Welche dieser 3 Ausstiegsstrategien nutzen Sie?

Gute Gespräche sind Seelenbalsam. Sie können zur größten Befriedigung im Leben werden. Sie sind eine Quelle des Wissens, Lernens und Weiterentwickelns. In meiner Arbeit verbringe ich einen Großteil der Zeit damit, anderen zuzuhören, um dadurch die aktuelle Situation in ihrer Ganzheit besser zu verstehen. Dabei treffe ich oft auf Konversationsnarzissten oder auf Menschen, die es lieben, immer wieder dieselben Geschichten in der Dauerschleife abzuspulen. Nur wie entkommen wir solchen Gesprächen ohne unhöflich sein zu müssen?

Vielleicht haben Sie auch den einen Nachbarn, der Sie kaum erblickt richtiggehend niederquatscht. Oder Sie kommen bei einem Netzwerktreffen nicht dazu, andere Menschen kennenzulernen, weil Sie die meiste Zeit von einem Kollegen festgehalten werden. Eine Möglichkeit, sich aus solchen Gesprächen zu lösen, besteht darin, sich gleich zu Beginn einer Veranstaltung zwei Gläser zu schnappen und diese als Ausrede für schlechte Gespräche zu nutzen, indem Sie darauf verweisen, dass jemand auf Sie wartet. Das funktioniert aber nur bei Events mit Büffets, nicht aber im Büro, Zuhause oder auf der Straße. Wie kommen Sie aus solchen Gesprächen raus, wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, zwei Gläser mal so mitzuschleppen? Oder wenn das Gespräch zwar nett ist, Sie aber keine Zeit haben, weiter müssen oder einfach nicht daran interessiert sind, was die andere Person zu sagen hat?

Gleich zu Beginn: Die Zauberformel für einen funktionierenden Gesprächsausstieg kenne ich leider nicht. Es wird immer wieder vorkommen, dass es Ihr Gegenüber trotz aller Mühe persönlich nimmt, wenn Sie weiter müssen. Ein Gespräch elegant zu beenden ist eben nicht einfach. Sie können natürlich einfach Bescheid geben, wenn Ihrer Meinung nach das Gespräch vorbei ist und dann abrauschen. Aber als soziale Wesen folgen die meisten lieber den Regeln der Gesellschaft. Wir sind lieber höflich und erdulden so manche Qual, als dass wir direkt und offen den anderen sagen, was wir eigentlich denken oder wollen.

Hier sind 3 Ausstiegsstrategien, mit denen Sie leichter aus einem Gespräch aussteigen:

1. Generell

  • Egal, ob Sie auf dem Weg zur Toilette sind, ein Netzwerktreffen besuchen oder jemanden vor einem Meeting abpassen wollen: Seien Sie sich bewusst, was Ihr Ziel war, bevor Sie Ihrem Gesprächspartner über den Weg gelaufen sind. Wollten Sie Ihre Blase leeren? Oder sich mit möglichst vielen Menschen austauschen? Rennt Ihnen die Zeit davon? Wenn Sie daran denken, was Sie eigentlich tun wollten, fällt es Ihnen um ein Vielfaches leichter, das Gespräch zu beenden und Ihr Ziel zu verfolgen.

  • Auch wenn es verlockend ist – eine Ausrede, die im Moment vielleicht sogar funktioniert, kann sich nachher bitter rächen. Wenn Sie sich darauf fokussieren, warum Sie das Gespräch beenden wollen, – denken Sie nur an Ihre volle Blase – wirken Sie automatisch auch willensstärker. Wenn Sie diesen Grund auch noch nennen, wird Ihr Gesprächspartner gar nicht auf die Idee kommen, dass Ihre kurze Angebundenheit mit ihm/ihr zusammenhängen könnte: „Ich muss noch schnell auf die Toilette, bevor das nächste Meeting startet.“ oder „Ich muss noch kurz mit einem Kollegen sprechen, bevor er nachhause geht.“ oder „Ich muss zurück zur Arbeit, weil ich eine Frist einhalten muss.“ oder „Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, heute Abend drei neue Leute kennenzulernen.“

Schließen Sie Gespräche immer mit Wertschätzung ab: Fassen Sie das Gespräch kurz zusammen und danken Sie der Person für deren Zeit oder dass sie ihr Wissen mit Ihnen geteilt hat. Seien Sie aber aufrichtig und sagen Sie das nur, wenn Sie es auch wirklich so meinen. Indem Sie dazu noch den Namen der Person nennen, bauen Sie gleichzeitig Rapport auf. Ein solcher Abschied hinterlässt auf beiden Seiten angenehme Gefühle. Ein Beispiel: „Es war wirklich nett, dich nach all der langen Zeit wiederzusehen, Stefan. Es hat Spaß gemacht sich an die alten Zeiten zu erinnern.” oder „Vielen Dank, Daniela, dass du mir das gesagt hast. Ich werde mich so schnell wie möglich darum kümmern.”

