Das Geheimnis eines langen und glücklichen Lebens

In einer entfernten, bergigen Gegend, irgendwo zwischen Korsika und Tunesien, leben sechsmal so viele Hundertjährige wie auf dem italienischen Festland, das nur ein paar hundert Kilometer weiter entfernt liegt. Dieses Dorf ist weltweit der einzige Ort, an dem Männer so lange leben wie Frauen. Dieser Ort hat die Neugierde einiger Forscher geweckt. Sie wollten herausfinden, was denn so Besonderes an diesem Fleckchen Erde ist, dass die Menschen dort so viel länger als anderswo leben.

Die Menschen dort haben weder mit dem Trinken noch mit dem Rauchen aufgehört, sie treiben auch nicht übermäßig viel Sport. Es gibt allerdings eine Sache, die sie anders als andere Erdbewohner machen: Sie pflegen enge Beziehungen zu anderen Menschen. Diese sogenannte soziale Integration wird durch den Kontakt bestimmt, den Sie mit verschiedenen Menschen innerhalb eines Tages haben. Dazu zählen nicht nur die starken Bindungen wie die zur Familie oder zu engen Freunden, sondern auch eher lose Beziehungen zu Menschen, die Sie ab und an mal sehen, wie etwa die Nachbarin oder den Postboten. Menschen, denen Sie untertags begegnen, und die Sie grüßen oder mit denen Sie ein paar belanglose Worte wechseln wie mit der Person, der Sie beim Spazierengehen mit Ihrem Hund begegnen.

Wenn glückliche Menschen beispielsweise einen Nachbarn auf der Straße begegnen, grüßen sie diesen mit einem Lächeln. Sie sagen dann so banale Dinge wie „Hallo, heute ist ein schöner Tag, finden Sie nicht auch?“ Das mag sich zunächst bedeutungslos anhören – und irgendwie ist es das auch. Denn dieser Satz hat keinerlei tiefergehende Bedeutung und im Grunde ist es auch egal, ob der Tag schön ist oder nicht. Es geht bei dieser Interaktion um etwas anderes. Es geht um die Bedeutung, die dahintersteht. Denn was diese Menschen eigentlich sagen, ist: „Ich sehe dich.“ Der Nachbar wird damit zu einem Menschen mit einem Kontext.

Dieser kleine Gruß baut sogar Selbstwertgefühl auf. Denn in diesen kleinen Interaktionen mit anderen passiert etwas, das sich „flüchtige Intimität“ nennt. Es ist eine kurze Begegnung, die beiden Parteien ein momentanes Gefühl der Verbundenheit und der Zugehörigkeit gibt. Beide erhalten auf diese Weise das Gefühl, ein Teil des Lebens des jeweils anderen zu sein. Und wenn sie dann all diese kleinen Beiträge in den vielen Gesprächen im Laufe der Jahre zusammenzählen, wird schnell klar, warum diese Menschen ein höheres Selbstwertgefühl haben. Denn sie leben in einer Kultur, in der sie etwas beitragen, in der sie Teil einer Gemeinschaft sind, in der solche Interaktionen normal sind.

Die Kraft eines solchen persönlichen Kontakts wird auch als Grund genannt, warum Menschen mit sozialem Engagement seltener an Demenz erkranken oder Frauen häufiger Brustkrebs überleben als es Einzelgänger tun. Menschen sind durch soziale Kontakte besser geschützt als es Medikamente, Ernährung oder Sport je tun könnten.

Sie verändern den Lauf des Lebens anderer durch das, was Sie in einer Gemeinschaft beitragen. Wenn Sie mit anderen reden oder etwas tun, beeinflussen Sie dadurch immer die anderen um Sie herum. Wenn Sie etwas in dieser Welt beitragen, nehmen Sie bewusst Einfluss. Und das ist so wichtig.

Viel zu viel Zeit und auch Nutzen geht online verloren. Es wird immer einfacher, die Zeit mit Belanglosem zu vergeuden, anstatt etwas in der Welt beizutragen. Die meiste Zeit, die Menschen auf Geräten oder in sozialen Netzwerken verbringen, konsumieren sie etwas, das andere geschaffen haben, anstatt selbst etwas einzubringen. Etwas selbst zu erschaffen und in die Welt zu tragen, ist aber nicht nur grundlegend für ein gesundes und glückliches Leben, sondern es führt dazu, dass sich Menschen sinnvoll fühlen.

Sie können nur bedingt beeinflussen, wie viel Zeit Sie letztlich hier auf Erden sein werden, aber Sie können sehr wohl beeinflussen, was Sie beitragen, während Sie hier sind. Das muss nicht viel sein, ein kleiner Gruß, eine kleine Geste einem anderen Gegenüber, reicht schon.

Werden Sie zum Entdecker, zum Erfinder, zum Unternehmer und gestalten Sie die Welt bewusst mit, anstatt nur auf Bestehendes zu reagieren. Nehmen Sie aktiv an diesem Leben teil und tragen Sie etwas zur Welt um Sie herum bei. Beginnen Sie mit einem kurzen Gruß und einem guten Gespräch. Hauptsache Sie erschaffen etwas. Denn es ist die persönliche Interaktion in den Städten und an den Arbeitsplätzen, die Ihr Immunsystem stärkt und bestimmte Wohlfühlhormone durch den Blutkreislauf schickt. Durch das Mitwirken und Erschaffen fühlen Sie sich nicht nur lebendig, Sie bleiben es auch für eine längere Zeit.