Ich habe in meinem Beruf viel mit Menschen zu tun, die entweder bereits eine Führungsrolle bekleiden oder eine solche anstreben. Wenn ich eines dabei erlebt habe, dann, dass eine gute Ausbildung kein Garant dafür ist, dass diese Menschen erfolgreich in ihrem Tun sind. Das zeigen auch Studien: Bis zu 70% der neuen Führungskräfte scheitern bereits innerhalb der ersten 18 Monate nach ihrer Einstellung.
Die üblichen Verdächtigen, die zum Scheitern führen, sind vorhersehbar: die Unfähigkeit, ein Team aufzubauen, schlechte Kommunikation, mangelnde Bereitschaft, unangenehme Dinge zu tun, Egoismus und Narzissmus, fehlende Empathie und so weiter. Allerdings wird ein Grund oft nicht genannt: Die Menschen, die scheitern, weil sie einfach nicht als Führungskraft geeignet sind.
Mit dem Berufstitel kommen verschiedene Erwartungshaltungen – die von anderen Personen, aber auch die eigenen. Gerade bei Führungskräften wird oft davon ausgegangen, dass mit dem höheren Gehalt und der steigenden Verantwortung auch Glück und Erfüllung einhergehen. Allerdings ist das meistens nicht der Fall, zumindest nicht, wenn die Verantwortung zu groß wird. Das Problem ist, dass die kaum einer wirklich erfolgreich sein kann, wenn er oder sie in ihrem Job unglücklich ist. Es lohnt sich daher zuerst darüber nachzudenken, ob der neue Titel wirklich den Ärger und den Frust wert sind, der mit der neuen Rolle einhergehen könnten.
Warum streben so viele Menschen eine Führungsrolle an? Ich glaube, das liegt vor allem an dem sogenannten Korrelations-Ursache-Denkfehler. Es handelt es sich dabei um die Überzeugung, dass eine Ursache eine andere bedingt, wenn diese zeitgleich auftreten. So gibt es zum Beispiel unzählige Untersuchungen, die zeigen, dass Führungskräfte generell eine höhere Arbeitszufriedenheit erleben als ihre Mitarbeiter. Manche dieser Studien führen als Grund dafür an, dass das Cortisol, also der Stressspiegel, bei Mitarbeitern, die einen höheren Führungsgrad erreicht haben, tendenziell niedriger ist. Weitere Studien gehen davon aus, dass der Grund eigentlich in einem Gefühl der Kontrolle liegt, das wiederum beruhigt. Unterm Strich kommen diese Studien häufig zum Schluss, dass Menschen, die Führungspositionen einnehmen, glücklich sind.
Der Haken an der Sache allerdings ist: Keine dieser Studien hat direkt nachgefragt, ob das Wohlempfinden steigt, sobald man die Karriereleiter hinaufklimmt. Um dieser Frage nachzugehen untersuchten Forscher Menschen kurz vor und kurz nach ihrer Beförderung. Das Ergebnis war gemischt, es zeigte sich jedoch, dass die Zufriedenheit mit der Beförderung in den meisten Fällen sank und erst nach zwei Jahren wieder zum Steigen begann.
Es ist klug, nicht nur die Vorteile, sondern auch die potenziellen Kosten einer Führungsposition zu berücksichtigen, wenn Sie selbst eine Führungsrolle anstreben möchten. So zeigt sich zum Beispiel, dass Führungskräfte oft mit Einsamkeit zu kämpfen haben. Vielleicht glauben Sie, dass in einer Führungsrolle Ihr persönliches Glück zu finden ist, aber auf diesen Glauben alleine zu setzen, wäre riskant. Hier sind vier Ideen, die Ihnen helfen können, Ihre Zukunft zu planen.
Einige Personen sollten Führungspositionen meiden. Wenn Sie eine Allergie gegen Tierhaare haben, ist es ratsam, nicht in einer Tierhandlung zu arbeiten. Das würde Ihr Leben nur deutlich erschweren. Dasselbe gilt aber auch bei Führungspositionen: Wenn Sie nicht gerne kommunizieren oder Probleme mit Einsamkeit haben, ist es für Ihr Wohlempfinden nicht ratsam, einen solchen Job zu wählen. Aber nicht nur Ihr eigenes Wohlempfinden, sondern auch das anderer könnte dadurch beeinträchtigt werden und das schmälert wiederum Ihren Erfolg.
Akzeptieren Sie vorübergehende Einbußen des persönlichen Glücks. Auch wenn die Durchschnittsführungskraft keine schwerwiegenden Probleme mit Einsamkeit hat, kann es dennoch eine Zeit dauern, bis sich das persönliche Wohlempfinden wieder einstellt. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass dieses Gefühl nur vorübergehend ist. Dennoch können diese Übergangsphasen langwierig sein. Es ist eine Abwägungssache, ob man diesen zeitweiligen Verlust des persönlichen Glücks für langfristige Ziele in Kauf nimmt.
Sie müssen einen Teil Ihrer Spezialistenrolle aufgeben. Als Führungskraft entfernt man sich von der Fachrichtung und hat möglicherweise nicht mehr die Aufgaben, die man früher als spannend empfand. Und damit müssen Sie sich abfinden, denn sonst laufen Sie Gefahr, zum Jobdieb zu werden. Wenn Ihre Mitarbeiter mit einer Frage zu Ihnen kommen, übernehmen Sie am Ende die ganze Aufgabe, weil sie einfacher ist oder weil Sie sie spannend finden. Das wirkt sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden aus und bedeutet gleichzeitig, dass man selbst zu viel Arbeit auf sich nimmt.
Sie verlieren an Einfluss. Wenn qualifizierte Fachkräfte Manager werden, liegt ihr Antrieb oft darin, dass sie innerhalb ihres Fachgebiets größeren Einfluss ausüben können. Aber paradoxerweise passiert oft das Gegenteil, denn als Führungskräfte sind sie sowohl für ihre Vorgesetzten als auch für ihre Untergebenen verantwortlich. Sie haben dann nur begrenzten Einfluss auf die Strategie und die Gesamtausrichtung der Organisation, zeitgleich muss diese aber an die Mitarbeitenden weitergegeben werden. Für viele kann sich das als Zwickmühle anfühlen.
Trotz der verlockenden Aussicht auf Glück und Erfolg in Führungspositionen ist es wichtig, kritisch zu hinterfragen, ob Sie diesen Job wirklich wollen. Die Evolution hat den Menschen möglicherweise dazu gebracht, nach Status und Macht zu streben, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Führungsposition der richtige Weg ist. Es ist wichtig, sich von tierischen Instinkten nicht blenden zu lassen und die potenziellen Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden sorgfältig zu bedenken - für Ihr Wohl und zum Wohle anderer.