Perfektionismus ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann er Sie dazu motivieren, Höchstleistungen zu erbringen und erstklassige Arbeit abzuliefern. Auf der anderen Seite kann er Ihnen unnötige Angst bereiten und Sie ausbremsen. Wenn Sie etwas Großartiges erreichen wollen, wird Ihnen Perfektionismus allerdings mehr im Weg stehen als helfen. Denn bei Produktivität geht es nicht darum, mehr zu erledigen. Es geht darum, was Sie erledigen.
Lassen Sie mich Ihnen dazu eine kurze Geschichte erzählen. Ein Professor für Fotografie teilte seine Studenten am ersten Unterrichtstag in zwei Gruppen ein: In der einen Gruppe wurden die Studenten nur nach der erbrachten Arbeitsleistung bewertet – bei ihnen stand Quantität als Zielerreichung. In der zweiten Gruppe wurden alle Studenten nach der Qualität ihrer Leistungen beurteilt. Sie mussten nur ein einziges Foto produzieren - mit dem Anspruch, dass es perfekt sein musste.
Raten Sie, wer am Ende des Semesters die besten Fotos produziert hat: Alle Fotos, die als sehr gut bewertet wurden und von überdurchschnittlicher Qualität waren, kamen ausschließlich aus der Gruppe "Quantität". Sie haben sich mit verschiedenen Methoden auseinandergesetzt, immer wieder Dutzende von Fotos produziert, mit der Belichtung experimentiert und ihre Fähigkeiten ständig wieder verfeinert. In der Zwischenzeit dachte die Gruppe der "Qualität" zwar lange darüber nach, wie sie das beste Foto produzieren konnten - aber außer ein paar vagen und unbewiesenen Theorien hatten sie lediglich durchschnittliche Fotos vorzuweisen.
Das ist der Grund, warum ich seit über 10 Jahren im Rahmen meiner Arbeit Gespräche und Beobachtungen durchführe, warum ich jeden Tag schreibe, warum ich mich immer wieder zwinge weiterzumachen – selbst wenn ich keine Lust, keinen guten Tag oder eigentlich keine Zeit habe. Ich kann nie sagen, ob etwas davon wirklich gut oder für andere nützlich sein wird, aber ich weiß, dass je mehr ich produziere, daraus lerne, Feedback einhole und Neues ausprobiere, desto größer ist die Chance ins Schwarze zu treffen und den einen Artikel, die eine Beobachtung, das eine Gespräch zu führen, das alles verändert und anderen hilft.
Die Sache ist die: Sie werden nicht gut, wenn Sie versuchen ein perfektes Ziel zu erreichen. Das Denken über eine Sache alleine wird Ihnen nicht weiterhelfen. Sie können sich nur entwickeln, wenn Sie die Dinge anpacken und daraus lernen. Jedes Ziel ist letztlich nichts weiter ein Ereignis. Ein Ziel ist immer etwas, das Sie nie vollständig kontrollieren können. Das Ausprobieren von neuen Erfahrungen und Entdeckungen, das bewusste Wiederholen Ihres Tuns, das Dranbleiben an dem, was Ihnen wirklich wichtig ist, ist das, was dieses eine Ereignis erst möglich macht.
Wir alle haben Gründe, uns zu den Dingen hingezogen zu fühlen, die wir lieben. Meine persönliche Erfüllung finde ich darin, menschliches Verhalten zu verstehen. Ich habe schon als Kind Menschen beobachtet, bin stundenlang in der Gegend umhergewandert, um zu sehen, was andere machen, um zu verstehen, warum sie tun, was sie tun, und habe mit meinen Warum-Fragen Menschen in den Wahnsinn getrieben. Und ja, es war oft frustrierend und viele Dinge, die daraus entstanden sind, waren nicht besonders gut oder hilfreich. Aber nur so habe ich gelernt zu sehen, was andere nicht gleich sehen. Das hat allerdings viel Zeit gebraucht, es war viel Arbeit, es gab viele Versuche und oft genug bin ich dabei hingefallen. Ich habe aber so für mich entdeckt, dass die Kunst darin liegt, danach wieder aufzustehen, sich abzuputzen und weiterzugehen.
Wenn wir in etwas gut sein wollen oder gar besser als andere, dann müssen wir uns die Hände schmutzig machen. Einfach nur zu denken oder andere dabei zu beobachten, wie sie etwas umsetzen, reicht nicht aus. Sie müssen sich auf das Tun selbst einlassen – egal, ob um welche Arbeit es sich handelt. Wenn Sie allerdings unerreichbare Standards für sich selbst setzen, können Sie nichts Nützliches produzieren. Das bedeutet nicht, dass Sie dabei nicht auf Qualität achten sollen. Aber tun Sie das, indem Sie sich auf das Lernen und kontinuierliche Verbessern konzentrieren.
Quantität und Qualität sind keine Gegensätze – sie ergänzen sich. Je mehr Sie produzieren, je mehr Sie ausprobieren, desto größer ist die Chance, dass Sie etwas erreichen – vorausgesetzt, Sie reflektieren das Entstandene, um zu verstehen, wie Sie es verbessern können. Fehler zu machen, sind ein fester Bestandteil des Prozesses.
Wenn gewöhnliche Menschen etwas Außergewöhnliches erreichen, dann ist es selten der erste Versuch, den die Welt zu Gesicht bekommt. Es geht bei all dem nicht darum, der nächste Steve Jobs zu sein oder etwas Außergewöhnliches zu erreichen. Sie müssen nicht Weltstar oder ein berühmter Wissenschaftler werden. Es geht darum, die Dinge anzupacken und so Ihren Beitrag zu leisten - den nur Sie leisten können - und die Welt damit ein Stück zu verbessern. Das können Sie allerdings nur, wenn Sie ins Tun kommen.