Sechzehntausend. Sechzehntausend Wörter spricht ein Mensch durchschnittlich im Laufe eines Tages. Die meisten der Gedanken bleiben sogar unausgesprochen. Trotzdem durchströmen sie täglich unser Hirn. In den seltensten Fällen handelt es sich dabei um objektive Fakten. Es sind Bewertungen, Urteile, Meinungen. Einige davon sind positiver Natur und hilfreich („Das hab ich gut gemacht!“), andere negativ und wenig hilfreich („Warum versemmel ich immer alles?“). Die Art und Weise, wie wir mit uns und über uns sprechen und denken, ist so entscheidend. Diese Worte beeinflussen nicht nur unser Denken, sondern auch unsere Handlungen.
Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass der Versuch, Gefühle oder Gedanken zu vermeiden, nur dazu führt, dass wir sie verstärken (denken Sie jetzt bloß nicht an einen rosaroten Elefanten!). Jeder, der schon einmal eine Diät machen musste, kennt die schokoladigen Träume in der Nacht, die uns schlafwandlerisch zur verführerischen Naschlade führen, um all unsere Hoffnungen mit dem ersten Bissen zu zerstören...
Wie mit negativen Gedanken und Gefühlen im Unternehmensumfeld umgegangen wird, finde ich besonders interessant. Denn wann immer ich in Unternehmen Menschen begleite, stoße ich auf die Vorstellung, dass insbesondere Führungskräfte entweder stoischer Natur oder fröhlich sein müssten: Sie sollen Zuversicht und Vertrauen ausstrahlen und jede Negativität, die in ihnen aufsteigt, sofort bekämpfen und sie gar nicht erst aufkommen lassen. Die Sache ist nur die: So ist der menschliche Verstand nicht aufgebaut. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, Probleme bereits im Vorfeld zu erkennen, zu lösen und neue Wege zu finden. Es liegt in der Biologie des Menschen im Laufe eines Tages auch Sorgen, Ängste und Zweifel zu fühlen.
Meiner Erfahrung nach sind es auch genau diese unerwünschten Gefühle und Gedanken, die Menschen an ihrem Arbeitsplatz enorm belasten. Es gibt zwei Arten, wie die meisten damit umgehen: Entweder halten sie ihre Gedanken für unumstößliche Wahrheiten. In diesem Fall besteht der häufigste Lösungsweg darin, die Situationen zu vermeiden, die diese unangenehmen Gefühle hervorrufen. Oder sie rationalisieren die negativen Gedanken und Gefühle, in der Hoffnung, sich so das Gegenteil zu beweisen. Das führt allerdings dazu, dass sie die eigentliche Bedeutung, die diese Gefühle aussenden, nicht erkennen und sie dadurch gegen ihre Grundwerte und Ziele arbeiten.
Die Ängste umzudrehen und beliebte Techniken wie To-Do-Listen, positive Affirmationen oder diverse Entscheidungshilfen anzuwenden, unterstützt allerdings nicht, den „Fehler zu beheben“ (wie es mal eine Führungskraft nannte). Wenn ich nachfrage, seit wann diese Ängste bestehen, höre ich oft Antworten wie "seit der Kindheit" oder "seit 30 Jahren". Diese Techniken funktionieren also scheinbar nur bedingt (der rosarote Elefant...). Auf jeden Fall kosten sie viel Energie, die besser genutzt werden könnte.
Negative Gedanken oder Gefühle zu vermeiden oder sie zu unterdrücken, funktioniert einfach nicht bzw. nur mit einem enormen Energieaufwand. Was allerdings funktioniert ist, sich diesen auf achtsame und produktive Weise anzunähern. In unserer komplexen, sich schnell verändernden Welt ist es so wichtig, dass wir auf Probleme und Herausforderungen innovativ und kreativ agieren. Das gelingt allerdings nur, wenn wir verstehen, wie wir mit Stress umgehen, aus Fehlern lernen und resilienter werden können. Es gelingt, wenn wir lernen auf produktive Weise mit all unseren Gedanken und Gefühle umzugehen.
In der Psychologie gibt es verschiedene Ansätze, wie Sie das erreichen können.
Erkennen Sie zunächst das Muster.
