Sowohl bei meiner Arbeit als Unternehmensberaterin als auch als Coach gibt es zwei Techniken, die immer zum Zug kommen: Aktives Zuhören und Beobachtung. Keine andere Methode gewährt mir einen so tiefen Einblick in die Denkmuster von Menschen und Unternehmen. Zu beobachten, wie sich Menschen verhalten, offenbart nicht nur ihre unbewussten Abläufe, sondern es zeigt zugleich mögliche Lösungswege auf. Es geht aber nicht allein darum, was Menschen tun, sondern auch, wie sie ihr Denken verbalisieren.
Die Wahl ihrer Worte gewährt Einblick in ihre individuelle Prägung, ihre Perspektive und sogar in ihre Entscheidungswege. Beispielsweise, ob jemand „die Nadel im Heuhaufen sucht“ oder „durch die rosarote Brille schaut“, ob „jemandem einen Bären aufbindet“ oder sich „der Magen dreht“. Metaphern wie diese beschreiben nicht nur unsere inneren Zustände - sie gestalten maßgeblich unsere Erfahrungen.
Denken Sie etwa an den Kampf gegen eine „kritische innere Stimme“. Die ständige Erinnerung an eigene Mängel kann wie ein unbewusster Automatismus oder das Flüstern einer Bekanntschaft wirken. Doch die Bezeichnung dieser inneren Stimme bildet auch die Grundlage für ein psychologisches Modell und spiegelt eine persönliche Vorstellung von sich selbst wider. Die Wahl der Metapher beeinflusst nicht nur, wie Sie diese innere Kritik erleben, sondern auch, welche Strategie Sie wählen, um dieser Kritik zu begegnen. Wenn Sie von einem „inneren Kritiker“ sprechen, neigen Sie vermutlich dazu, einen Therapeuten aufzusuchen, um die Ursprünge dieser Stimme zu erforschen, oder Sie entscheiden sich dazu, an Ihrem Selbstmitgefühl zu arbeiten, um Ihre inneren Gespräche freundlicher zu gestalten.
Kürzlich wurde ich in ein Unternehmen eingeführt, das sich selbst eine Maschine betrachtet. Dieses Bild weckte in meinem Geist unmittelbar die Vorstellung von Robotern, die alle auf effiziente, zuverlässige und vorhersehbare Weise funktionieren. Der Einsatz von Maschinen in der Industrialisierung erforderte eine Anpassung der Organisation an den Arbeitsrhythmus und eine strenge Überwachung der Arbeiter, um sicherzustellen, dass sie nicht zu eigenständig und dadurch zu individuell agieren. Das führte nicht nur zu erheblichen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit, sondern auch dazu, dass die Selbstverantwortung an das Management abgegeben wurde. Dadurch wurde die Komplexität von Vorgängen als fast beliebig reduzierbar betrachtet und die Zukunft als vorhersehbar angesehen. „Wenn wir nur ausreichend gut planen, wird jedes Projekt erfolgreich“ – das ist eine typische Denkweise in solchen Organisationen.
Metaphern sind oft nicht nur Produkte unserer kulturellen Vorstellungskraft, sondern sie beschreiben etwas, das uns zutiefst vertraut ist. Zum Beispiel stammt die Vorstellung, wie unsere Körpersäfte funktionieren, aus der Antike, als Pumpen und Brunnen die einzige Möglichkeit waren, an lebenswichtiges Wasser zu gelangen. In der Renaissance wurde der menschliche Körper oft als eine Art mechanisches Uhrwerk betrachtet. Solche bildlichen Ausdrücke beeinflussten das Verständnis vom eigenen Körper auf eine gefährliche Weise: Sie reduzierten den Menschen so auf leistungsorientierte Wesen, deren Hauptziel es war, effizient zu arbeiten.
Heutzutage ist das nicht viel anders. Wir werden davor gewarnt, regelmäßig abzuschalten, um unsere Batterien wieder aufzuladen und neu durchzustarten. Dabei vergessen wir, dass wir keine Maschinen sind, sondern biopsychosoziale Organismen, die sich in ständiger Wechselwirkung mit ihrer Umwelt entwickeln. Wenn wir uns zu stark in Computer- oder Maschinen-Metaphern verstricken, hemmen wir unsere eigene Vorstellungskraft. Wir verlassen uns dann auf magische Kräfte oder technische Eingriffe, die uns wieder zu reparieren - und vergessen dabei, dass jede innere Arbeit Geduld, Mühe und Zeit erfordert.
Metaphern, die auf Maschinen zurückgreifen, reduzieren uns auf leistungs- und gewinnorientierte Wesen, die ständig zur Selbstoptimierung verpflichtet sind, um möglichst effizient und effektiv zu sein. Diese Bilder fördern auch einen Wettbewerbsgeist, bei dem nur die Stärksten überleben. Diese Vorstellung von Selbstoptimierung steht jedoch im krassen Gegensatz zu viel älteren Konzepten wie der Selbstkultivierung, die von Denkern wie Laotse oder Aristoteles gepredigt wurde. Dabei handelte es sich um einen lebenslangen Prozess, der auf Lernen und innere Entwicklung abzielt, nicht auf die Verbesserung bestimmter Fähigkeiten. Dazu verwendeten die Gelehrten vor allem Naturmetaphern, in denen die Seele wächst und gedeiht, in denen Menschen das richtige Umfeld schaffen müssen und gelegentlich Unkraut jäten sollten.
Metaphern haben einen tiefgreifenden Einfluss auf unseren Alltag. Sie helfen uns, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu gestalten, das Leben als eine Reise zu sehen oder unser inneres Kind zu heilen. Diese Bilder enthüllen viel über unsere grundlegenden Selbstvorstellungen. Je nach gewählter Metapher wird deutlich, ob wir uns von materiellen, spirituellen oder erfahrungsbezogenen Belohnungen motivieren lassen. Vor allem aber zeigen Metaphern, ob wir uns als Teil einer größeren Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Verpflichtungen sehen oder ob wir uns als Einzelkämpfer in einem feindlichen Umfeld betrachten.
Die Wahl unserer Metaphern ist von entscheidender Bedeutung. Sie prägen nicht nur unsere Sichtweise auf unser inneres Leben und Veränderungen, sondern sie stützen auch bestimmte gesellschaftliche Annahmen, die auf Individualismus anstelle von Gemeinschaft basieren. Statt uns selbst als Maschinen zu betrachten, die einfach repariert werden müssen, um wieder ordnungsgemäß zu funktionieren, sollten wir Metaphern wählen, die unsere Verbundenheit in den Mittelpunkt stellen. Wir könnten uns als Ameisen sehen, die zusammenarbeiten, oder als kleine, einzigartige Mosaiksteine, die gemeinsam ein wunderschönes Kunstwerk ergeben.