In unserer Beratung ist einer der wichtigsten Schritte, dass wir am Anfang ein Team zusammenstellen, dass die unterschiedlichsten Facetten des Unternehmens widerspiegelt. Nur so können wir den größtmöglichen Erfahrungsaustausch sicherstellen. Unbewusst achte ich auch immer auf den richtigen Mix von Frauen und Männern, weil diese aufgrund der Erziehung und der Gesellschaft, in der wir leben, oft mit anderen Eigenschaften ausgestattet sind. Aber sind diese Eigenschaften eigentlich wirklich nur geprägt oder werden gewisse Attribute mit unserem Geschlecht mitbestimmt?
Kennen Sie diese Glaubenssätze? Frauen verhandeln schlecht, sind risikoavers und sind fürsorglicher und kooperativer als Männer. Solange solche Überzeugungen nicht hinterfragt, sondern als gegeben gesehen werden, solange werden wir wenig bewegen können.
Früher wurden Unterscheidungen zwischen den Geschlechtern auf die evolutionsgeschichtliche Entwicklung zurückgeführt. Die moderne Neurowissenschaft liefert allerdings neue Hinweise: So ist das Gehirn des Mannes um ca. 10% größer, Frauen haben dagegen mehr Falten im Gehirn und auch deutlich mehr weiße als rosa Substanz. Diese ermöglicht, dass wichtige Informationen in kleine Einheiten verpackt und dadurch leichter abgerufen werden können. Das weibliche Gehirn hat auch den größeren Corpus callosum (den Gehirnabschnitt, der die beiden Hemisphären verbindet). Angeblich unterstützt dieser die Fähigkeit zum Multitasken. Lauter Annahmen und weitere Hypothesen und Glaubenssätze - oder ist da wirklich etwas dran?
Neuere Studien zeigen, dass der Aufbau des Gehirns viel komplizierter ist: So wurde bei 1.400 Probanden nachgewiesen, dass es zwar Muster gibt, die für die typischen Unterschiede zwischen Mann und Frau sprechen - aber es gibt eben auch viele weitere Millionen von Abschnitten, die überhaupt keinen Unterschied aufweisen. Alle Abschnitte in ihrer Gesamtheit zeigen, dass nur etwa 3% der Menschen ein typisch männliches oder weibliches Gehirn haben, die restlichen 97% der Menschen haben eine bunte Vielfalt an männlichen und weiblichen Gehirnanteilen. Das bedeutet, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen jeder von uns Merkmale aufweist, die typisch bei Männern, und Merkmale, die typisch bei Frauen sind. Selbst eineiige Zwillinge haben aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen unterschiedliche Gehirnstrukturen und Verbindungen.
Wir sind alle Einzelpersonen, die aus einzigartigen Erfahrungen bestehen. Unsere Erfahrungen prägen die Strukturen und Verbindungen innerhalb unseres hochkomplexen Gehirns.
Warum hält sich der Mythos von männlichen und weiblichen Gehirnen trotzdem so hartnäckig? Ein Grund ist, dass Männer und Frauen oft unterschiedliche Interessen und Handlungsweisen haben. Das liegt vor allem daran, dass wir andere Erfahrungen durchleben und anders aufgezogen werden. In der Gesellschaft werden Frauen eher ermutigt, emotional zu sein, während "Männer nicht weinen". Wir passen unser Verhalten an unsere sozialen Normen und Belastungen an.
Ein anderer Grund ist, dass Menschen sich gerne an Beispiele erinnern, die mit geschlechtlichen Erzählung übereinstimmen und die bestehende Thesen unterstützen. Wir verallgemeinern dann schnell und übersehen dabei beispielsweise die Frauen, die die Arbeit vor der Familie priorisieren oder die Männer, die nicht handwerken können. Dieses Denken in Schubladen hilft uns einfach dabei, ein vereinfachtes und konsistentes Bild zu behalten und schneller Entscheidungen zu treffen.
Studien zeigen, dass unsere individuellen Unterschiede viel größer sind als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf Gruppenebene. Kein Individuum spiegelt 1:1 alle männlichen oder weiblichen Stereotypen wider. Unser Geschlecht bestimmt nicht unsere Gehirnstruktur oder welche Tätigkeiten wir gut ausführen können. Menschen sind viel komplizierter - und das ist gut so.
Deswegen lauten meine Tipps, wie Sie ein buntgefächertes Team gemäß dem Design-Thinking-Ansatz zusammenstellen sollten:
Setzen Sie also ein heterogenes Team nicht aufgrund des Geschlechts, sondern aufgrund der Stärken der einzelnen Personen zusammen.
Suchen Sie ruhig bewusst nach "männlichen" und "weiblichen" Eigenschaften, aber nicht automatisch nach Geschlecht.
Wenn Sie bestimmte Eigenschaften in Ihrem Team benötigen, halten Sie Ausschau nach Menschen, die die entsprechenden Erfahrungen in Ihrem Leben gemacht haben.
Wenn Sie diese Punkte bei der Wahl Ihrer Teammitglieder beachten, haben Sie schon viel gewonnen.