Wie Sie schlechten Entscheidungen ein Ende setzen

Bis zu 100.000 Entscheidungen treffen wir Tag für Tag, die meisten davon sind so genannte Mikro-Entscheidungen. Viele dieser Entscheidungen treffen wir blitzschnell und unbewusst. Ein Glück für uns, dass sich die meisten Mikro-Entscheidungen in unserem Alltag um Triviales drehen: Wie die Frage, ob Sie nicht doch noch 5 Minuten liegen bleiben können oder doch besser gleich aufstehen sollten. Oder welche Krawatte, welcher Blazer heute ausgetragen wird. Spätestens im Büro geraten wir aber schnell in Situationen, in denen wir wichtige und weitreichende Entscheidung treffen müssen.

Wir sind konditioniert worden zu glauben, dass mehr Auswahl immer eine gute Sache ist. Alleine die Auswahl an Obst und Gemüse zu den absurdesten Zeiten ist erschreckend. Kein Wunder, dass Wissenschaftler der heutigen Gesellschaft eine „Entscheidungs-Müdigkeit“ attestieren: Entscheidungen fallen uns schwerer, je weiter der Tag vorangeschritten ist. Unsere kognitiven Ressourcen werden nach und nach ausgeschöpft, da unsere Willenskraft ähnlich einem Muskel in unserem Körper aufgebaut ist. Je mehr wir den Muskel im Laufe des Tages anstrengen, desto mehr Kraft kostet uns das.

Das Entscheidungs-Müdigkeits-Phänomen betrifft jeden

Drei Männer in einem israelischen Gefängnis standen vor einem Bewährungsausschuss, der aus einem Richter, einem Kriminologen und einem Sozialarbeiter bestand. Alle drei Gefangenen hatten ihre Strafe bereits zu zwei Drittel abgesessen - aber nur einer von ihnen wurde freigelassen. Raten Sie, welcher. Die Antwort finden Sie am Ende dieses Artikels.

Fall 1 (8:50 Uhr): Ein arabischer Israeli verbüsste eine 30-monatige Haftstrafe wegen Betrugs.
Fall 2 (15:10 Uhr): Ein jüdischer Israeli saß eine 16-monatige Haftstrafe wegen Körperverletzung ab.
Fall 3 (16:25 Uhr): Ein arabischer Israeli hatte eine 30-monatige Haftstrafe wegen Betrugs erhalten.

Forscher untersuchten über 1.000 ähnliche Fälle und kamen zu dem Schluss, dass auch bei Rechtsurteilen das Timing eine entscheidende Rolle spielt. Der Ablauf vor Gericht war - genauso wie bei den drei Männern in unserer Geschichte - stets derselbe: Die Richter hörten sich die Appelle der Gefangenen an und beriet sich danach mit den anderen Jurymitgliedern. Trotzdem unterlagen die Chancen, auf Bewährung entlassen zu werden, heftigen Schwankungen im Laufe des Tages. Gefangene, die früh am Morgen erschienen, wurden zu etwa 70% der Fälle früher entlassen, während diejenigen, die gegen Ende des Tages erschienen, bis zu weniger als 10 % früher rauskamen.

Die Sache mit dem inneren Schweinehund

Bei einer anderen Studie wurden zwei Gruppen verschiedene mentale Aufgaben zugeteilt: Während die eine Gruppe sich eine einfache 2-stellige Abfolge merken sollte, musste die andere Gruppe sich mehr anstrengen, um eine 7-stellige Abfolge wiedergeben zu können. Als die Probanden mit der Untersuchung fertig waren, wurde ihnen zum Dank etwas zum Essen angeboten: Sie konnten zwischen Süßem und einem Stück Obst wählen. Diejenigen, die die geistig anstrengendere Aufgabe hatten, wählten in fast allen Fällen die Süßigkeiten. Warum? Weil sich unsere Willenskraft, die Fähigkeiten uns zu fokussieren, zu konzentrieren und Probleme zu lösen aus dem gleichen Pool an Ressourcen bedienen. Und diese kognitiven Ressourcen sind nun mal bei jedem Menschen begrenzt.

Egal, wie rational sie sich verhalten wollen: Eine Entscheidung nach der anderen zu treffen, hat seinen biologischen Preis: Sie werden müde. Diese Müdigkeit ist aber eine andere als die normale, körperliche Ermüdung - Ihre mentale Energie schwindet dabei auf ein Mindestniveau.

