Letztens standen mein Mann und ich im Verlaufe eines Brettspiels vor der Wahl zwischen zwei Pillen, die dank dem Film Matrix zur Berühmtheit gelangt sind. Wie im Film stand diese Entscheidung stellvertretend für den Wendepunkt, bei dem wir uns zwischen dem bequemen Schein der Illusion oder der harten, aber wahrhaftigen Realität entscheiden mussten. Die blaue Pille führte uns als Gewinner zum sofortigen Spielende, während mit der Wahl der roten Pille das Spiel weiterging. Wir mussten uns dem Abenteuer stellen und weitere Rätsel lösen, mit der Gefahr, das Spielende ohne Sieg zu erleben.
Im Film symbolisiert die rote Pille den Pfad in die Realität, der uns dazu zwingt, uns Herausforderungen und Schwierigkeiten zu stellen, die das Leben nun mal mit sich bringt. Unter anderem entdecken wir dabei die ungeschönte Wahrheit über uns selbst – inklusive unserer persönlichen Schwächen. Das bedeutet auch zu erkennen, dass wir in erster Linie fehlerhafte Wesen sind. Im Gegensatz dazu steht die blaue Pille, die uns die Illusion der Perfektion und Unfehlbarkeit vorgaukelt. Wenn wir diesen Weg wählen, können wir im illusorischen Zustand der Selbstzufriedenheit verweilen und uns einreden, dass wir fehlerlos, liebevoll und perfekt sind. Aber nicht nur das: In dieser Welt ist unsere Meinung und Perspektive immer die einzig richtige.
Nun gibt es die rote Pille in anderer Form nicht nur in Filmen oder Spielen. Als Demut oder Humilität gegenüber dem eigenen Wissen getarnt findet sie sich auch in unserer realen Welt wieder. Sie ist die vollständige Akzeptanz der ungeschminkten Wahrheit über sich Selbst.
Der Begriff der Demut, wie wir ihn heute nutzen, hat seinen Ursprung im lateinischen Begriff humilitas, das aus dem Verb humare abgeleitet wird und „beugen“ oder „senken“ bedeutet (daher kommt auch das Sprichwort „auf dem Boden bleiben”). Demut wird in verschiedenen kulturellen und religiösen Kontexten auf unterschiedliche Weisen interpretiert, aber im Allgemeinen bezieht es sich auf die Eigenschaft, bescheiden, zurückhaltend und respektvoll gegenüber anderen zu sein. Der Begriff impliziert, dass eine Person ihre eigene Bedeutung und Macht nicht betont, sondern sich bewusst ist, dass es Dinge gibt, die größer sind als sie selbst. Demut schließt auch die Fähigkeit ein, die Perspektiven und Meinungen anderer anzuerkennen und zu schätzen.
In der Realität ist es nicht einfach, ohne weiteres diese Pille zu schlucken. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die ihre eigenen Ansichten hinterfragen und wissen, dass sie nicht immer richtig liegen, unter mehr Ängsten leiden als unbescheidenere Individuen. Trotzdem bringt Demut viele Vorteile mit sich: Studien zeigen, dass sie durch Bescheidenheit und Demut Stress vermindern und dabei helfen positivere Beziehungen zu anderen erleben. Demut kann Sie auch großzügiger gegenüber anderen und effektiver als Führungskraft machen.
Wie können Sie nun Demut in Ihren Alltag bringen, außer weniger über sich selbst zu reden und besser zuzuhören? Die gute Nachricht ist, dass es gar nicht so schwer ist. Die schlechte Nachricht lautet: Die Medizin kann zu bitteren Erkenntnissen führen. Aber mit ein wenig Zucker wird auch die bitterste Medizin süß:
Gehen Sie bewusst in die Natur: Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, um in die Natur zu gehen und sich bewusst Ihrer Umgebung auch Ihres eigenen Seins zu sein. Setzen Sie sich an einen ruhigen Ort, schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich auf die Geräusche, Gerüche und die Umgebung um Sie herum. Lassen Sie die Schönheit der Natur auf sich wirken und erkennen Sie, dass Sie Teil eines größeren, natürlichen Gefüges sind.
Engagieren Sie sich in Freiwilligenprojekten: Suchen Sie nach Möglichkeiten sich freiwillig bzw. ehrenamtlich zu engagieren. Ob es darum geht, in einem örtlichen Tierheim zu helfen, an Umweltschutzaktionen teilzunehmen oder in sozialen Projekten mitzuwirken – das aktive Handeln für das Wohl anderer fördert nachweislich Demut und Gemeinschaftsgefühl. Die Forschung zeigt, dass Freiwilligenarbeit und soziales Engagement mit verschiedenen positiven psychologischen Effekten verbunden sind. Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, können ein gesteigertes Gefühl der Zufriedenheit, des Wohlbefindens und der Lebensfreude erleben. Diese Aktivitäten fördern auch soziale Verbindungen, die das Gemeinschaftsgefühl stärken können.
Erweitern Sie Ihren Horizont durch Reisen: Planen Sie Reisen, um neue Kulturen und Lebensweisen zu entdecken. Begegnen Sie Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und öffnen Sie sich für die Vielfalt dieser Welt. Sie müssen nicht einmal weit reisen, es reicht, wenn Sie sich im Alltag für andere Kulturen und Perspektiven öffnen. Diese Erfahrungen ermöglichen es Ihnen, Ihre eigene Position in einem größeren Kontext zu reflektieren und tragen so zur Entwicklung von Demut bei.
Viele Menschen nehmen blaue Pillen regelmäßig ein, um die narkotischen Ablenkungen durch soziale Medien, Drogen oder andere Süchte anzunehmen. Mit der roten Pille haben Sie die Chance, sich der manchmal harten Realität zu stellen – den Beziehungen, der Arbeit, den Perspektiven – einschließlich der Wahrheit über sich selbst. Die rote Demut-Pille ist die einzige Pille, die Ihnen dabei hilft, ein Leben im Wachstum und Erfüllung zu führen. Und Sie brauchen dazu nicht einmal ein Rezept.