Eine Situation, die Ihnen vielleicht bekannt vorkommt: Sie starten voller Tatendrang mit irgendeinem Projekt oder einer Aufgabe und stoppen plötzlich, weil Sie mitten während dem Tun das Gefühl haben, dass das eine ganz blöde Idee ist. Wann immer ich mit Menschen über deren Ideen spreche, zieren sie sich, diese auszusprechen. Beim Nachhaken kommt dann als Antwort, dass sie das Gefühl hätten, Ihre Gedanken wären unkreativ, vielleicht sogar veraltet aber mit Sicherheit langweilig. Woher kommt das eigentlich?
In dem Moment der Pause, des kurzen Innehaltens und des Zurücktretens, passiert etwas in unserem Hirn. Plötzlich läuft ein Film ab, der uns die möglichen Horrorszenarien in den buntesten Großaufnahmen zeigt. Manche nennen ihn den „Auftritt des Reptilienhirns“.
Das Reptilienhirn
Der Kern dieses Gedankens ist folgender: Es gibt einen Teil unseres Gehirns, der uns einen Impuls sendet wegzulaufen, wann immer wir mit etwas Neuem konfrontiert sind, das anders oder herausfordernd ist. Das Reptilienhirn besteht - ganz grob - aus dem Basalganglien (Striatum) und dem Hirnstamm. Es ist mit den primitiven Trieben verbunden, die im Zusammenhang mit Durst, Hunger, Sexualität und Territorialität, sowie Gewohnheiten und prozeduralen Gedächtnis stehen.
Wenn wir nun eine Idee haben oder ein Projekt starten, aber nur eine Sekunde zu lang darüber nachdenken, was wir tatsächlich tun, schaltet sich dieser Teil des Hirns ein. Wie auf Knopfdruck vermittelt er uns, dass Gefahr besteht zu scheitern, da die Idee im Vergleich zu anderen verblasst oder einfach nur schlecht ist. Wir könnten uns blamieren und so einer möglichen Gefahr aussetzen.
Was dann passiert ist, dass wir unsere eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten in Frage stellen. Dieses Gefühl kennt jeder, egal, ob Sie sich selbst als kreativ oder unkreativ bezeichnen. Irgendwann kommen Sie einfach an die eine Stelle, wo Sie dann denken „Das ist Unsinn." oder „Ich kann das einfach nicht." und wütend über sich selbst werden.
In jedem steckt ein kreativer Macher
Es ist wichtig, diese Momente zu kennen und als solche zu identifizieren, denn was wir als nächstes tun, ist das, was uns als wahre Kreative und Macher auszeichnet: Vielen verfallen der Versuchung auf diese Stimme zu hören und aufzuhören, sobald das Gefühl entsteht, nicht kreativ zu sein. Sie geben dann deprimiert auf, stellen die Idee auf die Seite und schalten lieber den Fernseher ein oder surfen im Internet oder beschäftigen sich mit irgendwas, das jemand anderer entwickelt hat. Das ist einfach der leichtere Weg, als wenn Sie den eigenen inneren Schweinehund herausfordern und einfach mal ausprobieren, was passiert, wenn Sie die Idee weiterdenken.
Wenn Sie aber dranbleiben, die Angst zur Seite schieben und trotzdem einfach nur tun, lohnen sich Ihre Bemühungen mit Sicherheit! Denn auch wenn die Idee nachher vielleicht wirklich nicht die originellste ist, auch wenn Sie niemand dafür lobt, auch wenn Sie tatsächlich scheitern sollten - Sie haben nicht aufgegeben und können zumindest daraus lernen.
Was Kreativität für mich bedeutet
Denn kreativ zu sein bedeutet nicht, die beste, weltverändernde Idee zu haben, oder die Art von Arbeit zu leisten, die noch Jahrzehnte danach von unzähligen Menschen hoch gelobt wird. Kreativ zu sein bedeutet, Ideen zu haben, dabei Angst zu haben, dass wir versagen könnten oder dass wir keine Ahnung haben, was wir eigentlich tun - und es trotzdem tun.
Lassen Sie sich nicht von Ihrem Reptilienhirn aufhalten. Widerstehen Sie der Versuchung, ein neues Projekt zu starten oder sich selbst als unkreativste Person zu betiteln. Schütteln Sie diese Gedanken ab und tun Sie es trotzdem. Denn genau das macht letztlich wirkliche Kreativität aus.