Menschen haben eine komplizierte Beziehung zu Veränderungen. Zwar sind Veränderungen ein unvermeidlicher Teil des Lebens und für das Wachstum unerlässlich, dennoch sind sie in den meisten Fällen unangenehm, weil sie uns zwingen das Gewohnte und Bequeme zu verlassen. Noch unangenehmer sind diese Veränderungen, wenn sie sich anfühlen, als wären sie unfreiwillig aufgezwungen oder außerhalb unserer Kontrolle passiert.
Dieser Zustand, wenn Sie sich zwischen zwei Übergängen befinden, nennen Psychologen „Liminalität“. Damit wird eine Situation beschrieben, in der Sie sich nicht mehr in dem Zustand befinden, den Sie verlassen haben, noch vollständig in Ihrem neuen Zustand angekommen sind. Automatisch führt Sie das zu der Frage „Wer bin ich“ – und das kann das emotionale Gleichgewicht ganz schön aus der Fassung bringen.
Plötzliche Veränderungen fühlen sich wie eine unnatürliche Unterbrechung des Lebens an, tatsächlich aber sind sie ein vorhersehbarer und wichtiger Bestandteil davon. Auch wenn jede Veränderung plötzlich und vollkommen unerwartet wirkt, ist das ganze Leben im Grunde eine Kette aneinandergereihter Veränderungen. Studien zeigen, dass jeder Mensch im Durchschnitt alle 12 bis 18 Monate eine große Veränderung in seinem Leben erfährt. Riesige Veränderungen passieren drei- bis fünfmal im Leben eines jeden Menschen. Einige davon sind freudiger Natur, wie z.B. die Geburt eines Kindes, andere sind unfreiwillig und erschreckend, wie eine lebensbedrohliche Krankheit oder plötzliche Arbeitslosigkeit. Solche Ereignisse führen zu Gefühlen wie Wut, Frustration oder Hoffnungslosigkeit ob der aktuellen Situation. Diese Gefühle sind real und sehr unangenehm, aber Sie können Ihnen auch Kraft geben, denn Sie zeigen Ihnen den Grund und damit auch den Ausweg aus der Situation. Dazu müssen Sie Veränderungen in Ihrem Leben als Teil der Reise akzeptieren und Ihre neue Identität annehmen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan - das ist mir durchaus bewusst. Aber ich weiß - auch aus eigener Erfahrung - dass es möglich ist.
Zunächst aber eine gute Nachricht: Im Nachhinein werden schwierige und ungewollte Veränderungen immer anders gesehen als in Echtzeit. Untersuchungen zeigen, dass wir dazu neigen, vergangene Ereignisse – sogar unerwünschte – im Laufe der Zeit positiver zu bewerten, als sie es tatsächlich waren. Obwohl unser Gehirn dazu neigt, sich in der Gegenwart auf negative Emotionen zu konzentrieren, verblassen unangenehme Gefühle im Laufe der Jahre mehr als die einst angenehmen Gefühle, ein Phänomen, das als „Fading-Affect Bias“ bekannt ist. Das bedeutet, dass fast jede Veränderung – selbst die schwierigste – immer etwas Positives an sich hat. Es dauert nur manches Mal vielleicht etwas länger, um das zu erkennen.
Schwierige, schmerzhafte Veränderungen können uns dabei helfen, unseren Sinn im Leben besser zu verstehen. Untersuchungen darüber, wie Menschen ein Gefühl von Sinn entwickeln, haben herausgefunden, dass uns Zeiten des Schmerzes zwar vorübergehend unglücklich machen, uns aber auch das Gefühl geben, dass unser Leben mehr Sinn hat. Der Psychologe Baumeister argumentiert, dass ein Sinngefühl, das durch Veränderung gewonnen wird, sogar unser restliches Leben stabiler erscheinen lässt.
Zwei Ideen, wie Sie Veränderungen leichter annehmen können
1. Definieren Sie einen besonderen Moment
Auch wenn wir kognitiv wissen, dass sich unsere Situation geändert hat, kann es tatsächlich schwierig sein, diese Veränderung auch umzusetzen. Was Ihnen dabei aber helfen kann, ist, wenn Sie einen Wendepunkt erleben, der Sie dazu gebracht hat, die Veränderungen anzunehmen. Bei vielen Menschen ist es zum Beispiel die Geburt eines Kindes, das Ihnen hilft, eine neue Identität zu entwickeln. Bei mir persönlich war es zum Beispiel der Moment, als ich in den OP-Saal zu einer lebensrettenden Operation gebracht wurde, in dem ich entschied, dass es der Moment, in dem ich aufwachte, sein würde, der meine Wiedergeburt symbolisiert.
Dabei ist es gar nicht wichtig, welches Ereignis Sie zu diesem Wendepunkt auswählen. Vielmehr stellt es einen symbolischen Akt dar, der das Ende eines Kapitels in Ihrem Leben zeigt und ein neues Kapitel einläutet. Wenn Sie einen bestimmten Moment als Trennung zwischen Vergangenheit und Gegenwart bestimmen, kann Ihnen das helfen, sich von dem Teil zu befreien, der für Ihr jetziges Leben nicht mehr relevant oder gar hilfreich ist.
2. Entwickeln Sie eine Geschichte, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet
Natürlich verschwindet mit einem solchen Bruch nicht einfach Ihre Vergangenheit – und das sollte sie auch nicht. Ihre Vergangenheit ist ein Teil von Ihnen und sie kann nur dann wirklich wirksam werden, wenn Sie sich mit Ihrer Vergangenheit aussöhnen und die Gegenwart mit Ihren Werten verbinden. Es geht nicht darum, dass Sie Negatives verdrängen, es ist sogar erforderlich, dass Sie auch die schwierigen Gefühle wirklich anerkennen und annehmen.
Im Rahmen einer Beratung habe ich Gespräche rund um das Thema Zufriedenheit geführt. Dabei habe ich mit einem Einwanderer gesprochen, der seinen Beruf als Arzt aufgeben und als Taxifahrer arbeiten musste. Als er mir davon erzählte, sprach er davon, wie glücklich er nun ist, wenn er sieht, welche Chancen seine Kinder nun haben und dass er deswegen bereit war, ihr Leben auf Kosten seines aufzubauen. Ein anderer erzählte mir, dass ihn erst Dunkelheit zum Licht führte. Er brauchte die frühere Identität mit all den Schmerzen, um überhaupt neue und vielversprechende Wege zu erkennen und seine Geschichte neu zu schreiben.
Veränderungen im Leben sind oft schmerzhaft und nie einfach - egal, ob Sie sich beruflich verändern oder eine große Lebensveränderung durchmachen. eine vergangene Identität loszulassen. Aber unkontrolliert kann diese Lähmung Ihnen schaden. Um nicht stecken zu bleiben, müssen wir die aktuelle Identität, unser vergangenes Selbst und alles dazwischen anerkennen und annehmen. Und so schwer diese Veränderungen auch sein mögen, wir machen die Dinge nur noch schwieriger – und riskieren, die Vorteile und Lektionen zu versäumen, die sie bringen können – wenn wir gegen sie arbeiten, statt mit ihnen.