Für mich unterscheidet den wirklich guten Design Thinking Berater von den weniger guten, das Bewusstsein, wie die einzelnen Persönlichkeiten in einer Gruppe gestrickt sind. Denn nichts entscheidet den Erfolg eines Projektes mehr als die Menschen, die darin arbeiten. Eine Möglichkeit, Menschen zu unterscheiden, ist aufgrund der Art und Weise, wie sie im Außen agieren. Ob sie also eher extro- oder eher introvertierter Natur sind. Leichter gesagt, als getan.
Wenn ich mit anderen rede, höre ich oft, dass Extrovertierte daran zu erkennen wären, dass diese vor allem laut und aufdringlich sind, während der introvertierte Typ eher von der schüchternen Sorte abstammt. Das lässt sich aber nicht ganz so einfach sagen. Richtig jedoch ist, dass ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Persönlichkeitstypen - auch Ihres eigenen - Ihnen dabei helfen kann, in manch brenzliger Situation gelassener zu reagieren.
Ein kleiner Diskurs rund um die Begriffe
Wenn wir etwas weiter in der Geschichte zurückgehen, entdecken wir, dass die Begriffe Introvertiert und Extrovertiert (ursprünglich Extravertiert) vom Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung im frühen 20. Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt wurden. Wie es so oft das Schicksal von Begrifflichkeiten ist, verschwammen auch diese ursprünglich erdachten Bedeutungen im Laufe der Zeit. So entstand der Glaube, dass ein jeder Mensch entweder intro- oder extrovertiert, also eindeutig einem Lager zuzuordnen wäre. Dabei war der eigentliche Gedanke Jungs, dass diese Begriffe jeweils die Extremen einer Skala sind. Das wiederum bedeutet, dass die meisten von uns irgendwo in der Mitte liegen.
In den 60er Jahren differenzierte dann der Psychologe Hans Eysenck die Begriffe Introvertiertheit und Extrovertiertheit aufgrund ihrer unterschiedlichen Erregungsgrade. Er meinte, dass Menschen sich durch die Wachsamkeit des Geistes und Körpers unterscheiden bzw. wie sehr oder wenig Menschen auf Stimulation ansprechen. Eysencks Theorie nach besitzen Extrovertierte eine niedrigere Erregungsrate und müssten daher härter arbeiten, um ihren Geist und Körper in einen "normalen" Zustand zu versetzen. Das wiederum führt dazu, dass eher Extrovertierte sich nach Abenteuer und Gesellschaft sehnen.
Diese Art von Stimulation kann für Introvertierte schnell übermächtig werden, denn schließlich wäre ihre Erregungsrate viel höher und könne daher leichter stimuliert werden. Zeit allein, Einzelgespräche und vorhersehbare Situationen sind daher eher für Introvertierte geeignet.
Neuere Forschungen gehen sogar einen Schritt weiter: Sie zeigen, dass die Unterschiede zwischen Introvertierten und Extrovertierten genetisch bedingt sind und sich auf die Art und Weise, wie unser Gehirn Energie auflädt, bezieht.
So neigen Introvertierte (oder diejenigen mit introvertierten Tendenzen) dazu, die Energie aufzuladen, indem sie sich bewusst zurückziehen und Zeit alleine verbringen. Die meiste Energie verlieren sie durch verbrachte Zeit in großen Menschenmengen.
Extrovertierte hingegen gewinnen ihre Energie aus dem Zusammensein mit anderen Menschen und verlieren diese wieder, wenn sie zu viel Zeit alleine verbringen.
Der Unterschied liegt im Gehirn
Genauer gesagt liegt der Unterschied bei der Verarbeitung von Belohnungen. So reagieren die Amygdala und der Nucleus accumbens bei extrovertierten Menschen dann stärker, wenn sich Dranbleiben auszahlt. Der Unterschied ist u.a. im Dopamin-System zu finden.
