🎶 Vielen Dank für Ihre Geduld!

Ich reise sehr viel. Auch wenn ich meistens aus beruflichen Gründen reise, mag ich das Reisen sehr gerne: Neben neuen Kulturen und anderen Orten treffe ich dabei auf so unterschiedliche und interessante Menschen. Es gibt allerdings eine Sache, die mir das Reisen vermiest: die Wartezeit. Egal, ob das Warten beim Security Check am Flughafen, das Warten auf den Zug am Bahnhof oder auch das Einchecken im Hotel. Die vorherrschende Emotion, die ich mit vielen anderen dabei teile, ist stets negativer Natur. Kein Wunder, dass Menschen ihre Wartezeit versuchen bestmöglich zu verkürzen.

Auch Unternehmen versuchen, die Wartezeit zu minimieren und das aus gutem Grund: Wenn wir für Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, Kundenforschung betreiben, wird häufig das Warten auf Produkte oder Dienstleistungen als Grund genannt, das die Zufriedenheit und sogar die Loyalität gegenüber einem Unternehmen stark senkt.

Ich gebe zu, dass ich von Natur aus ein sehr ungeduldiger Mensch bin. Warten ist für mich ein Graus. Deswegen habe ich versucht, meine Außenwelt so zu gestalten, dass ich möglichst wenig Wartezeit habe: Ich nutze Apps, die mir die bestmögliche Route vorschlagen, konsultiere das Internet, um möglichst schnell einzukaufen oder nutze Vorteilsprogramme, die mir eine kürzere Wartezeit versprechen. Aber trotz aller Optimierungsversuche ist es mir nicht gelungen, meine Unzufriedenheit und innere Unruhe, die durch das Warten entsteht, zu verbessern. Als ich wieder einmal auf ein Check-in warten musste, habe ich bewusst überlegt, was Wartezeit in mir auslöst. Im Grunde sind es zwei Zustände, die mich so unruhig machen: das Gefühl nicht selbstbestimmt handeln zu können (also mangelnde Autonomie) und Langeweile.

Langeweile lässt sich darauf zurückführen, dass wir das Gefühl haben, die Zeit, die man in der Warteschlange oder beim Warten auf ein Ereignis verbringt, nicht sinnvoll nützen zu können. Dieses Gefühl der Unproduktivität führt zu einer gewissen Frustration. Aber schlimmer als diese Frustration ist für mich das Gefühl der mangelnden Autonomie.

Ich empfinde es als extrem unangenehm mich in einer Situation zu befinden, die durch das eigene Verhalten nicht verändert werden kann. In der Psychologie wird dieser Zustand „externale Kontrollüberzeugung“ genannt. Denken Sie zum Beispiel an das letzte Mal, als Sie auf einen Bus gewartet haben, und an Ihre wachsende Ungeduld, weil Sie nichts dagegen tun konnten. Vielleicht haben Sie dabei auch bemerkt, dass in einer solchen Situation noch dazu die Zeit langsamer zu vergehen scheint. Zeitwahrnehmung ist tatsächlich sehr subjektiv und kontextabhängig. Die wahrgenommene Dauer einer Erfahrung verlängert sich Untersuchungen nach deutlich unter Stress. Das führt zu einem Teufelskreis aus Warten und Frustration: Das Unbehagen beim Warten lässt das Warten länger erscheinen, und diese gefühlt verlängerte Wartezeit steigert Ihre Frustration.

Es bieten sich zwei offensichtliche Lösungen für das Warteproblem an. Die erste ist die äußere Umgebung so zu gestalten, dass möglichst wenig Wartezeit anfällt: Sie können Ihre Termine so gestalten, dass Sie kaum Zeit in Warteschlangen verbringen, indem Sie zum Beispiel zu ungewöhnlichen Zeiten essen oder einkaufen gehen, wenn die Restaurants und Shops nicht überfüllt sind. Diese Strategie hilft allerdings nur bedingt. Außerdem nimmt der psychische Nutzen, der durch wiederholtes Erreichen solcher Zuwendungen entsteht, sogar ab. Der Prozess der affektiven Gewöhnung führt dazu, dass die Vorteile, die entstehen, schnell zur neuen – ebenfalls bald frustrierenden – Normalität werden.

Sie können noch eine andere Wartestrategie zu Nutze ziehen, die sich mehr Beliebtheit erfreut: die Ablenkung durch Smartphones. Sobald sich irgendwo eine Warteschlange bildet, dauert es nicht lange und die erste Person holt ein Telefon heraus, um die Zeit zu vertreiben. Sei es, in dem er oder sie Spiele spielt, Mails checkt oder herumscrollt. Aber Studien zeigen, dass der Grad der Langeweile durch die Nutzung Ihres Telefons nicht nur keine Erleichterung bringt, sondern sogar im Gegenteil diese steigert.

Nachdem bei mir selbst beide Lösungen nicht funktioniert haben, habe ich nach einer anderen Strategie gesucht – und schließlich auch eine gefunden. Darin geht es weniger, die Außenwelt zu verändern, als vielmehr sich selbst zu ändern.

Die erste – zugegebenermaßen bei mir nicht ganz so erfolgreiche – Strategie ist, die Tugend der Geduld zu üben. Ungeduld ist offensichtlich von zentraler Bedeutung für den Warte-Frust-Zyklus. Die Forschung hat schon öfters nachgewiesen, dass Menschen, die mehr Geduld haben, auch eine höhere Lebenszufriedenheit und weniger Depressionen erleben. Das sind eigentlich gute Gründe, um die eigene Geduldtoleranz zu erweitern.

Die zweite – wissenschaftlich nachgewiesen erfolgreichere – Strategie ist die der Achtsamkeit. Im Grunde geht es darum, sich beharrlich auf den gegenwärtigen Moment konzentriert. Wenn Sie schon jemals versucht haben zu meditieren, wissen Sie, wie schwierig, wenn nicht sogar frustrierend es sein kann, sich im Moment zu befinden und die Gedanken fließen zu lassen. Dabei geht es auch einfacher: Sie müssen dazu lediglich Ihr Telefon weglegen und sich bewusst umsehen. Versuchen Sie wahrzunehmen, was Sie beobachten. Es geht einfach darum, neue Dinge zu bemerken. Sie können das auch zu einem Spiel machen: Was entdecken Sie, das nicht offensichtlich ist? Wie verhalten sich die Menschen? Was passiert um Sie herum?

Der beste Weg, das Elend des Wartens zu lindern, besteht also nicht darin, die Welt um sich herum zu ändern, sondern sich selbst. Diese Erkenntnis gilt aber nicht nur für das Warten beim Reisen. Die meisten von uns verbringen ihren Alltag mit einer inneren Unzufriedenheit und Ungeduld, wenn nicht alles unseren Vorlieben und Bequemlichkeiten nach funktioniert. Aber wenn wir einen kurzen Moment darüber nachdenken, erkennen wir, wie absurd es ist, anzunehmen, dass das der Fall sein könnte. Seitdem ich die Welt um mich herum während des Wartens beobachte, habe ich viel gelernt. Vor allem über mich und meine Geduld.