Wie Ihre Zeitempfindung Ihre Kreativität beeinflusst

Sie kennen bestimmt selbst solche Momente, in denen die Zeit ganz seltsam auf einen wirkt. Der Wimpernschlag dehnt sich zur Ewigkeit aus, in der sich Raum und Zeit scheinbar auflösen. Unfallopfer beschreiben zum Beispiel den Moment des Aufpralls als unerträglich lang. Oder auch das Gegenteil kann der Fall sein: Wenn Sie sich im kreativen Flow befinden, verfliegt die Zeit wie im Flug.

Die verschiedenen Empfindungen rund um Zeit

Letztens habe ich ein Buch des Neurologen Oliver Sacks ("Der Strom des Bewusstseins"), gelesen, in dem er zwei verschiedene Zeitwahrnehmungen beschreibt: den Tag-Nacht-Rhythmus einerseits und das Gefühl für den Ablauf von Minuten und Stunden andererseits.
Diese Empfindungen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Präzision und in den Zeiträumen, die sie messen. Sie sind auch individuell völlig abhängig von äußeren Reizen und dem Bewusstsein. Die gefühlte Zeit ist demnach eine subjektive Beobachtung, während der Tag-Nacht-Rhythmus vor allem außerhalb der eigenen Wahrnehmung existiert. Der Tag-Nacht-Rhythmus ist eine gesellschaftlich definierte Zeitbeschreibung, während die erlebte Zeit ausschließlich in unseren eigenen Köpfen entsteht. Es ist erstaunlich, wie unser Verstand die Zeit auf diese Weise wahrnimmt. Wer Langeweile kennt, weiß nur zu gut, wie aus Minuten Stunden werden.

Der Mechanismus dahinter

Wir nehmen die Zeit aus gutem Grund anders wahr als das, was auf der Uhr steht: Unser Verstand verarbeitet ständig Millionen von Informationen. Unser Bewusstsein ist der Mechanismus, der irrelevante Informationen herausfiltert oder auf wichtige Details aufmerksam macht. So können wir meistens problemlos Lärm in einem Raum herausfiltern, aber sobald unser Name beispielsweise fällt, lokalisieren wir sofort, wer von wo aus gerufen hat.

Wenn wir gelangweilt sind, suchen unsere Gedanken nach Stimuli, die wiederum das Zeitgefühl ausdehnen. Sind wir allerdings voll fokussiert und konzentriert, schließen wir ebendiese Reize aus und damit auch unsere Fähigkeit, das Verstreichen der Zeit wahrzunehmen.

Der Grund für das Zeitempfinden ist in den Endorphinen versteckt:  Mehr Endorphine führen zu einem schnelleren Verstreichen der Zeit, während weniger Endorphine die Zeit langsam ablaufen lässt. Auch Drogen wie Haschisch und Alkohol beeinflussen nicht nur unsere Gehirnchemie, sondern auch das Zeitgefühl: Die Uhrzeit bleibt gleich, aber der Verstand rast durch die Möglichkeiten.

Lässt sich Zeitempfinden bewusst steuern?

Für Oliver Sacks stand fest, dass es irgendwo unter unserer Schädeldecke eine Art Zeitmesser gibt, der uns aus dem Takt bringen kann. Damit stellt sich für alle Stressgeplagten eine interessante Frage: Lässt sich die innere Uhr womöglich mit einfachen Psychotricks manipulieren?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Wege, Ihre Zeitwahrnehmung zu verändern. Wenn Sie kreativ arbeiten wollen, liegt der Trick darin, die Reizstimuli auszuklammern. Dazu können Sie sich beispielsweise Situationen vergegenwärtigen, in denen Sie sich gelangweilt haben, oder indem Sie einfache Aktivitäten aus Ihren Routinen entfernen. Oder lassen Sie einmal Ihr Smartphone Zuhause. Sie können aber auch Ihre Aufmerksamkeit bewusst durch Meditation oder durch Sport  lenken. Im Grunde funktioniert ein Verschieben des Zeitempfinden mit allem, das Sie als angenehm empfinden und in dem Sie sich im Laufe der Zeit verbessern können.

Fazit

Wichtig ist dabei, dass Sie sich bewusst sind, warum Sie etwas tun. Wenn Sie meditieren, weil alle es tun und es gerade hipp ist oder wenn Sie Sport machen, um schlanker zu werden, geht ein großer Teil des eigentlichen Nutzens verloren und die Zeit zieht sich wie ein Gummiband.

Das Wichtigste ist, die Aktivität um ihrer selbst willen zu genießen und zu wissen, dass das, was zählt, nicht das Ergebnis ist, sondern die Kontrolle, die man über seine Aufmerksamkeit erhält.