Die Amygdala ist verantwortlich für die Verarbeitung emotionaler Reize. So verarbeitet sie externe Impulse und leitet diese bei der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung (affekt- oder lustbetonter Empfindungen) ein. Der Nucleus accumbens ist Teil des Dopamin-Systems und beeinflusst, wie wir lernen. Dieses Areal sucht vor allem nach Belohnungen. Der Unterschied im Dopaminsystem im Gehirn eines Extroverierten liegt nun darin, dass er oder sie es geradezu danach trachten, auf die Suche nach Neuen zu gehen, Risiken bewusst zu suchen und unbekannte Situationen mehr zu genießen als andere.
So haben u.a. Experiment mit Glücksspiele zu Tage gebracht, dass der eigentliche Unterschied zwischen Extro- und Introvertiertheit vor allem in der Verarbeitung der Stimuli liegt. Stimulationen, die in unser Gehirn gelangen, werden je nach Persönlichkeit unterschiedlich verarbeitet. Für Extrovertierte ist der Weg der Verarbeitung viel kürzer und durchläuft den Bereich, in dem Geschmack, Berührung und visuelle und auditive Verarbeitung stattfindet. Bei Introvertierten durchlaufen die Stimuli einen langen, komplizierten Weg, der vor allem mit den Erinnerungen, Planen und Lösen von Problemen verbunden ist.
Introvertierte Menschen sind dafür bekannt, dass sie Dinge lieber ein zweites Mal durchdenken, bevor sie sprechen, lieber weniger und dafür enge Freundschaften pflegen und Zweiergespräche mehr genießen als Gruppenansprachen. Sie brauchen Zeit, um sich zu regenerieren und mögen keine unerwarteten Veränderungen oder Überraschungen. Das bedeutet aber nicht, dass Introvertierte deswegen schüchtern sind oder gar soziale Situationen vermeiden. Vielmehr tanken sie ihre Energie lieber alleine neu auf und haben gerne wenige, enge Freunde um sich, nachdem sie sich in einer großen Menschenmenge aufgehalten haben.
Auf der anderen Seite der Skala liegt der Extrovertierte, der die Anregung und das Abenteuer sucht. In der Regel verbringen sie lieber Zeit mit anderen, als sich zurückzuziehen.
Ambiverts - Die In-Betweens unter uns
Wenn nun Introvertierte am einen Ende der Skala liegen und Extrovertierte am anderen, dann bleibt in der Mitte ein Loch, in der der Rest reinfällt. Die meisten von uns neigen eher zu dem einen oder dem anderen Extrem. Aber es gibt auch viele, die ziemlich ausgeglichen zwischen den beiden Tendenzen liegen. Die sogenannten Ambiverts. Menschen mit ausgeglichenen Tendenzen zeigen sowohl extrovertierte als auch introvertierte Reaktionen. So haben sie im Allgemeinen Spaß daran unter Menschen zu sein, aber brauchen danach wieder Ruhe und genießen die Einsamkeit. Wobei diese Zeit auch nicht zu lange dauern sollte. Ihr Energieniveau laden Ambiverts mit einer Mischung aus sozialer Interaktion und Zeit für sich auf.
Vorsicht vor zu kleinen Schubladen!
Im Laufe unseres Lebens treffen wir alle mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Persönlichkeiten zusammen - von extremen Introvertierten hin zu extremen Extrovertierten und allem, was dazwischenliegt. Das Verständnis der Unterschiede zwischen diesen Tendenzen kann uns helfen, mit anderen besser auszukommen.
Achten Sie dabei vor allem darauf, nicht alle Menschen über denselben Kamm zu scheren: Denn das Dümmste, das Sie machen können, ist, dass Sie Menschen aufgrund eines einzigen Wortes oder aufgrund einiger weniger Gesten in die eine oder andere Schublade stecken und zumachen Das Verständnis der Tendenzen von uns selbst und anderen ist immer nur ein erster Schritt. Funktionierende Kommunikation besteht vor allem darin, dass wir auch die Persönlichkeit jeder einzelnen Person individuell berücksichtigen.
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