Letzte Woche waren wir zu Besuch bei Verwandten, um das neue Familienmitglied, ein Hund aus dem Tierschutzhaus, willkommen zu heißen. Nachdem mein Mann und ich seit ca. 18 Jahren durchgängig einen vierbeinigen Freund an unserer Seite haben, glauben wir es besser als alle anderen Neo-Hundebesitzer zu wissen. Eine Krankheit, die vielleicht der eine oder andere Hundebesitzer auch schon bei sich entdeckt hat. So hat es auch keine drei Minuten gedauert bis meinen Mann der von mir gefürchtete Satz über die Lippen kam „Du machst das nicht richtig, du musst die Leine so halten“. Los ging die Lektion in der richtigen Erziehung von Hunden. Und mit dieser verabschiedete sich auch die Aussicht auf einen schönen, gemütlichen Tag.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie etwas machen und jemand anderer Ihnen ungefragt erklärt, wie das „eigentlich richtig geht“? Die Chancen stehen gut, dass Sie alles mögliche nur keine Dankbarkeit empfinden würden. Niemand lässt sich gerne ungefragt belehren oder ausbessern. Und trotzdem neigen meisten Menschendazu sofort Ratschläge zu erteilen, wenn sie sehen, dass ein anderer in ihren Augen etwas nicht richtig macht oder Hilfe brauchen könnte.
Der Grund ist, dass viele Menschen davon ausgehen, dass jemand die Dinge falsch macht, weil das notwendige oder richtige Wissen fehlt. Die logische Schlussfolgerung lautet daher, dieser Person das Wissen in Form von Ratschlägen anzubieten. Blöd nur, dass bei den meisten gar nicht das Wissen oder der Wille fehlt, dieses Wissen einzusetzen. Vielmehr ist das eigentliche Hindernis ein Mangel an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das es zu überwinden gilt.
Das führt dazu, dass ungefragte Weisheiten und Ratschläge die Dinge oft nicht besser machen, sondern in den meisten Fällen sogar schlechter. Hinzukommt, dass Menschen von den Handlungen anderer auf implizite Botschaften schließen. Wenn Sie nun einer Person, die unsicher ist, einen ungefragten Ratschlag geben, vermitteln Sie ihr unbeabsichtigt den Eindruck, dass Sie nicht daran glauben, er oder sie könnte ohne Ihre Hilfe erfolgreich sein. Es fehlt der Person an sogenannter Selbstwirksamkeit.
Mit dem Begriff der Selbstwirksamkeit beschreibt der Psychologe Dr. Bandura das Vertrauen einer Person in ihre Fähigkeit, ihr eigenes Verhalten, ihre Motivation und ihre sozialen Umstände zu kontrollieren. Anders gesagt: Wenn Menschen nicht daran glauben, dass sie überhaupt die Fähigkeiten oder Möglichkeiten haben, sich zu verändern oder Dinge anders zu machen, versuchen sie es erst gar nicht.
Was wäre aber, wenn man Menschen, die aufgrund mangelnder Selbstwirksamkeit Schwierigkeiten bei der Umsetzung von eigenen Veränderungsvorhaben haben, bittet, andere Menschen zu beraten? Eine Studie hat diesen Versuch gewagt und dabei festgestellt, dass der Glaube in die Selbstwirksamkeit gestärkt wird, wenn unsichere Personen ihr Wissen teilen und anderen helfen. In der Psychologie wird dieser Effekt der „Sagen-ist-Glauben-Effekt“ genannt: Nachdem Sie jemanden sagen, dass Sie Wissen oder Kenntnisse zu einem Thema haben und einen Ratschlag geben, halten Sie sich selbst für kompetent. Dazu kommt, dass dieser Ansatz auch den Glauben vermittelt, dass es Menschen gab, die an das Können der unsicheren Probanden glauben.
Eine weitere These, warum dieser Ansatz für mehr Selbstwirksamkeit führt, ist, dass Menschen dazu neigen, die Beratung, die sie anderen geben, auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen zuzuschneiden. Wenn eine vielbeschäftigte Führungskraft nach Zeitspartipps gefragt wird, wird sie effizientere Tipps geben als jemand, der viel Zeit zur Verfügung hat. Anders gesagt wird ihm durch die Frage nach einem Rat implizit vermittelt, dass diese Person als nützlich oder stark in dieser Eigenschaft empfunden wird.
Sie können sich mit dieser Taktik auch selbst helfen: Wenn Sie vor einer Herausforderung stehen, fragen Sie sich einfach mal, was Sie einem Freund mit den gleichen Problemen raten würden. Wenn Sie diese Perspektive einnehmen, können Sie dasselbe Problem mit größerer Zuversicht und Einsicht lösen.
Wenn Sie jemanden wirklich helfen wollen, dann beginnen Sie, die Menschen zu stärken - aber nicht, indem Sie ihnen die (vermeintlich gesuchte) Antwort geben, sondern indem Sie sie dabei unterstützen, ihre eigene Antwort zu finden. Hören Sie damit auf, Menschen retten zu wollen, sondern helfen Sie ihnen lieber, ihren eigenen Weg zu finden. Sie werden überrascht sein, was dann plötzlich alles möglich ist.