Wie Sie Ihre empathischen Fähigkeiten ganz leicht ausbauen können

In meiner Rolle als Beraterin für Innovation arbeite ich oft mit Managern zusammen, denen es nicht an guten Ideen mangelt, sondern die vielmehr Schwierigkeiten haben, diese Ideen und Prioritäten gut zu kommunizieren. Je komplexer ein Unternehmen dann noch ist, desto schwieriger wird es, Innovation durch eine politische Landschaft zu navigieren, bei der diverse Stakeholder mit schrumpfenden Ressourcen konkurrieren.

Auffällig ist jedoch, dass diejenigen erfolgreich in diesen komplexen Situationen manövrieren, die eine wichtige Eigenschaft besitzen, nämlich die Fähigkeit, sich in andere emphatisch einfühlen zu können.  Was für manch einen ganz offensichtlich zu sein scheint, wie etwa die Feststellung, dass Wasser nass macht, ist für andere nicht so klar nachvollziehbar. Zu diesem Schluss kam ich, als ich gelesen habe, dass zu viel Testosteron unsere Empathiefähigkeit senken würde und dass die heutigen Studenten weniger empathisch als die vorherige Generation wäre.

Was auf den ersten Blick eine gute Nachricht für alle mit niedrigem Testerostonspiegel ausgestatteten über 35jährigen ist, hat bei näherer Betrachtung doch einen schalen Beigeschmack. Statt sich zu überlegen, ob eine bestimmte Personengruppe mehr oder weniger Empathie empfinden könnte, wäre es nicht wichtiger zu überlegen, wie Menschen generell auf empathischen Gefühle zugreifen können, wenn sie sie brauchen?

In meinen letzten beiden Artikeln (Empathie als Schlüssel zu wahrer Erkenntnis bzw. Gibt es ein Zuviel an Empathie?) habe ich bereits ausführlich beschrieben, was für mich Empathie bedeutet und welche Auswirkungen diese Eigenschaft hat. Zusammenfassend ist für mich, empathisch zu agieren, in jemand anderes Schuhe zu treten, aber dann diese auch wieder zu verlassen, um eigene Schlüsse aus der Erfahrung, den Gefühlen und Perspektiven des Schuhbesitzers zu ziehen. Womit ich mich in diesem kurzen Beitrag beschäftigen will, ist die Frage, ob es eine Art Technik gibt, die wir nützen können, um aktiv Empathie aufzubauen, und falls ja, wann diese sinnvoll einzusetzen wäre.

Ein einfacher Trick

Bereits ein einfacher Trick hilft, um Empathie für einen anderen Menschen zu entwickeln: Lenken Sie einfach mal Ihr Bewusstsein an einem Ort, wohin sich der eigene Geist im Normalfall nicht von alleine hinbewegt, z.B. zu einer x-beliebigen Person. Achten Sie dann einfach, welche Gefühle und Wahrnehmungen bei Ihnen auftauchen und erkunden Sie Ihre eigene emotionale und kognitive Landschaft. Kehren Sie dann zu Ihrer persönlichen Realität zurück.

Zugegeben, diese Übung ist ein wenig abstrakt, deswegen will ich folgendes Beispiel aus meiner Praxis verwenden: Stellen Sie sich vor, dass Sie bei einem Kundendienst eines Telekomanbieters anrufen, um über die Ihrer Meinung nach zu Unrecht erhobenen Gebühren Einspruch zu erheben. Da Sie ja die Gebühren nicht zahlen und möglich geschickt an die ganze Sache herangehen wollen, entscheiden Sie sich zunächst dafür, Ihre Emotionen wie Wut, Ärger und ein Gefühl der Ungerechtigkeit, die automatisch bei dem Thema in Ihnen aufkochen, zu zügeln, da Sie genau wissen, dass diese einen glimpflichen Ausgang eher erschweren. Empathie ist genau in solchen Situationen ein hervorragender Weg, um unsere eigenen Emotionen in solchen Situationen zu managen. Deswegen entscheiden Sie sich auch spontan, Ihr eigenes Einfühlungsvermögen zu testen. Überlegen Sie sich dazu, wie es Ihrem telefonischen Gesprächspartner dabei ergehen könnte.
Aber Vorsicht: Es reicht allerdings nicht aus, wenn Sie dabei nur überlegen, wie der andere sich fühlen könnte. Um wirklich empathisch die Welt aus der Perspektive Ihres Gegenübers zu erleben, müssen Sie sich schon in dessen emotionale Landschaft einlassen. Das bedeutet, dass Sie sich kurz die Zeit nehmen sollten, um sich in Gedanken dessen Situation in den buntesten Bildern auszumalen.

