Ich habe letztens von einem Kunden folgende Geschichte gehört: Als leitender Angestellter in einem großen Unternehmen, das sich in einem Übernahmeprozess befand, war mein Kontakt damals für dieses Projekt hauptverantwortlich. Fast vier Monate lang flog er hin- und her, um alles vorzubereiten und zu versuchen, die Dinge auf die Straße zu bekommen. Wochenlang traf er sich den ganzen Tag mit wichtigen Geschäftspartnern, in der Nacht beantwortete er dann die E-Mails und Telefonate, um dann mehr oder minder tot ins Bett zu fallen, um am nächsten Tag wieder von vorne zu beginnen. Eine Woche vor der Übernahme gab plötzlich sein Körper nach. Im Spital wurde festgestellt, dass die Organe aufgrund des Stresses begonnen haben zu versagen. Mehr als zwei Wochen verbrachte er damit, nur im Bett zu liegen und auf die Decke zu starren, während die Übernahme ohne ihm stattfand. Es muss nicht immer so enden, aber leider sind solche Geschichten nicht die Ausnahme.
Stellen Sie sich vor, Ihre Gesundheit und Ihre Energie sind wie ein Eimer voll Wasser. In Ihrem Alltag wird Ihr Eimer gefüllt mit Dingen wie Schlaf, Ernährung oder auch Lachen und andere Formen der Erholung. Es gibt allerdings auch immer etwas, das ein Ventil öffnen und das Wasser ablassen kann wie Arbeitsstress, Schulstress, Beziehungsprobleme oder andere Herausforderungen. Die Dinge, die Ihren Eimer entleeren, sind aber nicht alle negativ. Um ein produktives Leben zu führen, ist es durchaus wichtig, dass einige Dinge auch aus dem Eimer fließen, um Platz für Neues zu schaffen.
Das Problem ist, dass der Eimer oft schneller entleert wird, weil sich die negativen Dinge summieren: Der Stress beim Aufbau eines Unternehmens oder beim Abschluss eines wichtigen Projekts kommt zu dem Alltagsstress hinzu. Auch der Stress Kinder zu erziehen oder mit einem nicht gut kommunizierenden Chef umzugehen oder sich um die alternden Eltern zu kümmern summiert sich. Und plötzlich ist der Eimer leer.
Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen gerade in Stressmomenten unter Kontrolle zu haben, ist eine Königsdisziplin und steht Studien zufolge in einer direkten Korrelation zu Ihrer Leistung. Stress beeinflusst physiologische Funktionen im Gehirn und führt zu chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes. Noch dazu werden die Gedanken verzerrt, wenn Sie abgelenkt oder verzweifelt sind. In zahlreichen Laborexperimenten wurde gezeigt, dass Menschen, die unter Stress stehen, Dinge sehen, die nicht da sind bzw. Dinge nicht sehen, die offensichtlich sind.
Tatsächlich erreicht aber die menschliche mentale Leistung ihren Höhepunkt dann, wenn der Stress ein moderates Level erreicht hat. Das bedeutet, solange der Stress nicht chronisch wird, ist er nicht nur harmlos, sondern sogar hilfreich. Das Einsetzen von Stress verleitet das Gehirn dazu, neue Zellen zu entwickeln, die für ein verbessertes Gedächtnis verantwortlich sind. Dieser Effekt wird jedoch nur bei kurzanhaltendem Stress beobachtet. Sobald der Stress über ein paar Augenblicke hinaus anhält, wird diese Fähigkeit unterdrückt.
Während sich das menschliche Gehirn weiterentwickelt hat und komplexer wurde, haben die Menschen die Fähigkeit entwickelt, sich Sorgen zu machen und bei Ereignissen durchzuhalten, was zu häufigen Erfahrungen mit anhaltendem Stress führt. Und das ist ein Problem, denn dieser Stress macht ein Loch in Ihren Eimer.
Es gibt zahlreiche hilfreiche Strategien, um effektiv mit Stress umzugehen. Die folgenden fünf sind die, die ich am häufigsten bei erfolgreichen Menschen beobachten konnte. Einige dieser Strategien scheinen offensichtlich zu sein, aber die eigentliche Herausforderung liegt darin zu erkennen, wann Sie sie anwenden müssen – und sie dann auch im Stressmoment wirklich anzuwenden.
