Letztens haben mein Mann und ich im Rahmen eines Projekts, bei dem ein Unternehmen die Fluktuation stoppen will, viele Gespräche nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch mit Menschen auf der Straße geführt. Bei den Gesprächen hörten wir sehr häufig, dass viele Menschen gerade so unglücklich mit ihrer Arbeit sind, dass sie mit dem Gedanken spielen, den Job zu wechseln. Wenn man die Aussagen mit Daten aus der Forschung vergleicht, betrifft das Gefühl der Unzufriedenheit im Job sogar jeden zweiten Arbeitnehmenden. Dennoch werden die meisten der Betroffenen den Arbeitsplatz nicht wechseln, wenn man sich die Fluktuation aus dem letzten Jahr ansieht.
Bei unserer direkten Befragung wurde uns als Grund am häufigsten genannt, dass Menschen aus Angst oder Unsicherheit bezüglich dem Unbekannten ihren Job nicht wechseln wollen: Was ist, wenn der neue Job sich als schlechter als der alte herausstellt? Im Normalfall gewinnt der „Teufel, den man kennt“ und das führt nicht selten zu großer Frustration und Unzufriedenheit.
Einige Studien haben herausgefunden, dass die Zufriedenheit nach einem Jobwechsel bei vielen zunächst signifikant ansteigt. Grund dafür ist die Aufregung und Euphorie zu Beginn eines neuen Jobs – die sogenannten „Job-Flitterwochen“. Doch dieser Zustand hält nicht ewig (meistens sogar nur 6 Wochen) und nach dem ersten Realitätscheck lässt die „Hangover“-Phase nicht lange auf sich warten. In der Arbeitspsychologie ist dieser Effekt als „Honeymoon-Hangover-Effekt“ bekannt.
Wie zufrieden Menschen mit einem Jobwechsel sind, kommt natürlich aber in erster Linie darauf an, wie der Jobwechsel empfunden wird: Wird er als Aufstieg oder Abstieg gesehen? Wenn der neue Job mehr Verantwortung und ein höheres Gehalt bedeutet, ist das Zufriedenheitsgefühl deutlich erhöht. Eine Studie von 2020 mit 10.000 Teilnehmern zeigte, dass nur diejenigen, die auf der Karriereleiter aufsteigen, den „Honeymoon“-Effekt erleben. Wer in einen weniger verantwortungsvollen Job wechselt, erlebt hingegen eine längere Phase der Unzufriedenheit.
Neben der beruflichen Perspektive spielt vor allem aber das persönliche Lebensglück eine Rolle. Forscher fanden heraus, dass Menschen, die generell glücklicher im Leben sind, auch nach einem Jobwechsel zufriedener bleiben. Insgesamt hängt die Zufriedenheit also nicht nur vom Job selbst ab, sondern vor allem davon, wie Sie das Leben insgesamt wahrnehmen.
So sind Personen, die eine organisationszentrierte Ausrichtung haben – die also Loyalität und Sicherheit als Wert schätzen und die ihre Karriere als Teil eines größeren Ganzen sehen – generell zufriedener und glücklicher in ihrem Arbeitsalltag und werden daher weniger selten ihren Job wechseln. Menschen, die hingegen egozentrisch orientiert und sich selbst als Gestalter ihrer Karriere sehen, sind eher bereit, einen Job schnell mal zu wechseln.
Wenn Sie über einen Job- oder Karrierewechsel nachdenken, sich aber durch die Angst vor dem Unbekannten gelähmt fühlen, könnten Ihnen folgende Gedanken Hilfestellung bieten:
Suchen Sie immer zuerst nach Wohlempfinden außerhalb der Arbeit: Vermutlich kennen Sie das von sich selbst: Wenn die Dinge im Rest Ihres Lebens gut laufen, passt es meistens auch im Job. Wenn wir umgekehrt bei dem, was wir tun, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, auf unser allgemeines Wohlbefinden achten, legen wir zu viel Wert auf den Job und machen ihn zu sehr unter Druck. Denken Sie daher immer daran, dass der größte Indikator für Arbeitszufriedenheit das Glück außerhalb der Arbeit ist.
Springen Sie, bevor Sie geschubst werden: Der Mensch sehnt sich nach Kontrolle über seine Umwelt. Einer der schlimmsten Begleiterscheinungen einer Depression ist das Gefühl, dass Sie Ihr Leben nicht unter Kontrolle haben – dass äußere Kräfte bestimmen, was mit Ihnen passiert. Eine Entlassung zum Beispiel löst häufig Frustration, Schuldgefühle, Verlegenheit und Wut aus – und geht daher auch mit einer geringeren Zufriedenheit einher. Anders liegt der Fall, wenn Sie aktiv einen neuen Job suchen. Manchmal kommt der Verlust Ihres Arbeitsplatzes völlig überraschend, aber eine Vorwarnung kann beispielsweise durch einen Wechsel in der Geschäftsführung, einen Einstellungsstopp oder einen Wechsel der Produktlinie erfolgen. Wenn Sie wachsam bleiben, haben Sie eine bessere Chance, zu Ihren eigenen Bedingungen zu wechseln.
Achten Sie auf Ihre Erwartungshaltung: Selbstreflexion über die eigenen Erwartungen ist entscheidend, wenn es um Jobwechsel geht. Wenn Ihre Erwartungen zu hoch sind, besteht die Gefahr, dass Sie schnell enttäuscht werden. Das kann dazu führen, dass Sie sich immer wieder auf dem Arbeitsmarkt umsehen und in einem Kreislauf unerfüllter Hoffnungen feststecken. Bevor Sie einen Jobwechsel in Betracht ziehen, fragen Sie sich, was Sie wirklich von einem neuen Job erwarten und ob diese Erwartungen mit den Realitäten des Arbeitslebens übereinstimmen.
Vielleicht haben Sie das Gefühl, in Ihrer momentanen Rolle festzustecken. Oder Sie stellen Ihr Ziel in Frage. Bevor Sie jedoch Ihr Kündigungsschreiben verfassen, machen Sie sich vorher bewusst, warum Sie Ihren Job wechseln wollen. Altes loszulassen ist ein Teil des menschlichen Wachstumsprozesses. Ihr Leben liegt in Ihren Händen und vielleicht könnte ein Jobwechsel genau die Gelegenheit sein, die Sie für Ihre persönliche Neuerfindung gerade brauchen. Denken Sie daran: Ihr Job ist etwas, das Sie tun, um Ihr Leben finanzieren zu können. Vergessen Sie dabei nur nicht den Honeymoon-Hangover-Effekt, falls Ihnen nach 6 Wochen Zweifel kommen.