Erfolg vs. Zufriedenheit: Warum uns das Erreichen unserer Ziele oft unzufrieden macht

Das Konzept eines erfolgreichen Lebens sieht natürlich für jeden anders aus. Wir alle befinden uns in verschiedenen Phasen und an bestimmten Orten in unserem Leben. Jeder einzelne von uns hat auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie Erfolg sich zusammensetzt und wie er sich anfühlt. Für einige bedeutet es mehr Geld, mehr Status oder mehr Unabhängigkeit, für andere ist es mehr Freiheit vom alltäglichen Trott, mehr Zeit für die Familie und Freunde oder mehr Freiheit, das zu tun, was man will, anstatt das zu tun, was man tun „muss“.

In all diesen Definitionen versteckt sich aber das Konzept, dass Sie ein Mensch sind, der sich entwickelt, der auf einer Reise ist. Ich glaube fest daran, dass wir alle die Fähigkeit haben, individuell zu gestalten, was wir unter Erfolg verstehen. Wir alle haben unterschiedliche Erwartungen und Wünsche in unserem Leben, aber wenn ich mit Menschen über ihren Erfolg spreche, überwiegt oft der Ärger über Ziele, die nicht erreicht wurden. Es können noch so viele großartige Projekte erfolgreich gelaufen sein, wenn ein Misserfolg passiert ist, wird dieser zum Mittelpunkt und verdrängt alle anderen Erfolge. Die Zufriedenheit verfliegt und der Ärger über all das, was fehlt, was nicht getan oder erreicht wurde, nimmt den ganzen Raum ein.

Laut der Medizin ist der Grund in unserem Gehirn zu finden: Das Belohnungssystem unseres Gehirns, insbesondere der Neurotransmitter Dopamin, treibt uns an, Ziele zu erreichen. Wir werden dafür mit einem richtigen Glückskick belohnt. Nur ist dieses Vergnügen von kurzer Dauer, denn eine Aufgabe unseres Gehirns ist, dafür zu sorgen, dass wir in einem ständigen Gleichgewicht sind. Deswegen werden vor allem extrem emotionale Zustände schnell ausgeglichen.

Das hat allerdings einen Preis: Wir erleben eine Art Leere in uns und die Sehnsucht, diese Erfahrung zu wiederholen, die uns ursprünglich diese Freude bereitet hat. Dieser süchtig machende Kreislauf wirft unser Glücks-Barometer völlig aus dem Gleichgewicht und hindert uns daran, objektiv einzuschätzen, ob das, was wir erreicht haben, tatsächlich zufriedenstellend ist.

Eine Studie unterstreicht dieses Phänomen: Bei der Befragung von erfolgreichen Unternehmern kam heraus, dass mehr als 70% aller Befragten an Depressionen leiden oder mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Mehr noch: Insgesamt war die Wahrscheinlichkeit, an Depressionen zu erkranken, bei Unternehmer, die von anderen als erfolgreich eingeschätzt wurden, um 30% höher als bei anderen Berufsgruppen.

Unersättliche Ziele und der Wunsch nach mehr Geld, Status oder Attraktivität, führt in erster Linie dazu, dass wir uns mit anderen vergleichen. Wir sehen mehr und mehr seelenlose attraktive Körper, statusreiche Jobs oder gefüllte Bankkonten anstatt Menschen. Dieses Phänomen, das in der Fachsprache Objektivierung heißt, führt zu großem Leid. Wir werden zum herzlosen Zuchtmeister unserer Selbst. Wir empfinden uns als nichts mehr als einen Homo oeconomicus, der Liebe, Freude und Glück für einen weiteren Arbeitstag opfert, um ruhelos im Inneren eine positive Antwort auf die Frage „Bin ich erfolgreich?“ sucht und nicht findet.

Unzufriedenheit ist etwas, das wir uns selbst antrainieren. Wir lernen, dass wir unzufrieden aufgrund falscher Messungen unserer Zufriedenheit sind. Wir setzen uns das Ziel, erst dann zufrieden zu sein, wenn wir alle Ziele erreicht oder diese gar übertroffen haben. Unzufriedenheit wird definiert durch das Nichterreichen der Ziele bzw. wenn die Ziele nicht übertroffen werden.

Wenn Unzufriedenheit erlernbar ist, ist es aber Zufriedenheit auch. Anstatt Zufriedenheit als Folge bestimmter Ergebnisse zu sehen und sie den Launen ungesunder Korrelationen mit Dingen wie Geld oder Status zu überlassen, können wir sie als unabhängige Variablen betrachten.

Was wäre, wenn Sie sich selbst sagen „Ich bin zufrieden, weil ich an spannenden Projekten mit großartigen Leuten arbeiten durfte“ oder „Ich bin zufrieden, weil ich Gelegenheit hatte, mit meinen Fähigkeiten anderen zu helfen”? Wenn Sie solche Formulierungen nutzen, verwandelt sich Zufriedenheit zu einer bewussten Entscheidung - und bleibt nicht länger ein launisches Ergebnis.

Wenn Sie in Momenten, in denen Sie eigentlich zufrieden und glücklich sein sollten, zur Unzufriedenheit neigen, nur um dann wieder Entscheidungen zu treffen, die Sie überhaupt erst unzufrieden gemacht haben, sollten Sie Ihre Definition der Zufriedenheit überdenken.

Um zu lernen, wie Sie zufrieden sind, gilt es, zunächst Ihre Zufriedenheit neu zu definieren. Erst dann können Sie identifizieren, welche Maßstäbe für Sie für Erfolg wichtig sind, und wie Sie Erfolg und Zufriedenheit für sich messen können.

