Warum ein respektvoller Umgang so wichtig ist

Vor kurzem bat ich einen Mitarbeiter, um seine Meinung zu einem Problem, das er selber vorgetragen hat. Er suchte eine gefühlte Ewigkeit schweigend nach einer Antwort, bis er schließlich sagte „Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Mich hat noch nie jemand gefragt, was ich denke“. Diese Aussage hat mich betroffen gemacht, auch wenn ich weiß, dass so ein Verhalten gerade in größeren Unternehmen leider nicht unüblich ist.

Wir alle sind zwar mehr denn je miteinander verbunden, dennoch fühlen sich die meisten politisch und ideologisch weit voneinander entfernt. Wir gehen weniger Kompromisse ein und treffen Studien nach sogar Entscheidungen wie unseren Wohnort oder Freundschaften basierend auf dem, woran wir glauben. Wenn wir mit Informationen oder Ideen konfrontiert werden, die die eigene Weltanschauung in Frage stellen, verharren wir in unserer Stellung, anstatt neugierig auf die Perspektive anderer zuzugehen. In der Sozialpsychologie gibt es für dieses Verhalten sogar einen eigenen Begriff: konzeptioneller Konservatismus. Das Problem dabei ist, dass wir das selten auf respektvolle Art und Weise machen.

Wenn sich Menschen nun psychisch unsicher oder wertlos fühlen, protestieren sie leise, oft sogar unbewusst. Sie hören zum Beispiel auf, viel Energie in ihre Arbeit zu stecken. Oder sie handeln auf eine Art und Weise, die subtil die Führung untergräbt. Oder sie arbeiten gegen die Ziele des Unternehmens. Im schlimmsten Fall werden sie sogar krank. All diese Dinge passieren, sobald jemand das Gefühl hat, nicht gehört, nicht respektiert oder nicht ernst genommen zu werden. Denn dadurch wird die eigene Identität bedroht.

Dabei ist es gar nicht so schwer, respektvoll zu agieren und konstruktive Gespräche zu führen. Im Grunde ist es wie eine Kletterwand, bei der Sie sich Griff für Griff hochziehen: Zunächst präsentieren Sie eine Idee, die dann von Ihrem Gegenüber angegriffen wird, damit Sie sie wieder anpassen können, um sie dann wieder neu zu präsentieren, bevor die Idee erneut angegriffen wird, angepasst und neu erklärt wird. Statt dass Ihre Idee sofort bestätigt wird, wird sie so durch Herausforderung und Kritik besser. Das alles kann aber nur passieren, wenn Menschen in Gesprächen respektvoll begegnen.

Die meisten Menschen fühlen sich meiner Erfahrung nach dann wirklich respektiert, wenn ich nach ihrer Meinung und Erfahrung frage – und ehrlich interessiert an den Antworten bin. Was aber fast noch wichtiger ist: Ich reagiere auch immer auf die Aussagen. Gerade Führungskräfte sollten proaktiv daran arbeiten, eine Umgebung zu schaffen, in der Transparenz und Kommunikation auch möglich ist und tatsächlich gelebt wird. Das bedeutet Fragen zu stellen, aktiv zu Beiträgen einzuladen und kreative Konflikte durchaus zuzulassen und zu fördern. Es reicht allerdings nicht, dass Menschen nur Worte aussprechen dürfen, es muss vor allem darauf reagiert werden. Denn Worte ohne Taten hinterlassen verbrannte Erde.

Es wird es nicht immer nur eine Meinung existieren, die alle teilen. Das gehört zum Leben dazu. Es wird auch Ideen und Aktivitäten geben, mit denen Sie nicht einverstanden sind. Doch genau diese Momente bestimmen letztlich, welche Art von Kultur in Ihrem Unternehmen herrscht. Wenn Sie einer Meinung begegnen, die nicht Ihre eigene widerspiegelt, sollten Sie trotzdem stehenbleiben und in den Dialog gehen. Nutzen Sie die Chance, Neues zu entdecken, Differenzen zu lösen und eine Basis zu finden, die für alle akzeptabel ist.

Zugegeben, es ist sehr verlockend, in gegenwärtigen Spannungen zu verweilen und sich in praktischen Dingen zu verzetteln. Aber Menschen einzuladen, eine zukünftige Möglichkeit zu bewohnen, eröffnet die Chance auf ein zielgerichtetes Gespräch. Wenn sich beispielsweise keine Gemeinsamkeiten finden lassen, gibt es dennoch Möglichkeiten konstruktiv zu reagieren: Sie können zum Beispiel als Arbeitnehmer noch immer das Unternehmen verlassen und eines suchen, das besser mit Ihren Werten übereinstimmt, wenn Sie keine gemeinsame Basis finden. Oder Sie können anderer Meinung sein und das Problem direkt ansprechen. Wenn allerdings kein Vertrauen da ist, werden Meinungsverschiedenheiten niemals gelöst. Und Themen, in denen Sie keinen Konsens finden können, werden dann auch nicht respektvoll anerkannt.

In Unternehmen, in denen die Mitarbeitenden ihre Lebenserfahrungen wirklich einbringen können, haben die Menschen einander viel zu bieten. Wir alle sind so viel mehr als nur die Summe unserer Lebensläufe. Erfolg bedeutet nicht, dass man keine Probleme hat – es bedeutet nur, dass man bessere Probleme hat. Inmitten der Kakophonie der Nachrichten und der Feindseligkeit in Meetings haben wir alle die Möglichkeit, in Begegnungen zu gehen und Respekt statt Zusammenstoß zu wählen. Nur so wird sich die Welt zum Positiven weiterentwickeln.