Der FOMO-Effekt: Wie die Angst, etwas zu verpassen, unser Leben steuert – und wie wir sie überwinden können

In einer Welt, die von Möglichkeiten überquillt, könnte es den Anschein haben, dass es nie einfacher war, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Doch paradoxerweise fühlen sich viele Menschen überwältigt, getrieben von der ständigen Sorge, die falsche Wahl zu treffen – oder schlimmer noch, gar keine. Diese Angst, etwas zu verpassen, kurz FOMO, durchzieht unser Arbeitsleben, unsere Karrieren und sogar die Art, wie Unternehmen handeln.

Doch wie alle Ängste kann auch FOMO uns in die Irre führen. Es täuscht Dringlichkeit vor, wo keine ist, und lässt uns glauben, dass unser Wert von der Anzahl der Gelegenheiten abhängt, die wir nutzen. Was, wenn wir uns auf die Gelegenheiten konzentrieren würden, die für die wir uns bewusst entschieden haben?

FOMO ist ein Symptom unserer Zeit. Einst war die Angst, etwas zu verpassen, ein evolutionärer Vorteil: Der Anschluss an die richtigen Gruppen und der Zugang zu Ressourcen bedeuteten Überleben. Heute ist es die schiere Masse an Informationen und Optionen, die uns lähmt. Auf Plattformen wie Instagram präsentieren sich Menschen scheinbar ununterbrochen in ihrer besten Version – jede neue Position, jede Anerkennung, jedes „limitierte“ Event signalisiert: Schau, was du verpasst!

Im beruflichen Kontext zeigt sich FOMO in vielerlei Formen:

  • Mikro-FOMO: Das Gefühl, jedes Meeting besuchen zu müssen, um „informiert“ zu sein.

  • Strategisches FOMO: Das Drängen, bei jedem Trend – von KI bis Nachhaltigkeit – frühzeitig dabei zu sein, ohne klare Strategie.

  • Karriere-FOMO: Die Sorge, nicht genug Fortschritt zu machen, während der Nachbar im Großraumbüro scheinbar die Karriereleiter emporfliegt.

Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die sich ständig Optionen offenhalten, oft unzufriedener mit ihrer Wahl sind. Sie verbringen mehr Zeit damit, das „Verpasste“ zu bereuen, als die tatsächlichen Vorteile zu genießen.

Das Problem mit FOMO ist, dass es selten auf echten Prioritäten basiert. Es handelt sich um einen Impuls, nicht um eine durchdachte Reaktion. Psychologen sprechen von „Opportunity Cost Neglect“ – wir fokussieren uns auf das, was wir verpassen könnten, statt auf das, was wir tatsächlich gewinnen. Dies kann dazu führen, dass wir Gelegenheiten verfolgen, die uns eigentlich gar nicht weiterbringen, nur um ein vages Gefühl von Sicherheit zu wahren.

In Unternehmen kann dieser Impuls fatale Konsequenzen haben. Teams verlieren Fokus, weil sie sich verzetteln; Ressourcen werden in Projekte gesteckt, die nicht zum Kernziel passen. Individuell leiden wir unter Überarbeitung, weil wir zu viel annehmen, oder unter einer Erosion unseres Selbstwertgefühls, weil wir uns ständig mit anderen vergleichen.

Die gute Nachricht: FOMO ist nicht unvermeidlich. Es ist möglich, bewusstere Entscheidungen zu treffen und sich von der Angst zu lösen. Hier sind drei Ansätze, die sowohl individuell als auch im Unternehmen funktionieren:

  1. Schaffen Sie Klarheit über Ihre Werte: Fragen Sie sich: Warum mache ich das, was ich mache? Eine klare Vision und definierte Ziele helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Unternehmen sollten regelmäßig überprüfen, ob Projekte noch mit ihrer Mission übereinstimmen.

  2. Begrenzen Sie die Optionen: Je weniger Möglichkeiten wir haben, desto besser treffen wir Entscheidungen. Individuell können Sie das durch den Verzicht auf ständige Verfügbarkeit erreichen. Unternehmen können Innovation nicht durch Masse fördern, sondern durch gezielte Priorisierung.

  3. Kultivieren Sie die „Freude am Verpassen“: Statt zu bedauern, was Sie verpassen, feiern Sie, was Sie gewinnen. Jeder Nein-Sager eröffnet Raum für ein bewussteres Ja. Ein Meeting, das Sie nicht besuchen, könnte die Stunde sein, in der Sie einen Durchbruch erzielen.

FOMO ist ein mächtiger Treiber, doch es muss nicht unser Handeln dominieren. Indem wir klar entscheiden, was wirklich zählt, können wir der Flut an Möglichkeiten mit Gelassenheit begegnen – und den Fokus auf das lenken, was für uns und unsere Arbeit wirklich Bedeutung hat.

Denn am Ende des Tages zählt nicht, wie viele Türen wir geöffnet haben, sondern ob wir die richtige betreten haben. Vielleicht liegt die größte Freiheit nicht in dem, was wir erreichen, sondern in dem, was wir bewusst zurücklassen.