Ob es um den Klimawandel, das Coronavirus oder den bevorstehenden Urlaub geht - wenn wir die Meinung einer anderen Person ändern möchten, versuchen wir es im Normalfall als erstes mit Fakten und Argumenten. Dieser Ansatz führt allerdings dazu, dass die Person am anderen Ende des Meinungsspektrums nur die bestehende Position festigt. Es gibt einen besseren Weg - einen, bei dem mehr zugehört und weniger versucht wird, den Gegner zur Unterwerfung zu zwingen.
Wir leben in einer Informationsgesellschaft, die einen einfachen Zugang zu einer überfordernden Menge an Wissen ermöglicht. Neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen, neue Zugänge bringen schnell das bisher Geglaubte ins Wanken. Bei all dieser Information ist es schwer mit Sicherheit zu sagen, was richtig ist und was so nicht stimmen kann. Das überfordert. Damit die Argumente unserer momentanen Wahrheit entsprechen, vollführen wir mitunter mentale Verrenkungen, von denen erfahrene Yogis nur träumen können.
Letztlich sind es nicht Fakten, die unsere Meinung und bisherigen Überzeugungen ändern. Wir glauben nicht zwingend an etwas, weil wir es für richtig halten. Manchmal halten wir an Überzeugungen fest, weil sie uns für die Menschen, die uns wichtig sind, ins rechte Licht rückt und uns gut aussehen lässt. Wir teilen dadurch etwas Gemeinsames. Das ist wichtig, denn der Mensch ist ein Herdentier. Nichts ist ihm/ihr im Normalfall so wichtig, wie zu anderen Menschen dazu gehören. Das kommt daher, dass Menschen den größten Teil der Evolutionsgeschichte in Stämmen zusammenlebten. Vom Stamm getrennt oder gar daraus ausgeschlossen zu werden, bedeutete den sicheren Tod. Dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit sitzt so tief, dass wir unseren Glauben anpassen, bevor wir riskieren würden, aus dem Stamm vertrieben zu werden.
Das hat sich auch in unserer modernen Welt nicht wirklich geändert: Menschen werden aus ihrem sozialen Umfeld je nach ihren Überzeugungen akzeptiert oder ausgestoßen. Wir halten an Überzeugungen fest, an die auch die anderen glauben, nur um mit ihnen zusammenbleiben zu können und Teil der Gruppe zu sein. In vielen Fällen ist die soziale Verbindung für uns wichtiger als recht zu haben.
Jemanden davon zu überzeugen, die eigene Meinung zu ändern und aufzugeben, gleicht dem Versuch, ihn oder sie davon zu überzeugen, den eigenen Stamm zu hintergehen und zu verlassen. Wenn Menschen ihren Glauben aufgeben, laufen sie Gefahr, die soziale Bindungen ebenfalls zu verlieren. Niemand wird aber freiwillig das bestehende Weltbild zerreißen, wenn Ausstoß und Einsamkeit die Folge sein könnte.
Das Spektrum der Überzeugungen
Wenn jemand, den Sie kennen und den Sie mögen, an einer radikalen Idee oder Meinung festhält, die Sie für schädlich halten, ändern Sie nichts durch die nüchterne Aufzählung von Fakten, so schlüssig diese auch sein mögen. Vielmehr müssen Sie sich zurückhalten, wirklich zuhören und selbst offen sein, möglicherweise die eigene Perspektive zu ändern. Denn es ist immer leicht Menschen als Spinner zu bezeichnen, die andere Vorstellungen vom Leben haben als wir selbst.
Jede Idee, die sich von unserer aktuellen Weltanschauung unterscheidet, fühlt sich zu Beginn bedrohlich an. Deswegen ist der beste Ort, um über eine neue Idee oder neue Erkenntnisse nachzudenken, eine nicht bedrohliche Umgebung. Deswegen beeinflussen Bücher auch so leicht unser Denken: Wir müssen beim Lesen, das uns an fremde Orte führt, keine Angst vor Beurteilung, Verurteilung oder gar Ausstoß haben, selbst wenn wir letztlich doch eine andere Meinung haben sollten. Im Gespräch wiederum versucht jeder seine Meinung zu verteidigen, um den eigenen Status zu vertreten und auch um zu vermeiden, dumm auszusehen. Werden wir mit Fakten konfrontiert werden, die unseren aktuellen Status bedrohen, besteht daher auch die erste Tendenz darin, alles zu tun und zu sagen, das unsere derzeitige Position unterstützt.
Warum abstruse Ideen so schwer totzukriegen sind
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum bereits widerlegte Fakten kaum totzuschlagen sind: Wenn Menschen darüber sprechen, leben sie weiter. Der Tod einer jeden Idee ist Schweigen. Eine Aussage, über die niemand spricht oder die nicht geteilt wird, stirbt mit der Person, die sie als letztes weitergetragen hat. Aussagen können nur in Erinnerung bleiben und neue Anhänger finden, wenn sie wiederholt werden.
Selbst wenn wir uns über Aussagen lustig machen oder anderes Denken als abstrus abtun, müssen wir diese doch zuerst wiederholen. Wir können nur etwas kritisieren, wenn wir es vorher auch definiert und erklärt haben. Dadurch geben wir aber dieser Aussage neues Futter. Jedes Mal, wenn wir etwas zitieren, das wir für falsch halten, hilft das dieser Aussage.