2. Verbale Ausstiege

  • Warten Sie auf eine Pause im Gespräch: Ein Gespräch, das ins Stocken oder zu einem Ende kommt, verrät sich durch Aussagen wie „Jaja“, „Wie auch immer“, „Naja, so ist es eben“. Diese Einschübe sind Wendepunkte, an denen entweder ein neues Thema eingeführt oder ein Gespräch beendet werden kann. Sie sind also perfekte Chancen, sich zurückzuziehen.

  • Nutzen Sie Wortmelodien: Mit einem nach oben gerichteten „Also?“ will ein Sprecher das Gespräch fortführen. Wenn Sie aber das Gespräch beenden wollen, dann wiederholen Sie dieses „Also” mit einer tieferen Stimmlage und einer gewissen Endgültigkeit und fügen Sie noch den Satz hinzu „Es war toll dich zu sehen, aber ich muss jetzt leider weiter“.

  • Führen Sie das Gespräch zu dem Grund hin, warum Sie eigentlich zu sprechen begonnen haben. Wenn Sie zum Beispiel jemanden um dessen Meinung gebeten haben, können Sie das Gespräch beenden mit: „Danke für den Tipp, ich werde das auf jeden Fall versuchen.“ Sie können auch direkt den Grund nennen: „Ich wollte nur hören, ob du etwas kennst, das mir helfen könnte.” oder „Ich wollte nur wissen, ob es dir gut geht/wie es im Projekt läuft.“. Die Verwendung der Vergangenheitsform in diesen Sätzen verdeutlich nochmals, dass das Gespräch für Sie beendet und Ihre Mission erfüllt ist.

  • Wenn die andere Person das Gespräch initiiert und um Hilfe gebeten hat, schließen Sie die Sache mit der Frage ab wie „Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?“ oder „Gibt es noch etwas, das du brauchst?”

Vermeiden Sie Sätze wie „Wie auch immer, ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten.“ oder „Ich will dich nicht aufhalten.“ Sagen Sie solche Sätze nur, wenn Sie wirklich das Gefühl haben, dass der andere es eilig hat oder wenn das Gespräch stockt. Ansonsten kann es schnell herablassend wirken. Und Sie laufen auch Gefahr, dass die andere Person sagt „Oh, nein, das passt schon.“. So wird der Ausstieg erst richtig zur Herausforderung.

3. Nonverbale Ausstiege

Unser Gehirn nimmt unbewusst jeden nonverbalen Hinweis auf. Wenn Sie Ihren Gesprächspartner körperlich Zeichen eines baldigen Endes schicken, kann sein Gehirn sich darauf vorbereiten. Untersuchungen zeigen, dass wir nonverbale Hinweise bis zu 12x wichtiger nehmen als verbale Aussagen. Mit anderen Worten, wir glauben der Körpersprache mehr als dem gesprochenen Wort.

  • Drehen Sie den Kopf weit zur Seite drehen, treten Sie einen Schritt zurück oder lehnen sich in ihrem Stuhl zurück.

  • Zeigen Sie mit den Zehen nach außen oder drehen Sie Ihren gesamten Körper leicht nach außen, sodass Sie sich in einem Winkel von 90 Grad zu der Person befinden.

  • Drehen Sie Ihren Kopf leicht in Richtung Tür oder zum Tisch, während Sie sprechen. Halten Sie aber trotzdem dabei den Augenkontakt aufrecht (dadurch wirken Sie nicht unhöflich).

Mit all diesen Strategien bauen Sie eine körperliche Distanz auf, die deutlich macht, dass Sie das Gespräch zu einem Abschluss kommen lassen möchten.

Studien zeigen, dass Menschen sich vor allem an den Einstieg und den Ausstieg einer Konversation erinnern. Schuld daran ist der sogenannte Primär-Rezenz-Effekt, ein Phänomen, bei dem wir uns die Informationen, die zu Beginn (Primäreffekt) und gegen Ende (Rezenzeffekt) erhalten, besser merken. Die oben genannten Strategien helfen Ihnen, weniger unbeholfen zu wirken und verletzten Gefühlen vorzubeugen.

Trotzdem ist es manches Mal einfach das Beste, wenn Sie selbstbewusst das Gespräch beenden, indem Sie das so auch sagen und gehen. Denn Zeit ist die wichtigste Ressource in unserem Leben. Zeit ist etwas, das Sie niemals zurückbekommen, wenn es einmal weg ist, und es ist das einzige, was Sie nicht stoppen oder ändern können. Verschwenden Sie sie nicht.

Wie auch immer. Es war jedenfalls sehr nett, mit Ihnen zu plaudern.