Bei unserem Beispiel könnten Sie sich nun vorstellen, wie es ist, den ganzen Tag lang in einem dieser unpersönlichen Großraumbüros, am besten noch eingepfercht zwischen zwei Sichtschutz-Platten, zu sitzen, mit direktem Blick auf den Computer, der Ihnen alles, was Sie tun und sagen sollen, vordiktiert. Womöglich sind Sie (also Ihr empathisches Ich) alleinerziehend, Student oder Halbtagsangestellter, der viel arbeiten muss, um gerade die Miete oder Unigebühren zahlen zu können. Tag für Tag ist Ihr Tag voller frustrierter und wütender Kunden gefüllt, die Sie regelmäßig anschreien, persönlich beleidigen und Sie womöglich mit den abstrusesten Schimpfnamen versehen. Aus Angst um den Arbeitsplatz dürfen Sie sich nicht auf angemessene Art und Weise wehren, sondern müssen runterschlucken.

Und dann, noch bevor sich die Herzfrequenz verlangsamt, kommt bereits ein weiterer Anrufer herein, der sich über eine scheinbar falsch erhobene Gebühr beschwert... Der Teufelskreis dreht sich weiter.

Was diese Übung bewirken kann

Diese kurze Übung soll im Grunde bewusstmachen, dass, wann immer Sie freundlich und respektvoll agieren, auf der Gegenseite Gefühle der Erleichterung und Dankbarkeit entstehen. Endlich ein Anrufer, der Sie nicht wieder beleidigt und anschreit! Die Anspannung fällt langsam ab und Sie merken, wie der Kundenbetreuer sich motivierter fühlt und Sie bei der Behebung dieses Problems aktiv unterstützt, indem er oder sie sich besonders für Sie ins Zeug legt und den einen oder anderen Schlupfwinkel verrät.

Ich glaube, dass gerade Einsicht und Verstehen der wahre Kern von Empathie ist. Die Macht liegt darin, dass Sie erst dann ein neues Verständnis für die Emotionen der anderen Person entwickeln, deren Erfahrung die Emotionen und Gedanken wiedergeben oder einen Aspekt ihrer Erfahrung beleuchten können, der für Sie nicht offensichtlich gewesen wäre, wären Sie nicht für kurze Zeit in deren Schuhe geschlüpft und wären ein paar Schritte darin gelaufen.

Wann wir bewusst empathisch agieren können

Diese Übung lässt sich in einer Vielzahl von Situationen hervorragend anwenden. Hier sind nur einige von vielen möglichen Szenarien:

  • Wann immer Sie versuchen möchten, jemanden besser zu verstehen.

  • Wenn Sie sich in einem sinnlosen Streit mit einer Ihnen wichtigen Person wiederfinden.

  • Wenn Sie Probleme damit haben, emotional auf die Notlage eines geliebten Menschen zu reagieren.

  • Wenn Sie wollen, dass sich die Gemüter beruhigen und die Emotionen nicht überkochen.

  • Wenn Sie eine gute Lösung finden möchten.

Empathie scheint bei manchen Personen von Natur aus ausgeprägter zu sein, als bei anderen. Doch wenn Sie sich bewusst die Zeit nehmen, wirklich ein Abbild einer fremden Realität zu zeichnen und sich in dessen Lage versetzen, werden Sie immer wertvolle Erkenntnisse gewinnen.