Das Geheimnis hinter Morgen- und Abendmenschen

Die Literatur ist voll von Annahmen, die behaupten, dass Frühaufsteher besser im Leben abschneiden, mehr erledigen und öfters ein Lächeln im Gesicht haben. Unzählige Artikel versprechen, dass wir alle produktiv, effizient und erfolgreich sind, wenn wir frühmorgens aus dem Bett springen und voller Energie losstarten.

Wenn Sie eine Nacht-Eule sind, jemand, der abends gerne länger aufbleibt und am Vormittag am liebsten gemütlich unter der Bettdecke weiterdöst, hoffen Sie vielleicht, dass all diese Annahmen über Morgenmenschen nicht stimmen. Die Psychologie der sogenannten Chronotypen stützt allerdings weitgehend das populäre Bild von den früh aufstehenden, glücklichen Machern. Aber ist das wirklich so?

Beginnen wir am Anfang: Der Begriff Chronotyp bezieht sich im Grunde auf den zeitlichen Ablauf des natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus. Er spiegelt das Aktivitätsniveau einer Person wider und bezieht sich nicht nur auf die Wach- und Schlafensgehzeit, sondern auf den für Sie optimalen Zeitpunkt, an dem Sie am produktivsten sind.

Die Beantwortung der Frage „Was für ein Chronotyp bin ich?“ ist daher komplizierter. Unsere bevorzugte Aktivität wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst, wie den Genen und dem Geschlecht. Studien zeigen, dass Frauen häufiger dem Morgen-Chronotyp zuzuordnen sind, während Männer eher dem Abend-Chronotyp angehören. Sich ändernde Faktoren wie das Alter oder auch die Umgebung, in der wir leben und arbeiten, können auch zu Chronotypverschiebungen führen. Im Jugendalter gibt es eine Tendenz sich stärker dem Nachtorientierten-Chronotyp zuzuwenden. Nach der Pubertät kommt es mit zunehmendem Alter häufiger zum lerchenähnlichen Morgenrhythmus.

Das populärste Konzept der Chronotypen unterscheidet zwischen den Lerchen (Frühaufsteher) und den Eulen (Langschläfer). Studien zeigen, dass die Mehrheit von uns weder eine reiner Lerchen- noch eine reiner Eulentyp ist. Die meisten (etwa 60%) sind eine Mischung aus beiden.

Es gibt aber noch andere, weniger bekannte Modelle. Eines davon beruft sich auf vier verschiedene Chronotypen (Bär, Löwe, Wölfe und Delfine - Sie können unter diesem Link herausfinden, zu welcher Gruppe Sie gehören). In diesem Chronotyp-Konzept ist etwa die Hälfte der Bevölkerung Bären.

  • Die Gruppe der Bären steht mit der Sonne auf, ist vor Mittag produktiver und erlebt einen Einbruch der Energie am Nachmittag, typischerweise zwischen 14 und 17 Uhr.

  • Die Löwen (20% der Menschen) sind ein weiterer morgenorientierter Chronotyp, der bei oder sogar vor der Morgendämmerung aufsteht, voller Energie und bereit, den Tag zu nutzen. Löwen sind vor Mittag am produktivsten und gehen lieber früh zu Bett.

  • Wölfe als Geschöpfe der Nacht (weitere 20% der Menschen) schlafen lieber lange und sind von 12 bis 16 Uhr am produktivsten mit einem zusätzlichen Energieschub um 17 Uhr, der sie oft bis spät in die Nacht trägt.

  • Die 10% der Menschen, die in die Kategorie der Delfine fallen, neigen dazu, leicht zu schlafen und fühlen sich durch ihren Schlaf oft nicht erfrischt. Diese Gruppe ist anfälliger für Schlafstörungen als andere. Delfine sind in der Regel zwischen 10 und 14 Uhr am produktivsten.

Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen Glück und Chronotypen untersuchen. So hat zum Beispiel eine Studie, die an der Universität in der Türkei durchgeführt wurde, ergeben, dass höhere Werte in der Morgenroutine (also Menschen, die lieber am Morgen aufstehen) mit höheren Werten zur Messung des Glücks verbunden sind.

Weitere Studien zeigen, dass sich der emotionale Vorteil von Morgenmenschen in einer höheren Lebenszufriedenheit und einer geringeren Anfälligkeit für psychische Probleme zeigt. Menschen, die Lerchen sind, zeigen weniger häufiger Symptome von saisonalen Depressionen oder Neigungen zu Drogen als Eulen. Dieser Unterschied kann allerdings teilweise dadurch erklärt werden, dass Menschen, die eher in der Nacht aktiv sind, dazu neigen, weniger Schlaf oder mehr Schlafprobleme zu haben – und nicht, dass es per se ein Vorteil ist, ein Morgenmensch zu sein.

Woher kommt aber eigentlich unsere Tendenz zu einer Wach- und Schlafzeit und ist diese änderbar? Studien zeigen, dass der Chronotyp mit der Persönlichkeit zusammenhängt: So zeigt sich beim Lerchentypus, das die Eigenschaft Gewissenhaftigkeit eine sehr hohe Punktezahl bekommt. Diese Eigenschaft ist wiederum stark mit Selbstdisziplin, Ehrgeiz und Ordnung verbunden. Eine höhere Punktzahl bei Extraversion und Offenheit hingegen korreliert eher mit Nachtschwärmern.

Die gute Nachricht ist, dass weder Persönlichkeit noch Chronotyp vollständig in Stein gemeißelt sind. Beide werden von Faktoren geprägt, die über unsere Gene hinausgehen, wie zum Beispiel unser familiäres Umfeld, der Beruf und die Routinen, die beide von uns verlangen.

Warum ist das alles eigentlich wichtig? Guter Schlaf ist ein extrem wichtiger Bestandteil unserer körperlichen und geistigen Gesundheit. Wenn wir gezwungen werden gegen unseren Rhythmus zu leben, kann das zu Schlafstörungen und Krankheiten führen. Schlaf ist kein optionaler Lifestyle-Luxus, sondern eine nicht verhandelbare biologische Notwendigkeit. Er ist Ihr Lebenserhaltungssystem. Gestörter, schlechter und unzureichender Schlaf hat schwerwiegende Auswirkungen auf Ihr Wohlempfinden und Ihre Gesundheit.

Wenn Sie generell Zufriedenheit im Leben finden und Ihre Tage arbeitsreich und lohnend für Sie sind, fällt es Ihnen vermutlich sehr viel leichter, gut einzuschlafen und energiegeladen und sorglos aus dem Bett zu kommen – egal, was für ein Chronotyp Sie sind.