Der Irrglaube über die Qual der Wahl

Vielleicht denken Sie aktuell über einen Jobwechsel nach. Vielleicht spielen Sie mit den Gedanken eine Weltreise zu machen. Vielleicht überlegen Sie gerade, wie Sie am besten den Menschen, die vom Krieg betroffen sind, helfen können. Egal, vor welchen Entscheidungen Sie gerade stehen, jede Entscheidung ist wie eine Reise, die gerade auf ihren Kapitän wartet.

In einer Welt, in der ständig neue Informationen verfügbar und wo die Zusammenhänge oft komplexer Natur sind, kann man sich schnell überfordert fühlen. Wenn wir dann noch Entscheidungen treffen müssen, die wichtiger Natur sind, ist Zähneknirschen und Schlaflosigkeit nicht selten eine Folge davon. Denn große und wichtige Entscheidungen sind deswegen so schwierig zu treffen, weil sie uns so viel bedeuten.

Dazu kommt, dass es in unserer Welt vor allem an Möglichkeiten nicht mangelt. Dabei ist nicht die Zahl der Möglichkeiten, die es so schwer macht uns für eine Option zu entscheiden. Es ist vielmehr die Art und Weise, wie wir persönlich die verschiedenen Optionen eines Ergebnisses einer Entscheidung definieren. So ist bei einer gefühlt kleinen Entscheidung eine Alternative schlicht und ergreifend besser als die andere. Wenn Sie zum Beispiel überlegen, ob Sie in der Früh ein Müsli essen oder doch das Croissant wählen, ist die eine Alternative individuell gesehen besser als die andere. Sie werden also in den meisten Fällen relativ schnell eine Entscheidung treffen können. Denn die Wahl des Frühstücks wird vermutlich keine großen Auswirkungen auf Ihr Leben haben.

Bei dem Treffen einer Entscheidung, die eine große Auswirkung auf Ihr Leben haben könnte, gibt es allerdings keine Alternative, von der die eine Wahl besser oder gar am besten ist. Wenn Sie überlegen, ob Sie auswandern oder doch da bleiben, gibt es zu jeder dieser beiden Möglichkeit verschiedene Vor- und Nachteile. Sie könnten zum Beispiel auswandern, würden dann aber Ihre Familie und Freude nicht mehr so oft sehen können. Dafür bekommen Sie vielleicht die Stelle, die Sie sich so lange schon wünschen und haben die Chance, einen Neubeginn zu starten. Andererseits mögen Sie vielleicht die Stadt, in der Sie gerade leben, sehr, dass ein Abschied schmerzen würde. Letztlich ist keine der Optionen in einer Weise der anderen eindeutig überlegen oder besser – sonst wäre die Entscheidung eine gefühlt leichte.

Bei einer schwierigen Entscheidung wählen die meisten Menschen die Option, die den sichersten Ausgang verspricht. Denn es scheint nur drei mögliche Ergebnisse zu geben: Eine Option ist besser, schlechter oder gleich gut wie die andere. Deswegen übernimmt die Vernunft die Entscheidung und bezieht sich auf das, was jemand anderer gesagt hat oder das objektiv gesehen besser als das andere ist.

Um subjektiv gute Entscheidungen zu treffen, braucht es also eine weitere Ebene. Es braucht eine Wahlmöglichkeit, die jenseits von besser oder schlechter oder gleich existiert. Es braucht eine Option, die am besten zu Ihren Werten passt und die Ihnen dabei hilft zu leben, wer Sie wirklich sind.

Nun ist es normalerweise leichter gesagt als getan, zu beurteilen, ob das Ergebnis einer Entscheidung mit den eigenen Werten übereinstimmt. Wir Menschen sind nun mal komplexe Geschöpfe und die eigene Wertehierarchie ist nicht immer geradlinig oder sichtbar. Dazu kommt, dass es aufregend ist, Bereiche und Möglichkeiten von uns selbst zu erkunden, die keine offensichtliche Verbindung zu dem haben, wer oder was wir als Person gerade repräsentieren. Eine neue Richtung anzunehmen, die zu unserer aktuellen Identität passt, ist allerdings in den meisten Fällen trotzdem leichter als alles Momentane einfach über Bord zu werfen und eine vollkommen neue Richtung einzuschlagen.

Wenn eine Option zu weit von dem entfernt liegt, was wir gerade sind, kann der Preis für das Erreichen einer neuen Identität zu hoch sein. Ich meine damit nicht, dass Sie Ergebnisse von Entscheidungen, die erheblich von Ihrer aktuellen Identität abweichen, automatisch übergehen sollten. Aber Sie sollten dabei immer die Kosten für Ihre wichtigsten Beziehungen und das eigene Selbstgefühl untersuchen, bevor Sie den Sprung wagen.

Letztendlich bleibt jedes Ergebnis einer Entscheidung hinter unseren Erwartungen zurück, wenn die Arbeit und die Zeit, die wir darin investieren, nicht in die Richtung unserer tiefsten Glaubensvorstellungen und unserer tief verwurzelten Werte geht.

Wie Sie schwere Entscheidungen treffen, liegt letztlich immer nur an Ihnen selbst. Aber wenn Sie ehrlich zu sich sind und sich mal bewusst umsehen, werden Sie sehen können, dass die meisten Menschen, die nicht ihren persönlichen Werten folgen, unglücklich sind und sich oft treiben lassen. Sie erlauben anderen, die Geschichte ihres Lebens zu schreiben.

Anstatt einer Quelle von Qual und Furcht können gerade schwierige Entscheidungen zu einer kostbaren Ressource für Sie werden. Sie können so beginnen, sich selbst besser kennenzulernen und in Ihrem Inneren die wahren Gründe finden, die zeigen, ob Ihre Entscheidung für Sie und Ihren Weg richtig oder falsch ist. Sie alleine haben die Macht, Entscheidungen so zu wählen, dass Sie so der einzigartige Mensch werden, der Sie sind.