„Das Leben auf dem Mississippi hat mich gelehrt, wie man schnell und genau denken muss, wie man klare Entscheidungen trifft und wie man auf Gefahren reagiert. Es hat mich gelehrt, dass die besten Dinge im Leben hart erarbeitet werden müssen, und dass es nichts gibt, was man nicht erreichen kann, wenn man hart genug arbeitet und an sich selbst glaubt.“ In seiner Erzählung „Das Leben auf dem Mississippi“ beschreibt Mark Twain seine Erfahrungen als Lotse auf einem Dampfschiff.
Obwohl er von der Gefährlichkeit dieser Arbeit wusste, war Twain von der Herausforderung, die der Fluss und seine zahlreichen Untiefen boten, zu sehr fasziniert, um sie auszuschlagen. Durch das Navigieren auf dem Fluss lernte er, wie er die Gefahren des Wassers erkennt und im richtigen Augenblick einlenkt. Diese Erlebnisse halfen ihm im späteren Leben, schnell Entscheidungen zu treffen und seine Kreativität zu nutzen.
Diese Geschichte hält ein paar Lektionen für uns alle bereit, denn Risiken einzugehen ist Teil des täglichen Lebens. Sei es die unvorbereitete Präsentation vor dem Kunden, die Autofahrt mit der betagten Tante oder die Entscheidung für das Sushi an der Tankstelle. Es ist wichtig und auch notwendig, sich selbst immer wieder ein wenig Gefahr auszusetzen.
Wenn Sie sich lebendiger fühlen, Ihren Mut steigern oder einfach aus Ihrer Komfortzone treten möchten, könnte genau das die Lösung sein. Vielleicht ist es für Sie der Weg in die Selbstständigkeit, als Erstes „Ich liebe dich“ zu sagen oder in eine neue Stadt zu ziehen. Was auch immer es ist, das Risiko, das Sie bewusst und mit Absicht eingehen, kann sich magisch auf Ihr gesamtes Leben auswirken.
Wissenschaftler, die Praktizierende gefährlicher Sportarten wie Drachenfliegen und Wildwasserkajakfahren befragten, fanden heraus, dass Extremsportler ihre gewählte Sportart nicht nur des Nervenkitzels wegen ausübten, sondern um persönliche Ziele zu erreichen, Freundschaften zu stärken und ihre Ängste zu überwinden. Bei diesen Aktivitäten traten sie in einen „Flow-Zustand“ ein, dem Zustand, in dem Sie vollständig in eine Sache eintauchen und alles um sich herum vergessen.
Manches Mal kann das Eingehen von Risiken aber eine schlechte Idee sein. Menschen, die normale Aktivitäten als zu wenig stimulierend empfinden, suchen beispielsweise gefährliche Freizeitbeschäftigungen als Quelle stärkerer Empfindungen, auch auf die Gefahr hin, ihr Leben dabei zu gefährden. Diese sogenannten „High-Sensation-Seeker“ zeigen im Gehirnscan eine geringe Amygdala-Reaktivität, was bedeutet, dass ihre Kampf-oder-Flucht-Reaktion gedämpft ist. Sie weisen auch abgestumpfte Stressreaktionen auf und unterschätzen die Wahrscheinlichkeit schlechter Einschätzungen. Menschen mit geringer Amygdala-Aktivität springen Studien zufolge nicht nur häufiger als andere aus Flugzeugen oder ärgern gefährliche Tiere, sie nehmen auch viel eher schädliche Substanzen ein.
In der Wissenschaft wird zwischen zwei verschiedenen Kategorien von Menschen unterschieden, wenn es um das Eingehen von Risiken geht: Die Mutigen, die aus Wachstumsgründen Risiken eingehen, und die, die Risiken für den gewissen Kick suchen. Mutige Menschen haben laut Gehirnscans ein durchschnittliches limbisches System. Sie empfinden bei Gefahren Angst, arbeiten aber daran, diese zu überwinden. Menschen, die leichtsinnig handeln, weisen hingegen eine dysregulierte limbische Aktivität auf, erkennen Gefahren nicht und achten daher nicht auf Risiken. Zweifellos sind viele Leute, die den Kick suchen, indem sie sich extremen Gefahren aussetzen, mutig, aber viele sind einfach nur rücksichtslos.
