Seit einigen Wochen begleite ich eine CEO, die das Gefühl hat, ihre Instinkte hätten im Laufe der letzten Jahre nachgelassen. Sie hat das Gefühl, dass die jüngeren Kollegen an ihrer Entscheidungskraft und an ihrer Kreativität zweifeln würden. In dem Gespräch kam heraus, dass sie schon seit vielen Jahren nicht mehr glücklich war: Ihre Beziehungen sind in die Brüche gegangen, ihre Kinder haben sich von ihr distanziert, sie hatte kaum Freunde außerhalb des Unternehmens, sie hatte ein Alkoholproblem und sie fühlte sich erschöpft. Sie arbeitet viel und hart und die Arbeit schien ihr alles zu bedeuten. Sie lebte, um zu arbeiten.
Jedes Mal, wenn ich mit dieser Klientin sprach, beschwerte sie sich darüber, dass sie keine Zeit fand, sich auf die Entwicklung einer neuen Unternehmensstrategie zu konzentrieren. Obwohl sie Mitarbeiter hatte, die für verschiedene Aufgaben zuständig waren, konnte sie dem Drang nicht widerstehen, immer wieder einzugreifen und Projekte zu retten. Sie wollte ihren Mitarbeitern vertrauen, aber ihre Workaholic-Tendenzen machten es schwer, loszulassen.
Die Antwort auf ihre Probleme schien zunächst offensichtlich. Tatsächlich fragte ich sie, warum sie nicht all das, was scheinbar für ihr Gefühl des Unglücklichseins verantwortlich war, änderte. Sie könnte die Beziehung zu ihren Kindern auffrischen, weniger arbeiten, indem sie die Sachen an ihre Mitarbeiter delegierte, mehr schlafen, sich Hilfe bezüglich ihres Alkoholkonsums holen, Freunde treffen, etc. Ihre Antwort erschrak mich: Nach kurzem Zögern sagte sie, dass sie lieber etwas Besonderes als glücklich wäre. Jeder könne schließlich seinem eigenen Glück auf die Sprünge helfen, um etwas Besonderes zu sein, bräuchte es mehr.
Am Anfang war ich wirklich entsetzt ob dieser Aussage: Ich glaube fest daran, dass wir nur dann gute Arbeit leisten können, wenn wir glücklich sind und dass das eine das andere nicht ausschließen müsse – im Gegenteil. Und ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch etwas Besonderes ist und dass es nicht viel braucht, um das an die Oberfläche zu tragen. Aber ihre Aussage beschäftigte mich und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar, dass ich an bestimmten Stellen in meinem Leben auch diese Wahl getroffen habe.
Sie hatte viele Jahre damit verbracht eine Version von sich selbst zu erschaffen, die ihren (längst toten) Eltern gefallen würde und die von anderen für ihre Ausdauer und ihren Ehrgeiz bewundert wurde. Aber nichts ist von Dauer - und sie bekam das Gefühl, dass sie nach und nach Macht und Ansehen verlor. Das Besondere, das sie erschaffen hatte, war nun mal keine vollständige, lebendige und authentische Person. Sie hatte sich und ihr Glück gegen einen kurzfristigen Status eingetauscht.
Das ist etwas, das wir nicht nur bei uns selbst, sondern bei vielen Menschen tun: Wir reduzieren Menschen auf ein oder zwei besondere Eigenschaften (Psychologen nennen das Objektivierung). Wir beneiden und bewundern sie für ihre Gesundheit, ihre Schönheit, für ihr Geld oder ihre Macht. Auch wenn wir tief in uns wissen, dass Menschen vielmehr als nur ein oder zwei Dinge sind, objektivieren wir uns und andere trotzdem. Auf diese Weise erschaffen wir selbst eine Art Sucht: lieber schöner, reicher, mächtiger, als glücklich sein.
Der Begriff des Workaholics wurde 1971 von dem Psychologen Wayne Oates geprägt, nachdem sein eigener Sohn um einen Termin in Oates Büro bitten musste, um ihn zu sehen – so knapp war die Zeit seines Vaters bemessen. Oates definierte Arbeitssucht als einen Zwang oder unkontrollierbares Bedürfnis, ununterbrochen zu arbeiten.
Führungskräfte, die viele Stunden arbeiten, sagen mir oft, dass sie keine Wahl haben als ständig zu arbeiten und das eigene Pensum zu erhöhen, wenn sie gut sein wollen. Aber ich glaube das nicht. In all den Gesprächen, die ich als Beraterin innerhalb von Unternehmen führe, kommt immer wieder dasselbe heraus. Workaholics sind in einem Teufelskreis angelangt: Menschen werden nicht ehrgeizig geboren. Sie werden ehrgeizig, weil sie an irgendeinem Punkt ihres Lebens traumatisiert wurden und die Arbeit ihnen geholfen hat, darüber hinwegzukommen. Indem sie mehr arbeiten als andere und glauben, dass sie dieses Tempo erhöhen müssen, um ihre Produktivität aufrechtzuerhalten. Die Angst vor dem Nachlassen ist der Boden für ihren Antrieb.
Das Problem ist, dass Arbeitssucht Angst und Einsamkeit nährt und diese wiederum nähren Arbeitssucht. Wenn Sie ständig nach beruflichem Erfolg jagen, verdrängt die Arbeit schließlich ihre Beziehungen und Hobbys. Aber sobald Sie anfangen, Verantwortung für sich selbst und für Ihr Tun zu übernehmen, werden Sie erkennen, dass Sie nie Opfer waren, sondern nur Ihrer Vergangenheit erlaubt haben, Ihnen zu diktieren, wie sehr Sie Ihr Potenzial ausschöpfen können. Das bedeutet aber auch, dass nur Sie alleine die Dinge ändern können. Das bedeutet, dass Sie einen Haufen Ziegelsteine in die Hand nehmen müssen, wenn Sie ein Haus bauen wollen.
Ein erster Schritt damit zu beginnen ist, die schönen Momente in Ihrem Tag zu genießen – vom Duft einer frisch gebrühten Tasse Kaffee bis zum warmen Sonnenlicht, das auf Ihren morgendlichen Weg zur Arbeit scheint.
Verschieben Sie Ihr Leben nicht für die Arbeit, die morgen erledigt werden kann.