Mehr Auswahl macht das Leben schwerer

Entscheidungsmüdigkeit ist ein modernes Phänomen. Ob der vielen verschiedenen Möglichkeiten fühlen wir uns schlicht und ergreifend überfordert.
Mehr Auswahl zu haben ist einerseits eine wunderbare Sache, für die wir dankbar sein sollten: Es zeigt, in welcher Wohlstandsgesellschaft wir leben. Andererseits erschöpft die Zahl der Möglichkeiten unsere kognitiven Ressourcen in unproduktiver Weise. Dadurch haben wir nicht nur weniger Willenskraft, sondern treffen auch noch schlechtere Entscheidungen. Und es fehlt Energie, um unseren mentalen Panzer für die großen Probleme und Fragen zu rüsten.

4 Wege, um zukünftig besser zu entscheiden

Aber es gibt ein paar Tricks, die Ihnen helfen, diesen Teufelskreis zu verlassen:

  1. Lernen Sie Ihre Grenzen kennen
    Gegen die Entscheidungsmüdigkeit effektiv anzukämpfen, beginnt bei der Planung Ihres Tages. Bauen Sie abwechslungsreiche Arbeiten in Ihren Zeitplan ein, so dass Sie nicht viele Entscheidungen hintereinander treffen müssen. Wenn Sie vor einer großen Entscheidung stehen, versuchen Sie, diese möglichst früh am Tag und nach einer Mahlzeit zu bearbeiten. Zu dieser Zeit ist Ihr Geist am effektivsten.
     
  2. Treffen Sie Entscheidungen bereits im Voraus
    Viele Entscheidungen können wir nicht aufschieben. Wir können Ihnen aber klüger begegnen, indem wir sie bereits im Voraus planen. Ein Beispiel: Anstatt zu überlegen, was Sie nach einem anstrengenden Arbeitstag zu Abend essen wollen, planen Sie Mahlzeiten für die Woche ein paar Tage vorher. Nämlich dann, wenn sich Ihre Entscheidungsfindung von seiner besten Seite zeigt. Oder automatisieren Sie gewisse Dinge wie den Ablauf Ihrer Morgenroutine. Je mehr Sie im Vorhinein planen, um so weniger müssen Sie adhoc entscheiden und desto mehr Energie bleibt Ihnen, für wichtige, kurzfristige Entscheidungen
     
  3. Ändern Sie energieabziehende Routineabläufe
    Wann immer möglich, streichen Sie Dinge, von denen Sie wissen, dass sie viel Energie kosten. Machen Sie dazu bewusst Pause von Ihren täglichen Routinen. Dabei erkennen Sie schnell, wie viele Dinge ständig Ihre Aufmerksamkeit fordern und keinen Spaß machen, sondern nur Nerven kosten. Sobald Sie aber wieder zurück in Ihren Alltag sind, sind Sie sofort wieder im Strudel gefangen. Machen Sie deswegen öfters Pause, hinterfragen Sie dabei immer wieder bewusst Standard-Abläufe und achten Sie darauf, was Ihnen gut tut und wo Sie sich besser neue Wege und Routinen suchen sollten.
     
  4. Das 10-10-10-Modell für bessere Entscheidungen
    Machen Sie es wie die Erfinderin der 10-10-10-Methode, Suzy Welch, und treffen Sie simpel und schnell Entscheidungen.
    Recherchieren Sie dazu zunächst alle wesentlichen Informationen zum Entscheidungsproblem und fragen Sie sich dann bewusst:
     
    • Welche Auswirkungen hat meine Entscheidung in 10 Tagen?
    • Welche Auswirkungen hat sie in 10 Monaten?
    • Welche Auswirkungen hat sie in 10 Jahren?

      Ein solcher Auswahlprozess hilft Ihnen dabei den Blick in Richtung Zukunft zu richten und zu schärfen. Wenn Sie etwa überlegen, ein Projekt durchzuführen oder nicht, spielen Sie mal bewusst das 10-10-10-Modell im Team oder alleine durch und fragen Sie sich, inwiefern das Projekt das Unternehmen wirklich dorthin bringt, wo es hin möchte.

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt

Wenn Sie sich bewusst werden, was Ihnen Energie abzieht, sind Sie schneller in der Lage zu reagieren. Beginnen Sie mit kleineren Änderungen und Schritten, damit Sie motiviert dran bleiben und nicht gleich frustriert aufgeben. Was können Sie heute anders als sonst machen, um Ihre geistigen Ressourcen zu befüllen und zu stärken? Befreien Sie sich von der Entscheidungsmüdigkeit und treffen Sie so klarer bessere Entscheidungen. Dann haben Sie auch mehr Energie, Ihre Kreativität freizusetzen und Probleme klug zu lösen.

Achja, ich habe Ihnen ja noch eine Auflösung versprochen... Der Gefangene aus Fall 3, der um 16.25h seine Anhörung hatte, bekam als einziger seine Freiheit wieder. Zu der Zeit war der Richter wohl schon müde und sein Glucosehaushalt aufgebraucht, sodass das "Stattgegeben" einfacher auszusprechen war, als Argumente dagegen zu finden...