Überbewerten Sie die Situation vielleicht?

Die Pandemie verlangt uns allen viel an Kraft ab. Wann immer gesagt wird, dass wir zu unserem eigenen und dem Wohl anderer nicht mehr die eigenen vier Wände verlassen sollen, geht ein Raunen durch die Menge: „Nicht wirklich!”, „Das ist doch nicht deren Ernst?“, „Nicht noch einmal!“. Unweigerlich rufen die Menschen „Wir wollen das nicht!“. Die Antwort auf all diese Ausrufe kommt schnell und ist simpel „Ob Ihr es wollt oder nicht, da müsst Ihr durch.“.

Zum Leben gehören immer auch Zeiten dazu, in denen es einfach nicht gut läuft. Diese Tatsache zu akzeptieren und trotzdem nicht aufzugeben oder gar zu verzweifeln, ist eine wichtige Fähigkeit, die Sie erlernen können. Im Grunde geht es darum, Distanz zu den Emotionen herzustellen und sich so von den eigenen Erwartungen an die Realität zu lösen.

Sie können viel Zeit und Energie damit verbringen in Dauerschleife zu wiederholen, dass Sie nicht mehr nur Zuhause sitzen wollen - oder Sie suchen sich bewusst ein angenehmes Plätzchen und starten mit einer Tätigkeit. Wenn Sie sich z.B. einen Kaffee holen und das Buch zur Hand nehmen, das Sie schon ewig mal lesen wollten, ist es vielleicht gar nicht mehr so schlimm. Sie können gar nicht wissen, wie mühsam oder schlecht eine Erfahrung sein wird, solange Sie nicht damit begonnen haben.

Ich meine damit nicht, dass Sie sich von der Realität trennen oder die Emotionen ignorieren sollen. Im Gegenteil. Erst wenn Sie im Moment sind und Ihre Gefühle als die anerkennen, die es sind, wird es einfacher. Denn dann können Sie über das hinausgehen, was dieser Moment bringt – unabhängig davon, wie Sie sich dabei fühlen.

Sich von den Erwartungen loszulösen hilft uns dabei, auch den schlimmsten Tag durchzustehen. Viel zu oft bewerten wir die Dinge noch bevor sie passiert sind. Vor allem bewerten wir Dinge von Anfang an negativ, von denen wir wissen, dass wir da durch müssen – ob wir es wollen oder nicht, wie zum Beispiel einen Lockdown.

Letztens habe ich nach langer Zeit wieder eine Geschichte aus dem Zen gelesen. Ich möchte Sie gerne an dieser Stelle mit Ihnen teilen, denn sie bringt die Idee gut auf den Punkt.

Ein Bauer hatte ein Pferd, aber eines Tages lief es fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: „Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!“. Aber der Bauer antwortete: „Man wird sehen.”. Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. „So ein Glück!“, riefen die Nachbarn. Aber der Bauer sagte nur „Man wird sehen.“. Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, die wilden Pferde einzureiten. Dabei wurde er aber abgeworfen und brach sich ein Bein. „Oh, so ein Pech!“, sagten die Nachbarn, aber der Bauer antwortete wieder „Man wird sehen.“. Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zurück. „Was für ein Glück!“, freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur „Man wird sehen.“.
— Geschichte aus dem Zen

Der Kern der Geschichte ist, dass wir oft die wahren Ursachen und Auswirkungen von Ereignissen erst viel später erkennen können. Trotzdem verbringen wir viel Zeit damit, in den Ereignissen aufzugehen und auf diese mit Sorgen oder mit Freuden zu reagieren. Dabei kennen wir die eigentlichen Auswirkungen in diesen Momenten noch gar nicht. So kann es im Moment wirklich schlimm sein, wenn Sie das Haus nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen verlassen dürfen. Aber genau das kann auch das Beste sein, was Ihnen jemals passiert ist, weil Sie deswegen etwas anders gemacht haben.

Oder anders gesagt: Der Fluch von heute kann das Glück von morgen sein - und umgekehrt. Beurteilen Sie die Dinge nie zu früh.

Natürlich bringt Ihnen dieser Abstand zu den eigenen Erwartungen nicht automatisch Zufriedenheit und Glück. Aber das Loslösen von Ereignissen kann eine hilfreiche Fähigkeit sein, wenn Sie es dadurch schaffen, trotz allem weiterzumachen in der Hoffnung, dass es zu Ihrem Besten passiert.

Wir können nun viel Zeit und Energie darauf verschwenden, zu lamentieren und zu wiederholen, dass wir etwas nicht wollen. Oder wir können damit anfangen, einfach loszulegen und weiterzumachen.

Meistens ist das Beste, das wir in Situationen, in denen nicht alles rund läuft, tun können, den Tag zu überstehen. Sie können sich sagen, dass Sie heute das Beste geben, das Sie können – und das reicht schon. Wenn wir die Situation bewerten, noch bevor wir uns auf sie eingelassen haben, nehmen wir nur der Erfahrung die Chance uns zu begeistern, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Ein paar Tipps, wie Sie schnell glücklicher werden, gebe ich Ihnen in diesem Video mit.