Ich möchte Sie zu einem kurzen Gedankenexperiment einladen: Stellen Sie sich bitte vor, Sie können zwischen zwei Teams wählen. Team A besteht aus lauter namhaften Experten, alle außergewöhnlich klug und erfolgreich. Alle sind Profis in ihrem jeweiligen Gebiet, die die Themen ausführlich und analytisch brillant besprechen. Die Meetings laufen strikt nach Tagesordnung und strukturiert ab. Wenn jemand eine Diskussion startet oder seine Gedanken zu einem Thema mit der Gruppe teilt, stoppt der Moderator sofort, verweist auf die Agenda und führt alle wieder auf Kurs. Dieses Team arbeitet äußerst effizient, es wird bewusst auf langwierige Diskussionen verzichtet und alles läuft nach Plan.
Beim zweiten Meeting ist das Team durchmischt. Es treffen dabei Experten, Anfänger, hierarchisch unterschiedliche gestellte Menschen aufeinander. Es gibt keine Agenda, die Kollegen springen wild in den Diskussionen herum, ergänzen gegenseitig ihre Gedanken. Die Besprechung endet auch nicht wirklich: Am Ende der Zeit wird noch immer leidenschaftlich über alles mögliche diskutiert, nicht nur über das Thema, zu dem sie sich eigentlich getroffen haben. Es wird auch über Zwischenmenschliches gesprochen und im Fokus stehen die Themen, die das Team B aktuell am meisten beschäftigen.
Nun zur Frage: In welchem Team möchten Sie lieber mitarbeiten?
Die meisten Befragten entscheiden sich für das zweite. Denn wenn auch das erste Meeting zu einem effizienten Ergebnis führt, das kaum besser laufen könnte, gibt es dort kaum Platz für den Austausch von persönlichen Informationen. Das bedeutet auch, dass niemand weiß, was der andere eigentlich fühlt oder denkt.
Während die Mitglieder von Team A sich nach wie vor wie Einzelpersonen verhalten, regiert im Team B das kollektive Gemeinschaftswesen. Wenn Team A das nächste Mal zusammentrifft, gibt es wenig Anhaltspunkte dafür, dass sie als Gruppe kollektiv besser werden.
Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die Menschen aus Team B vielleicht nicht auf die Agenda, aber sie tauschen sich aus und vertiefen ihre Beziehung. Alle Teammitglieder sprechen so viel, wie es notwendig und auch sinnvoll für das Thema und das Team ist. Sie reagieren sensibel auf die Stimmungen des anderen und teilen persönliche Geschichten und Emotionen. Während Team B möglicherweise nicht so effizient auf das Thema bezogen arbeitet, ist es in Summe erfolgreicher. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie.
Die Psychologin Amy Edmondson beschreibt Merkmale wie Gesprächswechsel und durchschnittliche soziale Sensibilität als Aspekte der sogenannten “psychologischen Sicherheit”. Damit meint sie eine Gruppenkultur, die ein Gefühl des Vertrauens schafft. Das Team bringt dabei niemanden in Verlegenheit, Ideen oder Gedanken werden niemals abgelehnt und keiner wird für etwas, was er oder sie sagt, in irgendeiner Form bestraft. Das Unternehmensklima ist von zwischenmenschlichem Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägt und die Menschen fühlen sich sichtlich wohl.
Das Konzept der psychologischen Sicherheit ist in der Praxis extrem wirksam. Das hat Google bereits vor einigen Jahren mit dem „Project Aristoteles“ gezeigt. In dieser zweijährigen Studie wurde diskutiert, wie ein gutes Team zusammenarbeitet und was die Ingredienzien eines guten Teams sind. Ein Ergebnis war, dass Struktur und Klarheit zwar zur Fokussierung eines Teams beitragen, aber der wichtigste Faktor beim Aufbau eines produktiven Teams ist die oben erwähnte psychologische Sicherheit.
Um ein psychologisch sicheres Umfeld zu schaffen, müssen die Teammitglieder das Gefühl haben, dass sie Fehler machen dürfen, solange sie mit Fehlern auf produktive Weise umzugehen.
5 Dinge, Die Sie persönlich zu einem Umfeld der psychologischen Sicherheit beitragen können
Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Team unter einer niedrigen psychologischen Sicherheit leidet, ist es höchste Zeit zu handeln und die Dynamik zu ändern.
Ergreifen Sie Maßnahmen, die das Gefühl der Zusammenarbeit und Zugehörigkeit schnell steigern. Das funktioniert, indem Sie die Kommunikationswege entbürokratisieren und verkürzen oder eine Politik der offenen Tür einführen.
Sprechen Sie offen über Fehler, aber auch über die Erkenntnisse, die Sie daraus gewonnen haben. Lassen Sie das Team an Ihren persönlichen Misserfolgen und Lerneffekten teilhaben. Machen Sie auch darauf aufmerksam, wie nachteilig das Nichtmelden von Fehlern ist und zu was für schlechten Leistungen das führen kann.
Teilen Sie Gefühle, Gedanken, Privates und Zwischenmenschliches miteinander. Das unterstützt dabei, sich von der eigenen Perspektive zu lösen und stärkt die Beziehung zwischen den Teammitgliedern.
Fordern Sie das Team auf, um Hilfe, Feedback oder Informationen aktiv zu bitten und diese einzuholen.
Fördern Sie aktives Zuhören, indem Sie das Team ermutigen, Fragen zu stellen, Gehörtes in eigenen Worten wiederzugeben und Menschen, die in Besprechungen selten sprechen, aktiv nach deren Meinung fragen.
Wenn es um die Unternehmenskultur geht, werden oft drei verschiedene Faktoren genannt: Es muss eine starke Mission und Vision geben, die den Menschen dabei hilft, Klarheit in ihren Rollen zu haben; die persönlichen Werte stimmen mit den Unternehmenswerten überein und es muss eine Aussicht auf eine berufliche Weiterentwicklung geben. All diese Dinge nützen aber nichts, wenn Menschen Angst davor haben, menschlich zu sein und Fehler zu machen. Nur wenn sich die Mitarbeiter in der Lage fühlen, ihre Ideen einzubringen und sie selbst zu sein, können sie ihr Bestes geben.
Respekt, Wertschätzung und Neugierde für das, was andere einbringen können, sind wichtige Bestandteile einer starken Teamarbeit. Schauen Sie sich in Ihrem Büro einfach mal bewusst um und achten Sie auf die einzigartigen Fähigkeiten Ihrer Kollegen, die Sie umgeben. Sie werden überrascht sein, zu was Menschen fähig sind, wenn man ihnen die Angst nimmt.