Können Introvertierte überhaupt kreativ sein?

Unsere Welt ist voller Vorurteile: Männer sind erfolgreicher als Frauen, Frauen interessieren sich nicht für Technik, Introvertierte sind schüchtern, extravertierte Menschen sind die besseren Führungskräfte und so weiter. So falsch diese Vorurteile auch sind, es bringt nichts, wenn wir so machen als würden sie nicht existieren, sie wirken trotzdem.

Auch in offensichtliche Denkfehler reinzutappen ist menschlich. Wir neigen schlicht und ergreifend dazu, die Welt für uns so zu gestalten, dass wir Dinge schnell einordnen und für uns erklärbar machen können – unabhängig davon, ob sie stimmen oder nicht. Mythen und Vorurteile vereinfach auf gewisse Weise unseren Alltag.

(Unbewusste) Voreingenommenheit existieren in jedem Lebensbereich. So haben Nachforschungen ergeben, dass Menschen bei Lebensläufen eher demjenigen mehr Intelligenz und Erfolg zuschreiben, der einem männlichen Namen trägt.

Mythen über Introversion

Entsprechend viele Mythen existieren auch über Introvertiertheit. Die gängigsten lauten, dass introvertiertere Menschen schüchtern, unsozial oder einsam sind. Dabei wird Schüchternheit oft mit der Vorliebe verwechselt, sich zurückzuziehen, um sich zu erholen. Introvertiertere Personen laden ihre Batterie einfach lieber in einer ruhigen Umgebung auf, während extravertiertere Menschen vor allem unterwegs und unter Menschen Energie tanken. Das hat allerdings nichts mit Schüchternheit zu tun – vielmehr reagiert das Nervensystem eines introvertierteren Menschen mehr auf Stimulation als das einer extravertierteren Person.

Introvertiertere Menschen reagieren oft stärker auf externe Reize, da ihr Nervensystem sensibler auf Stimulation anspricht. Das erklärt, warum sie häufig ruhige Umgebungen bevorzugen, um sich zu regenerieren, während extravertierte Menschen aktivere Situationen aufsuchen, um Energie zu tanken. Diese Unterschiede betreffen auch die Wahrnehmung von Stimulanzien wie Koffein. Studien zeigen, dass introvertiertere Personen sensibler auf Koffein reagieren können, was jedoch nicht zwingend auf einen geringeren oder höheren Konsum hinweist. Entscheidend bleibt die individuelle Reaktion auf Reize, unabhängig von allgemeinen Konsummustern.

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, nämlich dass Introvertierte keine Teamplayer und unsozial wären. Es gibt unzählige Studien, die nachweisen konnten, dass introvertiertere Personen sich mehr Zeit zur Verarbeitung von Informationen als ihre extravertierteren Kollegen nehmen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie am Ende des Tages deswegen weniger oder gar unkreativere Ideen haben. Vielmehr nutzen sie die Zeit für sich, um die Informationen zuerst zu durchdenken, bevor sie ihre Gedanken dazu laut aussprechen oder sich einer neuen Idee zuwenden.

Liegt die wahre Macht nur in der Stille?

In unserer nach außen hin eher extravertiert dominierten Welt passt es nur schwer in unsere Vorstellung, dass Stille und Isolation erfolgreich machen könnte. Werfen wir aber einen Blick in die Geschäftswelt, dann sind es die vermeintlich leisen Menschen, die erfolgreiche Innovatoren und/oder Führungskräfte sind: Bill Gates, Mark Zuckerberg oder Marissa Mayer sind nur einige Beispiele. Sie alle bezeichnen sich als introvertiert und haben ihren eigenen Aussagen zufolge dann revolutionäre Ideen, wenn sie alleine und für sich an einer Idee arbeiten.

Introvertiertere Personen besitzen viele Eigenschaften, die sie dabei unterstützen, großartige Innovatoren und Führungskräfte zu sein: So beobachten sie mehr, als dass sie selbst sprechen. Sie können auch Unausgesprochenes eher zwischen den Zeilen lesen und spüren weniger das Bedürfnis, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

Die beste Version ist immer die authentische

Egal wo im extra- oder introvertiertem Spektrum Sie sich selbst einreihen – versuchen Sie niemals jemand anderes zu sein, nur weil Ihnen jemand einreden will, dass Sie nur auf diese oder jene Weise erfolgreich sein können. Das kostet Sie nicht nur unnötig Energie, sondern es hält Sie davon zurück, Ihr ganzes Potenzial zu leben. Nur wenn Sie zu sich selbst stehen und das tun, was Ihnen gut tut, können Sie auch die beste Version von sich selbst sein.

Ich bin davon überzeugt, dass wir letztlich nur aus einem Gefühl wahrer Überzeugung die Welt verändern. Bei diesem Gefühl, das alles antreibt, spielt es keine Rolle, woher Sie Ihre Energie ziehen und ob Sie sich selbst eher als leise oder laut bezeichnen. In Wirklichkeit ist es immer Ihre Überzeugung, die aus Ihnen spricht. Es ist die Leidenschaft für eine bestimmte Sache, die uns antreibt und uns motiviert.