In der letzten Zeit habe ich bemerkt, dass ich mir oder anderen nichts mehr beweisen muss. Ich habe das Gefühl, weniger verlieren zu können. Ich habe aber auch weniger Geduld mit allem. Der wahnsinnige Krieg, der Umgang mit dem Klimawandel, der langsame Fortschritt in Richtung Gleichberechtigung, der Anstieg von Gewalt gegen Frauen.
Ich habe in meinem Leben anderen so oft gesagt, was ich dachte, dass sie hören wollten, anstatt dass ich das sagte, was sie hören sollten. Meine Ausrede war, dass ich ja nicht das Recht dazu hätte anderen zu sagen, was in meinen Augen richtig ist und ihnen ins Gewissen zu reden. Also habe ich oft nichts gesagt und so ohne Worte bestätigt.
Es ist an der Zeit, dass wir alle mit dem Schweigen und Beschwichtigen aufhören. Es ist an der Zeit, den Mund aufzumachen – auch für die, die nicht da sind und besonders dort, wo Entscheidungen über Leben getroffen werden. Wir müssen füreinander da sein und aufhören, dieses kulturelle Konstrukt aufrechtzuerhalten, das besonders Frauen einredet, zu konkurrieren, zu vergleichen und sich gegenseitig zu kritisieren.
Wir sind besser verbunden als jede vorherige Generation. Gemeinsam haben wir eine kollektive Macht, die uns ermöglicht, eine Welt zu erschaffen, in der alle eine Stimme und alle das Recht haben, respektiert zu werden. Nur scheinen wir das viel zu oft zu vergessen. Wir verbringen so viel Zeit damit, darauf zu hören, was andere sagen, dass wir gar nicht darauf achten, was sie nicht sagen.
Wenn wir in die Berufswelt eintreten, sind die meisten davon überzeugt, dass der Weg zum Erfolg über die Leistung passiert. Gerade Frauen arbeiten hart und versuchen voranzukommen im Glauben, dass sie allein die Kontrolle über ihren Erfolg haben. Dabei existiert in den meisten Unternehmen eine zerbrochene Kultur. Erst das Ansprechen und Sichtbarmachen davon kann zur Erkenntnis führen, dass die unsichtbaren Barrieren, denen Frauen täglich entgegenstehen, einen Namen haben: Ungleichheit. Erst wenn wir das erkennen, können wir diese Barrieren einreißen und sehen, wie außergewöhnlich jeder einzelne von uns in Wahrheit ist.
Die Herausforderungen entwickeln sich im Laufe der Jahre weiter: Frauen sind oftmals an höhere Leistungsstandards gebunden und haben weniger Zugang zu Beförderungen. Es ist für Frauen zudem meist schwieriger von einflussreichen Personen wahrgenommen zu werden. Das habe ich selbst mehrfach erlebt. Mein Glück war, dass ich früh gelernt habe, mein Leben nicht über Einschränkungen oder Hindernisse zu definieren, sondern mich durch meine Neugier antreiben zu lassen. Ich habe mit meinem Mann ein Beratungsunternehmen gegründet und bin trotz einer chronischen Krankheit nach wie vor an vorderster Front dabei.
Meine Vision besteht darin, andere dabei zu unterstützen ihre Träume zu verwirklichen, Selbstverantwortung für das eigene Denken und Handeln zu übernehmen, einander zu unterstützen und Unterschiede als Chance zu erkennen. Als ich mit meiner Arbeit begonnen habe, stand ich oft vor verschlossenen Vorstandstüren, weil eine Frau als Unternehmerin mit einem „weichen“ Thema keine erfolgsversprechende Lösung anbieten könnte. Also habe ich mich angepasst und versucht die Themen so zu verpacken, dass sie akzeptiert wurden. Ich habe zu Beginn auch weniger Geld verlangt und gleichzeitig versucht mehr zu geben, um die gleichen Chancen zu bekommen. Heute müssen Millionen Frauen tagtäglich einen ähnlichen Kompromiss treffen, damit sie an ihren Arbeitsstellen bleiben dürfen – ohne den gleichen Lohn und Lob wie Männer für die gleiche Arbeit zu bekommen. Die Arbeit von Frauen wird viel zu oft durch die Geschlechterbrille beurteilt.
Ich habe lange gekämpft, ein Gleichgewicht zu finden, dass zwischen den zwei Polen pendelt für andere Frauen ein Vorbild sein, aber nicht nur als Frau definiert zu werden. Es ist mir erst dann gelungen, als ich aufgehört habe, mich darum zu sorgen, was andere über mich sagen und denken könnten. Dafür musste ich klarer ausdrücken, was ich tatsächlich denke und fühle. Seitdem spreche ich meine Wahrheit offen aus und stehe auch dafür ein. Mir ist es wichtig, die Macht, die wir alle bereits haben, auch einzusetzen. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Vorgehen auch Ihnen dabei helfen kann Ihre mentale und emotionale Energie zu bewahren und von der Frage, wie sich die Sie selbst reparieren können, zur Erkenntnis überzugehen, dass nicht Sie das Problem sind - sondern Ihre Umgebung.
Wir können nicht einfach auf der Ersatzbank sitzen, wenn wir etwas verändern wollen. Dafür gibt es einfach zu viel zu tun. Wir müssen beginnen, für uns selbst einzustehen, unsere Ängste und Sorgen hintenanzustellen und loszugehen.
Wir haben schon alles was wir brauchen. Die Herausforderung besteht darin, nicht zu vergessen, füreinander da zu sein. Ein Vorankommen gibt es nur in der Gemeinschaft. Dazu müssen wir bereit sein, mehr Risiken einzugehen, furchtloser zu sein, die Dinge laut auszusprechen und die eigene Meinung zu äußern. Denn bis jetzt müssen täglich Menschen die direkten Folgen unseres Schweigens erleben: Ungleichheit, Gewalt, Krieg. Denn "Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde" (Dr. Martin Luther King Jr.).