Das Beste, was einer schlechten Idee passieren kann, ist, dass sie vergessen wird. Das Beste, was einer guten Idee passieren kann, ist, dass sie geteilt wird. Das bedeutet nicht, dass Sie nicht auf (Denk-)Fehler hinweisen oder Aussagen kritisieren sollen. Aber bevor Sie das machen, sollten Sie sich immer bewusst sein, was Sie eigentlich erreichen möchten: Geht es Ihnen darum, speziell die Meinung eines anderen zu ändern? Warum? Glauben Sie, dass es den Menschen besser gehen würde, wenn sie sich für eine andere Sache einsetzen?
Wie Sie die Meinung anderer wirklich ändern können
Anstatt gegen die bestehende Meinung oder Ideen anderer zu argumentieren und damit Widerstand zu erzeugen, können Sie mit diesem vierstufigen Prozess dazu beitragen, dass die andere Person ohne Gesichtsverlust den eigenen Standpunkt überdenkt:
Verbinden Sie sich mit der anderen Person
Das Gegenteil von „Druck schafft Widerstand“ ist „Akzeptanz ermöglicht Flexibilität“. Wenn Sie zeigen, dass Sie die Überzeugungen der anderen Person akzeptieren, kann sich Ihr Gegenüber entspannen, weil er/sie keine Angst vor einem Angriff haben muss. Seien Sie höflich, freundlich und vor allem respektvoll. Hören Sie zu, suchen Sie nach Gemeinsamkeit und geben Sie den Menschen immer die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust auch mal falsch zu liegen.
Seien Sie ehrlich neugierig und Fragen Sie nach
Während Fragen die andere Person dazu bringen, sich nicht an die bestehende Überzeugung zu klammern, sondern sich zu öffnen, fühlen sich Aussagen schnell wie Angriffe an. Bitten Sie deswegen lieber um Erklärungen, fragen Sie nach Einzelheiten, seien Sie ehrlich neugierig und geben Sie offen Ihre eigene Unwissenheit zu. Je mehr Unwissenheit Sie selbst zugeben, desto leichter wird Ihr Gesprächspartner eine Erklärung einbringen. Und je mehr jemand versucht zu erklären, desto wahrscheinlicher ist es, dass er/sie die Grenzen des eigenen Wissens erkennt. Diese Strategie hilft nicht nur, eingefahrene Meinungen abzuschwächen und die eigenen Überzeugungen zu revidieren, sondern sie öffnet beide Seiten für neue Perspektiven.
Bieten Sie eine andere Lösung an
Zeigen Sie, wie eine andere Meinung – insgesamt gesehen – eher zu logischen Schlussfolgerungen oder Meinungen führen als die, zu denen die Person zuvor gelangt ist. Mit anderen Worten: Versuchen Sie niemals die Überzeugungen einer anderen Person gewaltsam zu ändern. Machen Sie lieber deutlich, wie eine andere Schlussfolgerung diese Überzeugungen besser widerspiegeln würde. Sie können niemanden überzeugen oder ändern. Menschen überzeugen und ändern sich nur selbst. Wir alle lehnen die Dinge ab, die uns vorgesetzt werden. Wir alle handeln nach der Meinung und Überzeugung, die wir selbst haben.
Seien Sie selbst das beste Vorbild
Wenn Sie die Meinung anderer ändern möchten, stellen Sie zunächst sicher, dass auch Sie selbst bereit sind, Ihre eigene Meinung zu ändern. Fragen Sie sich: „Welche Fakten würden meine eigene Meinung ändern?“ Wenn die Antwort lautet: „Keine.“ haben Sie ein Problem. Es ist schwierig, die Meinung eines anderen zu ändern. Aber die eigene Meinung zu ändern, ist meistens noch viel schwieriger.
Nicht Fakten ändern unsere Meinung
Anstatt Ihre Energie dafür einzusetzen, Dinge zu bekämpfen, die Sie nicht wollen, setzen Sie sich lieber für die Dinge ein, an die Sie glauben. Verschwenden Sie keine Zeit damit zu erklären, dass das Wissen sich geändert hat, es neue Erkenntnisse gibt oder Fakten bereits widerlegt wurden. Sie schütten so nur Öl ins Feuer. Vergessen Sie nicht, dass Sie niemandem Ihre Sicht aufzwingen können. Im Gegenteil ist es viel wahrscheinlich, dass wenn Sie zu viel Druck ausüben, sich Ihr Gegenüber nur darüber ärgert und absichtlich noch mehr an ihren bestehenden Überzeugungen festhält - und sei es nur aus Trotz.
Die meisten glauben unbewusst, dass einer gewinnt und einer verlieren muss - ein Nullsummenspiel. Wenn wir im Moment sind, vergessen wir leicht, dass das eigentliche Ziel darin besteht, sich mit der anderen Seite zu verbinden, zusammenzuarbeiten und sie in unseren Stamm zu integrieren. Aber das überzeugt niemanden von irgendetwas. Sie müssen das Ziel vom Gewinnen hin zum Verstehen verschieben. Vergessen Sie nicht: Am Ende braucht es Mut und Entschlossenheit, die Wahrheit zu sehen, anstatt das Bequeme.