So sehr manche Menschen das Risiko genießen – ob mutig oder rücksichtslos – das Glück, das sie daraus ziehen, tritt in der Regel erst im Nachhinein ein. Forscher fanden heraus, dass für viele während der Ausübung einer gefährlichen Sache ihre Zufriedenheit während der Aktivität geringer war als davor und danach. Der Nervenkitzel liegt scheinbar mehr darin, etwas Riskantes getan zu haben, als während der Ausführung selbst. Mit anderen Worten, Sie sind vielleicht stolz und glücklich, als Lotse auf dem Dampfschiff angeheuert zu haben, aber während des Sturms hatten Sie vermutlich nur Angst.
Risiken einzugehen hilft Ihnen – richtig gemacht – Ihren Selbstwert zu steigern, macht Sie mutiger, zuversichtlicher und dauerhaft glücklicher. Wenn Sie allerdings leichtsinnig handeln, ist es einfach nur dumm – im schlimmsten Fall könnten Sie dabei verletzt oder sogar getötet werden. Deswegen will ich Ihnen an dieser Stelle ein paar Ideen mitgeben, um in Ihrem Alltag die Magie kleiner Risiken bewusst zu nutzen:
1. Finden Sie Ihr Dampfschiff
Das, was Ihnen objektiv gesehen vielleicht Angst macht, muss für jemand anderen gar keine Herausforderung darstellen. Die Idee, ein Unternehmen zu gründen und sich von einem sicheren Job zu trennen, war für mich selbst eine große Herausforderung, während andere (wie mein Vater) fanden, dass es eine idiotische Idee sei.
Denken Sie über die Dinge nach, die Sie bis dato aufgeschoben haben oder die Sie nicht machen, weil Sie vielleicht zurzeit den Mut nicht aufbringen. Vielleicht ist die Herausforderung körperlicher Natur, wie Bungee-Jumping, oder vielleicht ist sie sozialer oder emotionaler Natur, wie jemandem Ihre Gefühle mitzuteilen oder ernsthaft über einen Jobwechsel nachzudenken. Vielleicht geht es darum, wieder die Schulbank zu drücken oder in eine neue Stadt zu ziehen. Wenn diese eine Sache gleichzeitig möglich, aber auch erschreckend wirkt, ist das ein guter Hinweis, dass Sie das für Sie richtige Risiko gefunden haben.
2. Seien Sie mutig – aber nicht leichtsinnig
Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern der Sieg darüber. Nur: Wie besiegen Sie Ihre Angst? Der erste Schritt besteht darin, sich vorzustellen, wie Sie das tun, was Ihnen Angst macht. Danach überlegen Sie, wie Sie sich fühlen, wenn Sie dieses Risiko eingehen. Diese Vorstellung hilft Ihnen, dass Sie sich an die Idee gewöhnen. Danach fühlen Sie sich ein: In einigen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns so hoch und die Folgen so schlimm, dass die Handlung rücksichtslos wäre. Wenn Sie nicht wissen, wie man Wildwasserkajak fährt, versuchen Sie nicht, als erstes ohne Sicherung mit einem Kajak in die Niagarafälle zu springen. In vielen Fällen wird Ihnen die Visualisierung Ihres persönlichen Dampfschiffs - wie den Job zu wechseln - jedoch zu der Erkenntnis führen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe extrem gering ist.
3. Machen Sie sich einen Plan
Beginnen Sie sich zu informieren, zu planen und sich auf Ihre Herausforderung vorzubereiten. Wenn Sie Ihren Erfolg steigern wollen, indem Sie ein Risiko eingehen, müssen Sie es richtig machen und nicht aus einem Impuls heraus handeln.
Mir persönlich entlockt es keinen Kick mich aus einem Flugzeug zu werfen oder einen Berg zu erklimmen. Körperliche Schäden sind einfach nicht meine Quelle der Angst. Berufliches Scheitern ist das, was mir wirklich Angst macht. Als ich begonnen habe, mich selbstständig zu machen und keine Rückendeckung hatte, fühlte ich mich völlig unsicher und war ängstlich. Aber die Herausforderungen, der Stress und der Nervenkitzel haben mich gestärkt und mir letztlich zu den nächsten Schritten verholfen.