Der erste Schritt, damit Sie einen guten und produktiven Umgang mit Ihren Gedanken und Gefühlen erreichen, ist sich bewusst zu machen, wann diese auftreten. Das ist nicht immer einfach, aber es gibt ein paar verräterische Anzeichen. Eines ist, dass Ihr Denken sehr starr wird. Wenn Sie zum Beispiel immer und immer wieder dieselben Gedanken wiederholen oder Ihnen diese Gedanken zumindest aus alten Erfahrungen bekannt vorkommen, ist das ein guter Hinweis. Es sind Muster, die wir schon in anderen Jobs ähnlich erlebt haben – und in dem Job davor. Die Quelle der Frustration ist dann nicht - wie zuerst vermutet - das Umfeld, sondern die eigenen Denk- und Gefühlsmuster. Bevor Sie eine Veränderung aktiv anstoßen, müssen Sie zuerst erkennen, dass Sie feststecken.
Etikettieren Sie Ihre Gedanken und Gefühle.
Wenn Sie in einem Muster feststecken, wird Ihr Geist von Ihren Gedanken und Gefühlen überrannt. Es gibt dann keinen Platz mehr für etwas anderes, auch nicht, um all diese Eindrücke zu analysieren. Eine einfache Strategie, die Ihnen helfen kann, Ihre Situation objektiver zu betrachten, ist die des Etikettierens. Wenn Sie die Dinge beim Namen nennen, also auch Ihre Gefühle und Gedanken benennen, entziehen Sie ihnen automatisch Macht.
Durch die Etikettierung können Sie Ihre Gedanken und Gefühle als das sehen, was sie sind: vorübergehende Einsichten, die sich als hilfreich erweisen - oder eben nicht. Diese Form der Achtsamkeit hat noch einen anderen Vorteil: Sie können so Ihr Hirn umprogrammieren.
Akzeptieren Sie Ihre Gedanken und Gefühle.
Das Gegenteil von Kontrolle ist Akzeptanz. Es geht nicht darum, dass Sie auf jeden Gedanken reagieren oder sich damit abfinden, negativ eingestellt zu sein. Es geht darum eine offene Haltung einzunehmen und sich auf Ihre Gedanken und Gefühlen einzulassen.
Atmen Sie dazu tief ein und aus und nehmen Sie wahr, was gerade passiert. Vielleicht merken Sie, dass es Ihnen gerade gut geht. Oder, dass Sie vielleicht wirklich verärgert sind. Das Wichtigste ist, dass Sie sich selbst etwas Mitgefühl schenken und beginnen, die Situation zu analysieren. Die meisten unserer Gefühle sind Signale, die uns auf unsere Werte aufmerksam machen und die uns an etwas erinnern wollen.
Handeln Sie nach Ihren Werten.
Wenn Sie von Ihren schwierigen Gedanken und Gefühlen Abstand bekommen, haben Sie automatisch auch mehr Wahlmöglichkeiten. Sie können dann bewusst entscheiden, auf welche Art und Weise Sie reagieren wollen, und Sie können dieses Verhalten vor allem auf Ihre Werte abstimmen. Überlegen Sie sich, inwiefern Ihre Reaktion Ihnen dabei hilft, das angestrebte Ziel zu erreichen: Inwiefern unterstützen Sie damit die Ziele und Absichten der Person, die Sie eigentlich sein wollen? Gedanken kommen und gehen und Gefühle ändern sich so schnell, wie das Wetter - aber Werte bleiben stabil.
Diese Schritte als Routine zu etablieren, dauert – so wie jede neue Erfahrung einfach dauert, bis sie uns in Fleisch und Blut übergeht. Es wird auch immer wieder Situationen geben, in denen Sie von diesen Gefühlen oder Gedanken überwältigen werden. Das ist in Ordnung, denn es ist menschlich. Aber je öfters Sie es ausprobieren und je öfter Sie die Strategien anwenden, desto mehr übernehmen Sie wieder die Kontrolle über Ihr Leben.
Es ist einfach unmöglich, schwierige Gedanken und Gefühle auszublenden. Sie müssen sich Ihrer inneren Erfahrungen bewusst sein, aber auch, dass Sie nicht Gefangener von ihnen sind. Versuchen Sie die Schritte einmal zu durchlaufen, um Ihre Energien freizusetzen - um das Verhalten an den Tag zu legen, das Ihren Werten am meisten entspricht, um zu der einzigartigen Person zu werden, die Sie sind.