Überdenken Sie Ihre Beziehung zu Geld

Viele Menschen streben danach, mehr Geld in ihrem Leben zu haben. Es gibt Studien, die nachweisen, dass Menschen der festen Überzeugung sind, dass sie glücklicher wären, wenn sie mehr Geld hätten. Geld kann sicher ein gewisses Maß an Zufriedenheit bringen. Aber die Sozialwissenschaft hat bereits unzählige Male nachgewiesen, dass Geld am Ende nicht glücklich macht.

Wir müssen aufpassen, dass sich die Beziehung von der Ermöglichung unseres Wohlbefindens nicht zur Definition unseres Wertes verschiebt, denn sonst haben wir das Mittel mit der Bedeutung verwechselt. Wichtiger als wie Sie zu mehr Geld kommen, ist die Frage, welche Bedeutung Sie dem Besitz von mehr Geld beimessen.

Wenn Sie Ihre Beziehung zu Geld hinterfragen wollen, versuchen Sie folgende Fragen für sich zu beantworten:

  • „Was löst meine Angst aus, nicht genug Geld zu haben?“

  • „Vergleiche ich mein Vermögen mit anderen und bin unzufrieden, wenn ich denke, dass andere mehr haben?“

  • „Inwiefern verursacht Geld bei mir Schuldgefühle, Scham oder Unzulänglichkeiten?“

Überprüfen Sie Ihre Beziehung zu Leistung

Das Gefühl, ein hart erkämpftes Ziel erreicht zu haben, ist berauschend. Nur hält diese Hochstimmung selten lange an. Wenn wir zulassen, dass unsere Erfolgsbilanz uns als Mensch definiert und das Erreichen der nächsten Sprosse auf welcher Leiter auch immer wichtige Beziehungen und die Freude an der Arbeit und am Leben in Gefahr bringt, ist unsere Beziehung zur Leistung ungesund.

Um herauszufinden, wie Ihre Beziehung zu Leistung aussieht, beantworten Sie doch mal diese Fragen:

  • „Vernachlässige ich wichtige Beziehungen, um mehr Erfolg zu haben?“

  • „Fühle ich mich desillusioniert oder verärgert, wenn ich ein Ziel nicht erreiche?“

  • „Wann habe ich das letzte Mal ein Gefühl der Freude bei meiner Arbeit verspürt, unabhängig von den Ergebnissen?“

Überprüfen Sie Ihre Beziehung zu Status

Bewunderung von denen, die wir respektieren, fühlt sich großartig an, keine Frage. Die Wertschätzung anderer gibt uns das Gefühl, einzigartig und wertvoll zu sein. Soziale Medien haben dieser Wahrheit aber verdreht, indem sie die sofortige Befriedigung von wahrgenommenem Status bieten. Follower, Klicks und Likes sind zu einem wichtigen Maßstab für unser persönliches Wohlbefinden und Glück geworden. Aber wenn unsere Freude an den Klicks und Likes zu einem unersättlichen Verlangen umschlängt, sind wir in Schwierigkeiten geraten. Wir greifen dann auf immer aufmerksamkeitsheischenderes Verhalten zurück, um noch mehr Bewunderung zu erhalten. Trotzdem hinterfragen wir zeitgleich unseren inneren Wert, ob wir wirklich liebenswert sind über das Bild hinaus, das wir uns von uns selbst geschaffen haben.

Psychologen sind sich einig, dass der soziale Vergleich als Erfolgsmaßstab nur zu Depression und Leere führt. Unsere Fixierung auf den Fortschritt eines anderen hindert uns daran, unseren eigenen nächsten Schritt zu setzen.

Hier sind einige Fragen, die Ihnen dabei helfen können, Ihre Beziehung zu Anerkennung und Status neu zu definieren:

  • „Auf welche Weise suche ich regelmäßig Anerkennung von mir wichtigen Personen?“

  • „Verbringe ich übermäßig viel Zeit in sozialen Medien?“

  • „Stelle ich in Frage, wie sehr ich geliebt werde?“

Der süchtig machende Zyklus von Dopamin-Highs und Entzug kann uns verbittert, ängstlich und traurig machen. Wenn wir dann noch sehen, dass unsere emotionalen Ausdünstungen anderen schaden, fühlen wir uns gleich noch schlechter. Dieses Gefühl der Scham führt zu Isolation und Einsamkeit. Die Verbindung zu anderen ist dann genau das Gegenmittel, das wir brauchen, um zufrieden zu sein. Anstatt sich gegen sich selbst zu wenden oder andere wegzustoßen, haben Sie den Mut, die Hand auszustrecken und um Hilfe zu bitten. Anstatt Verachtung anzuhäufen, schätzen Sie die Familie, Kollegen und Freunde, an die Sie sich wenden können, wenn das Leben nicht nach Plan verläuft. Hier erwartet Sie dauerhafte Zufriedenheit.

Wenn Sie sich nach tiefer, dauerhafter Befriedigung sehnen und bereit sind, aus der Tretmühle auszusteigen, lernen Sie zufrieden zu sein. Wie jede neue Fähigkeit erfordert es eine Reihe an Versuch und Irrtum, harte Arbeit, Mut und Entschlossenheit. Unsere Geschichten über ungesunde Zufriedenheit haben ein Leben der Perfektionierung hinter sich. Dazu kommt, dass wir in einer Welt leben, die uns beibringt, dass wir an den falschen Stellen nach Befriedigung suchen. Aber all das nimmt uns trotzdem nicht die Wahl.