1. Schätzen Sie, was Sie haben
Sich Zeit zu nehmen, um darüber nachzudenken, wofür man dankbar ist, verbessert nicht nur Ihre Stimmung, sondern es reduziert das Stresshormon Cortisol um 23%. Eine Studie ergab, dass Menschen, die täglich daran arbeiteten, eine Haltung der Dankbarkeit zu entwickeln, eine verbesserte Stimmung, Energie und körperliches Wohlbefinden hatten.
2. Fragen Sie sich nicht „Was wäre, wenn… ?“
In meiner Arbeit als Unternehmensberaterin nutze ich sehr gerne die Frage „Was wäre, wenn… ?" Diese Frage triggert Stress und führt zu neuen Perspektiven. Das will ich bei Innovationsvorhaben auch erreichen, aber nicht im persönlichen Leben. Denn der Nachteil dieser Frage ist, dass Sie viel Zeit damit verbringen, sich mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und sich weniger auf die Umsetzung von hilfreichen Maßnahmen konzentrieren.
3. Bleiben Sie positiv
Positive Gedanken helfen dabei, Stress nur für einen kurzen Moment zu spüren, indem sie die Aufmerksamkeit Ihres Gehirns auf etwas richten, das völlig stressfrei ist. Sie müssen Ihren wandernden Gedanken eine kleine Hilfestellung geben, indem Sie bewusst etwas Schönes auswählen, worüber Sie nachdenken können. Jeder positive Gedanke reicht aus, um Ihre Aufmerksamkeit neu zu fokussieren. Wenn es gut läuft und die Stimmung gut ist, ist das relativ einfach. Wenn die Dinge schlecht laufen und Ihr Geist von negativen Gedanken überflutet wird, kann das eine echte Herausforderung sein. Denken Sie gerade in diesen Momenten an eine positive Sache, die vor nicht allzu langer Zeit passiert ist - egal wie klein sie auch sein mag.
4. Gehen Sie offline
Die moderne Technologie ermöglicht einerseits eine ständige Kommunikation und andererseits auch die Erwartung, dass Sie rund um die Uhr verfügbar sein müssen. Es ist extrem schwierig, einen stressfreien Moment außerhalb der Arbeit zu genießen, wenn eine E-Mail ausreicht, um Ihren Gedankengang zu ändern und Sie zum Nachdenken (sprich: Stress) anzuregen. Wählen Sie Zeitblöcke, in denen Sie das Smartphone bewusst abschalten und offline gehen. Sie werden erstaunt sein, wie hilfreich diese Pausen sind und wie sie Stress reduzieren. Wenn Sie sich Sorgen über die negativen Auswirkungen dieses Schritts machen, versuchen Sie es zunächst zu Zeiten, in denen Sie wahrscheinlich nicht kontaktiert werden – vielleicht Sonntagsmorgen. Wenn Sie damit vertrauter werden und Ihre Kollegen beginnen, die Zeit, die Sie offline verbringen, zu akzeptieren, erweitern Sie nach und nach die Zeit.
5. Schränken Sie Ihren Koffeinkonsum ein
Das Trinken von Koffein löst die Freisetzung von Adrenalin aus. Adrenalin ist die Quelle der „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion, einem Überlebensmechanismus, der Sie zwingt, aufzustehen und zu kämpfen oder zu rennen, wenn Sie einer Bedrohung ausgesetzt sind. Der Kampf-oder-Flucht-Mechanismus umgeht rationales Denken zugunsten einer schnelleren Reaktion. Das ist großartig, wenn Sie gerade von einem Löwen verfolgt werden, aber nicht so hilfreich, wenn Sie auf eine E-Mail antworten. Wenn Koffein Ihr Gehirn und Ihren Körper in diesen übererregten Stresszustand versetzt, überlagern Ihre Emotionen Ihr Verhalten.
Wenn Sie Ihren Eimer voll halten möchten, haben Sie prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder füllen Sie Ihren Eimer regelmäßig auf. Das bedeutet, dass Sie dankbar sind, sich an den kleinen Sachen des Lebens erfreuen, sich Zeit für Lachen und Spaß nehmen, genug essen, um ein solides Energieniveau zu halten, und sich bewusst Zeit für Erholung nehmen. Oder aber Sie achten darauf, dass sich keine Stressoren in Ihrem Leben ansammeln und leeren Ihren Eimer regelmäßig. Spätestens wenn Ihr Eimer leer ist, wird ansonsten Ihr Körper dafür sorgen bzw. Sie zwingen, sich auszuruhen.
Erholung ist nichts, das verhandelbar ist. Sie können sich entweder jetzt Zeit zum Energieauftanken nehmen oder sich später die Zeit nehmen, wenn Sie krank oder verletzt sind.