Feedback ist ein wesentlicher Teil im Lernprozess. Wenn Sie besser werden wollen, ist es wichtig, über die eigenen blinden Flecke hinwegzusehen und sich aus der Komfortzone hinauszubewegen. Deswegen sollten Sie sich prinzipiell darüber freuen, wenn jemand zu Ihnen sagt „Darf ich Ihnen Feedback geben?“.
Ich habe allerdings diese Frage früher gehasst. Der Grund war, dass ich einen Chef hatte, der eigentlich damit meinte: „Haben Sie Zeit für mich, damit ich Ihnen sagen kann, was Sie alles falsch gemacht haben?“ Feedback zu geben war für ihn gleichgesetzt mit Kritik. Wenn sich ein neuer Mitarbeitender zu Beginn beschwert hat, dass die Arbeit nie kommentiert wurde, lautete der Running Gag „Sehr gut! Du machst also scheinbar alles richtig.“
Im Gegensatz zu dem, wie sich dieser Chef verhielt, ist Feedback und Kritik nicht dasselbe. Während Kritik die Menschen selten motiviert oder sie inspiriert, unterstützt konstruktives Feedback das Wachstum und die Entwicklung. Allerdings auch nur dann, wenn es so vorgetragen wird, dass der Empfänger es auch annehmen und umsetzen kann.
Die Art und Weise, wie die meisten Menschen Feedback geben, ist nicht sehr hilfreich. Entweder wird das Feedback zu indirekt und verschleiert aufbereitet, dass das Gegenüber es als solches nicht einmal erkennt oder das Feedback wird zu direkt vorgetragen und aktiviert dadurch den Gegenspieler im Empfänger.
Dabei müssen Feedbackgespräche nicht schwer sein. Wenn Sie Ihr eigenes Verhalten und Ihre Einstellung anpassen und bewusst überlegen, wie Sie Feedback vortragen, erhöhen Sie erheblich die Chancen und führen produktive Gespräche, die Beziehungen nicht beschädigen und echte Leistungssteigerungen in anderen bewirken.
Der gängige Rat, wenn es um Feedback geben geht, lautet nach wie vor: Sag der Person zuerst etwas Gutes, dann sprich das an, was du eigentlich kritisieren möchtest, und ende mit einer anderen positiven Sache. Klingt doch ganz logisch und einfach, oder? In der Theorie ja. Aber in der Praxis ergeben sich dabei gleich mehrere Herausforderungen:
1. Das Positive geht unter: Wenn Menschen etwas Positives hören, warten sie immer auf das berühmte „Aber“. Das Lob wirkt schal und nicht aufrichtig. Es steigt vielmehr nur die Skepsis und die Glaubwürdigkeit gegenüber dem Feedbackgeber sinkt. Denn die Menschen erwarten, dass der eigentliche Schlag erst kommt und nehmen deswegen das Gesagte gar nicht wahr.
2. Nährboden für Denkfehler: Die Forschung zeigt, dass Menschen sich daran erinnern, was in einem Gespräch als erstes und als letztes passiert ist – der Mittelteil wird einfach beschönigt (Primär-Effekt). Wenn Sie mit positivem Feedback beginnen und enden, ist es sehr leicht, dass die Kritik in der Mitte als solche abgewertet oder verschönert wird.
Das Feedback-Sandwich hilft dem Feedbackgeber dabei, dass er/sie sich besser fühlt, aber es hilft dem Empfänger nicht weiter. Selbst wenn die Absichten gut sind und niemand gerne die Gefühle anderer verletzt, wirkt diese Art des Feedbackgebens noch dazu meist herablassend.
Das muss aber nicht so sein. Es gibt großartige Feedbackgeber, die verstehen, schwierige Botschaften gut zu transportieren. Im Folgenden beschreibe ich Ihnen vier Schritte, die ich gerne einsetze:
1. Erklären Sie, warum Sie Feedback geben
Versuchen Sie gleich zu Beginn so etwas zu sagen wie „Haben Sie ein paar Minuten Zeit? Ich würde Ihnen gerne Feedback geben. Ich habe sehr hohe Erwartungen an Sie und ich bin mir sicher, dass Sie sie erreichen können.“ Anstatt sich angegriffen zu fühlen, bekommt das Gegenüber das Gefühl, dass Sie hinter ihr stehen und an deren persönliche Zukunft glauben. Menschen sind offen für Feedback und Änderungsideen, wenn sie davon ausgehen können, dass sie ihnen helfen. Außerdem wird durch diese Einleitung das Gehirn darauf vorbereitet, dass tatsächlich Feedback folgt. Wenn Sie bereits aufgrund dieser Frage ein Ja erhalten, haben Sie nicht nur die Erlaubnis bekommen, sondern auch die Neugierde im anderen geweckt. Alleine durch diesen Satz geben Sie der Person das Gefühl selbst entscheiden zu können.
2. Sagen Sie genau das, was Sie gesehen und gehört haben
Benennen Sie genau, was Sie tatsächlich gesehen oder gehört haben. Streichen Sie alle Wörter weg, die nicht objektiv sind. Menschen geben verschiedenen Worten unterschiedliche Bedeutungen. So macht es einen Unterschied, ob Sie sagen „Sie sind nicht zuverlässig“ oder „Sie sagten, dass ich noch an diesem Tag eine E-Mail dazu bekommen würde, aber ich habe sie noch immer nicht erhalten.“ Auch bei positivem Feedback hilft es genau zu sein und zu spezifizieren, was die andere Person vermehren oder verringern kann.
3. Erzählen Sie von den Auswirkungen
Denken Sie an die Wirkungsaussage. Das bedeutet, dass Sie erklären, wie sich das Verhalten auf Sie persönlich bzw. Ihre Arbeit ausgewirkt hat. Sie könnten zum Beispiel sagen: „Weil ich die E-Mail nicht bekommen habe, konnte ich dem Kunden nicht Bescheid geben.“ Oder „Ihre Vorleistung hat mir geholfen, den Kunden vom Konzept zu überzeugen.“ Eine solche Aussage stellt zwischen den einzelnen Punkten eine Beziehung und einen Zusammenhang her.
4. Schließen Sie mit einer Frage
Großartige Feedbackgeber schließen ihre Feedback-Nachricht mit einer Frage. Sie sagen etwas wie: „Nun, wie sehen Sie das?“ Solche Fragen helfen dabei, dass aus einem Monolog ein Dialog mit einer gemeinsamen Problemlösungssituation wird.
Es ist an der Zeit, das Feedback-Sandwich von der Speisekarte zu nehmen und endlich mal aufrichtig zu sein. Der Psychologe James Comer sagte so treffend „Echtes Lernen findet nur dort statt, wo eine echte Verbindung besteht.“ Feedback ist Lernen und darf ruhig auf beiden Seiten Freude machen. Wie stark wäre unsere Welt, wenn sie voller Menschen wäre, die keine Angst hätten, Risiken einzugehen, keine Angst, selbständig zu denken und die sich freuen von und mit anderen durch Feedback zu lernen?