die Reaktion der Gehirne der Probanden genau, während sie Wetten abschlossen: Die Teilnehmenden mussten angeben, ob die nächste Karte, die aus einem Kartenspiel mit zwanzig Karten gezogen wurde, rot oder schwarz sein würde. Zunächst wurde den Probanden erklärt, wie viele rote und wie viele schwarze Karten vorhanden sind, um mit dieser Information die Wahrscheinlichkeit der nächsten Farbe zu berechnen. In einem nächsten Versuch wurde ihnen dann nur mehr die Gesamtzahl der Karten im Stapel mitgeteilt, nicht aber, wie viele rote oder schwarze Karten das Deck jeweils enthielt. Mit Hilfe der Informationen konnten die Probanden eine Entscheidung treffen. Je weniger Informationen sie allerdings bekamen, desto mehr verlagerte das Gehirn der Teilnehmenden die Aktivität auf das limbische System, also an den Ort, an dem Emotionen wie Angst und Furcht erzeugt werden. Anders gesagt: Je weniger Wissen und Information die Probanden hatten, desto größer wurde ihre Angst.

In Kriegsgebieten oder in der Zeit, in der Höhlenmenschen ein unbekanntes Gebiet betraten und nicht wussten, wer oder was hinter den Büschen lauern könnte, ist diese Funktion überlebenswichtig. Aber nicht in der modernen Geschäftswelt, wo ständig Unsicherheiten herrschen. Hier müssen ständig wichtige Entscheidungen mit minimalen Informationen getroffen werden (wie Sie gute Entscheidungen treffen können, habe ich in meinem letzten Artikel geschrieben).

Das Schöne ist, dass Sie aus dieser Zeit lernen können, dass Unsicherheiten und Herausforderungen Ihnen nicht die Möglichkeit nehmen müssen, zu sein und zu tun, was Sie lieben. Sie können sich akzeptieren, wie Sie sind, mit all Ihren Unsicherheiten, Ängsten und Sorgen. Wenn Sie sich damit wohlfühlen können und sowohl die Aspekte von Ihrem Leben, die Sie mögen, sowie die Aspekte, die Sie ablehnen, annehmen, dann haben Sie die Basis, um mit Allem fertig zu werden, das das Leben bringt. Denn so werden die Ungewissheiten des Lebens zum unvermeidlichen Teil des Lebens, mit dem jeder umgehen muss. Aber diese Teile werden dann nicht zu Ängsten und Herausforderungen, gegen die Sie mit aller Kraft kämpfen. 

In den letzten Jahren mussten wir alle lernen mit so vielen unterschiedlichen Ungewissheiten zu leben. Damit zu leben bedeutet aber auch in ein Leben zu gehen, das ebenso voller Schönheit wie voller Herausforderungen ist. Es bedeutet zu lernen, dass die momentanen Probleme nur ein Teil Ihrer Geschichte sind und dass Sie alleine noch immer Ihre Geschichte schreiben. Das Schlimmste, das Ihnen dabei passieren kann, ist, dass Sie die Lücken der Unsicherheit mit Angst füllen. Sie können diese Leerstellen allerdings auch dazu nutzen, um sie mit Leben zu füllen.